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Wie unendlich weit entfernt sie schien! Und wie finster diese unnatürliche Stille über dem Deck des Schoners brütete! Dennoch konnte er nicht einfach verlassen worden sein. Ein fünfzig Fuß langes Fahrzeug wie dieses hier war selbst ohne die Ladung mehrere Tausend Dollar wert.

Resolut öffnete er abermals den Mund. »Ist jemand hier?«

Diesmal bekam er eine Antwort. Ganz leise begann es — als simples Lachen; dann wurde es höher und schriller, bis ein freudloses, grelles Kreischen über das schmale Deck hinfuhr. Auf der Stelle spürte er sein Herz entsetzt gegen die Rippen hämmern.

Schweiß brach ihm auf der Stirn aus. Er bebte.

Gegen die Reling zurückweichend, fühlte er, wie sich seine Hand instinktiv um die Pistole klammerte, die Tom Jarvis ihm gegeben hatte. Er zog sie aus der Hosentasche; seine Finger legten sich mit neuem Vertrauen um den glatten Stahl des Griffes. Die Waffe gab ihm, zusammen mit der Erinnerung an die Befehle seines Kapitäns, die Zuversicht zurück.

Aus dem Rettungsboot kam Toppys Schrei' »Oh, Allmächt'jer!« und dann des Schweden Jorgensons tiefe Stimme: »Bruder, mach die Schnauze zu! ... Soll'n wir nich besser auch an Bord kommen, Sir?«

»Nein, bleibt dort«, rief der Dritte Offizier ihnen zu, »aber haltet euch bereit, jede Sekunde abzulegen.«

Schritt um Schritt näherte er sich wieder der kleinen Lukenöffnung. »Wer ist da unten?« schrie er. »Antwortet!«

Nichts. Diesmal zerschnitt kein Hohngelächter die Stille der Abenddämmerung. Ted preßte die Lippen zu einer dünnen, entschlossenen Linie aufeinander; dann stieg er die drei Stufen der Kajütstreppe hinunter.

In der niedrigen Kabine war das Licht so schwach, daß er zunächst kaum etwas erkennen konnte. Nach ein, zwei Augenblicken jedoch nahm ein enges Gelaß allmählich Form an. Zwei leere Kojen, eine über der anderen, befanden sich an der Backbordseite. Daneben stand ein viereckiger Tisch. Kein menschliches Wesen war zu sehen.

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Der Tisch war für eine Person gedeckt: mit Messer, Gabel und Löffel, einem Teller und einer Tasse, die etwas enthielt, das offenbar schwarzer Kaffee war. Auf der Wachstuchdecke lag ein halber Laib Brot. Er streckte die Hand aus und berührte ihn. Das Brot war trocken; es mußte wohl schon seit Tagen dort liegen.

Wo aber war der Besitzer des Schoners, der hier zweifellos gerade beim Essen gewesen war, als — als sich etwas ereignet hatte? Ja, es mußte etwas Ungewöhnliches, Nichtvorauszusehendes geschehen sein. Aber was?

»Wer ist dort?« rief er.

In der Stille schien seine Stimme unwirklich von den Wänden des engen Raumes zurückzukommen. Dieses Gelächter! Hatte er es tatsächlich gehört, oder war es vielleicht nur das Produkt seiner überhitzten Phantasie gewesen? Unsinn, Ted Moran, hielt er sich selber vor, du bist jetzt Dritter Offizier — Dritter Offizier der Araby. Tom Jarvis hält dich für einen Mann, und nun schau, wie du dich benimmst — bange wie ein Schulmädchen. Bei dieser Erwägung fuhr sein Kinn in die Höhe, seine Augen zogen sich enger zusammen. Er machte ein paar Schritte nach vorn, am Tisch vorbei, und betrat eine fast dunkle Kombüse.

Auf einem kleinen Kerosinofen stand eine Bratpfanne, und in einer Schüssel daneben befanden sich zwei Eier, unzerbrochen.

Offensichtlich war die Mahlzeit gestört worden. Irgend etwas in der häuslichen, simplen Atmosphäre dieser Kombüse gab Ted ein Gefühl fast alltäglicher Sicherheit zurück. Hier hatten Männer gegessen und geschlafen; aus irgendeinem unbekannten Grund hatten sie ihr Schiff im Stich gelassen. Weshalb? Nun, an ihm lag es, die Antwort zu finden.

Eben wollte er sich abwenden, um wieder in die Kabine zurückzugehen, als er auf dem Absatz herumwirbelte. Sein erschreckter Blick fing sich an einem hohen hölzernen Ständer in der einen Ecke. Etwas, das oben auf dem dünnen Gerüst hockte, hatte sich bewegt, etwas Kleines und Grünes mit zwei runden, stechenden Augen. Ein nervöses Lächeln flatterte um seine Lippen. Er hatte den Ursprung jenes freudlosen Gekreisches gefunden. Ein Papagei starrte ihn aus dem trüben Dämmer an.

Wie das Wasser einer mächtigen Flutwelle überströmte ihn Erleichterung. »Hallo!« sagte er bebend. »Wie heißt denn du?«

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Zur Erwiderung legte der Papagei den Kopf schief, kniff ihm ein Auge zu, hob einen grünumrandeten Flügel und bewegte sich auf seiner Stange seitwärts. » Ia orana«, kreischte er, » Ia orana! «

Welch verrückte Sprache mochte das wohl sein? fragte sich Ted.

Vielleicht ein Südsee-Dialekt? Er trat dichter heran, um die beiden Blechbehälter zu inspizieren, die an der Stange befestigt waren. Beide Gefäße waren leer. Natürlich! Der kleine Bursche war vermutlich hungrig und bat um Nahrung.

Ein Schritt brachte ihn zu einem geschlossenen Schrank in der Wand. Die Tür öffnend, ließ er den Blick über den Inhalt gleiten.

Mit Hilfe eines Streichholzes fand er beinahe sofort eine halbvolle Packung mit irgendeinem Körnerfutter. Er schüttete ein Teil in eines der Gefäße, nahm das andere weg, ging zu einem winzigen Becken hinüber, über dem ein kleiner verzinkter Eisentank hing.

Er füllte das Blechschüsselchen mit frischem Wasser und hängte es wieder an die Stange. Der Papagei, der bereits eifrig damit beschäftigt war, eines der größeren Körner mit Krallen und Schnabel zu schälen, unterbrach diese Tätigkeit, steckte den Schnabel ins Wasser und bog dann den Kopf zurück, um das warme Naß durch die Kehle rinnen zu lassen. Obwohl der Vogel kein Wort sagen konnte, zeigte seine ganze Reaktion an, wie hungrig und durstig er war. Mit gesteigertem Mut begann Ted nun, die Kabine nach dem Logbuch zu durchsuchen — jenem Buch, in dem auf jedem Schiff täglich Bericht über den Verlauf der Reise erstattet werden muß. Endlich stieß er in einem Schließfach zwischen Kabine und Kombüse auf ein in Leinen gebundenes Buch.

Er nahm es aus dem Versteck heraus und hielt es hoch, um die letzten Lichtstrahlen auszunutzen, die durch ein Bullauge oben fielen. Mit erlöstem Seufzer las er die englischen Worte auf dem Umschlag: Das Logbuch des Schoners Windreiter.

Begierig schlug er die Seiten auf. Auch im Halbdunkel konnte er noch sehen, daß sie dicht beschrieben waren. Freilich entzifferte er hier die blassen Schriftzeichen nicht. Was er suchte, war der Name des Besitzers. Er blätterte zurück zur Titelseite und starrte Intensiv darauf hin. Auf dem dünnen Papier zeichneten sich klare, große Buchstaben ab, und ein Name schien durch die staubige Dunkelheit der Kabine auf ihn zu springen: Stanhope Ridley.

Ein schleifendes Geräusch wurde hinter ihm laut. In jäher Be-

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stürzung wirbelte er herum. Der weiße Fleck in der Kabinentür war ein Mann — ein geschmeidiger, schlanker junger Mann mit zerzaustem Haar. Als er ihn erkannte, schlug er das Buch in der Hand schnell zu. Stan Ridley stand vor ihm.

»Sie wissen Bescheid?« fragte Ted flüsternd.

Langsam nickte Stan. »Ja. Das hier ist das Schiff, mit dem mein Vater seinen Perlenhandel betrieb. Er benutzte es immer, wenn er irgendwo auf den Inseln zu tun hatte. Wieso treibt es sich nun hier herum?« Seine Stimme stieg vor lauter Eindringlichkeit zu schriller Höhe. »Was ist passiert, Mr. Moran? Was ist nur passiert?« Ein trockener Schluchzer brach aus ihm hervor, als er sich in der kleinen Kabine umsah. »Der Tisch ist für meinen Vater gedeckt — zum Frühstück. Was ist ihm widerfahren?«

Ted antwortete nicht, und die tief im Schatten liegenden Wände gaben auch keine Antwort. Durch die offene Tür drang das leise Gemurmel des Wassers um den Schiffskörper herein.

Zitternd vor Erregung brach Stan Ridleys Stimme in die Stille ein, »Ich habe vorn und achtern gesucht. Niemand ist an Bord.

Und nun ist die Kabine auch leer! Aber wir haben doch jemanden lachen hören, als Sie vorhin riefen?«