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Liebe, sagte Pater Martin noch einmal.

Da bleibe ich doch lieber bei meinem Krishna, danke schön. Krishna, das ist der Inbegriff eines Gottes für mich. Deinen zerlumpten und geschwätzigen Sohn kannst du behalten.

So bin ich diesem aufrührerischen Rabbi aus längst vergangenen Zeiten zum ersten Mal begegnet: mit Unverstand und Wut.

Drei Tage hintereinander kam ich zu Pater Martin zum Tee. Jedes Mal stellte ich zum Rasseln von Tasse und Teller, zum Klimpern des Löffels meine Fragen.

Die Antwort war immer dieselbe.

Er machte mir zu schaffen, dieser Sohn. Von Tag zu Tag fand ich Ihn empörender, entdeckte ständig neue Schwächen an Ihm.

Er ist gehässig! Eines Morgens in Bethanien hat Gott Hunger. Gott will Sein Frühstück. Er kommt zu einem Feigenbaum. Aber es ist nicht die richtige Jahreszeit, und an dem Baum hängen keine Früchte. Gott schmollt. »Nie wieder sollst du Früchte tragen«, knurrt der Sohn, und auf der Stelle verdorrt der Feigenbaum. So erzählt es Matthäus, und Markus bestätigt es.

Aber ich frage Sie, was kann denn der Feigenbaum dafür, dass keine Feigenzeit ist? Wer tut denn so etwas einem unschuldigen Feigenbaum an und lässt ihn verdorren?

Er beschäftigte mich. Tut es bis heute. Drei Tage lang habe ich nur an Ihn gedacht. Und je mehr ich über Ihn erfuhr, desto sicherer war ich, dass ich bei Ihm bleiben wollte.

Am letzten Tag, ein paar Stunden bevor wir Munnar verlassen wollten, stürmte ich den Hügel zur Linken hinauf. Heute kommt mir das ausgesprochen christlich vor. Das Christentum ist eine Religion, die es immer eilig hat. Man denke nur an die Welt, die in sieben Tagen erschaffen wird. Selbst wenn man es nicht wörtlich nimmt, kommt es einem doch arg gehetzt vor. Für jemanden, der in eine Religion geboren wurde, in der das Ringen um eine einzige Seele ein Stafettenlauf über viele Jahrhunderte sein kann, bei dem der Stab über unzählige Generationen weitergereicht wird, hat das Tempo des Christentums etwas Schwindelerregendes. Wenn der Hinduismus friedlich dahinfließt wie der Ganges, dann ist das Christentum Toronto in der Rush-hour. Es ist eine Religion so stürmisch wie eine Schwalbe, so eilig wie eine Ambulanz. Es stampft nur einmal mit dem Fuß auf, es sagt mit einem Wort, was es zu sagen hat. In einem einzigen Augenblick ist man errettet oder verdammt. Die Wurzeln des Christentums reichen weit zurück, aber im Grunde existiert es immer nur im Hier und Jetzt.

Eilig lief ich den Hügel hinauf. Pater Martin war nicht ANWESEND - das Schildchen war auf die andere Seite geschoben -, aber Gott sei Dank war er doch da.

Noch atemlos vom Laufen keuchte ich: »Pater, ich will ein Christ sein.«

Er lächelte. »Das bist du schon, Piscine-in deinem Herzen. Wer Christus in seinem Herzen aufnimmt, der ist ein Christ. Hier in Munnar bist du Christus begegnet.«

Er tätschelte mir den Kopf. Eigentlich war es eher ein Schlag, es fühlte sich an wie WUMM-WUMM-WUMM.

Innerlich explodierte ich vor Freude.

»Wenn du wiederkommst, trinken wir wieder Tee, mein Sohn.«

»Ja, Pater.«

Es war ein gutes Lächeln, das er mir mit auf den Weg gab. Das Lächeln Christi.

Ich betrat die Kirche, ohne Furcht diesmal, denn nun war es ja auch mein Haus. Ich betete zum lebendigen Christus. Dann stürmte ich den Hügel zur Linken hinunter und den Hügel zur Rechten hinauf — damit ich Gott Krishna Dank sagen konnte, dafür, dass er mir Jesus von Nazareth geschickt hatte, dessen Menschlichkeit mir nicht mehr aus dem Sinn ging.

Kapitel 18

Der Islam folgte auf dem Fuße, noch nicht einmal ein Jahr später. Ich war inzwischen fünfzehn und sah mich in meiner Heimatstadt um. Das Muslimviertel lag nicht weit vom Zoo. Ein kleines, friedliches Viertel mit Halbmonden und arabischen Schriftzeichen an den Wänden.

Ich kam zur Mullah Street. Ich warf einen Blick auf die Jamia Masjid, die Große Moschee - natürlich nur von außen. Der Islam war ja noch verrufener als das Christentum - noch weniger Götter, noch mehr Gewalt, und keiner sagte über die muslimischen Schulen etwas Gutes -; ich blieb in der Tür stehen, auch wenn niemand dort war. Der Bau war klar und weiß, nur einige Kanten waren grün gestrichen, und erstreckte sich offen um einen freien Raum in der Mitte. Der Boden war ganz mit langen Strohmatten bedeckt. Zwei schlanke, sich verjüngende Minarette ragten umgeben von mächtigen Kokospalmen in den Himmel. Es war nichts eindeutig Religiöses an diesem Ort, ja überhaupt nichts Bemerkenswertes, aber er war angenehm freundlich und still.

Ich zog weiter. Jenseits der Moschee standen einstöckige Häuserzeilen mit kleinen überdachten Veranden. Sie sahen heruntergekommen und arm aus, die grünen Wände ausgebleicht. Eines der Häuser war ein Laden. Mir fiel ein Regal mit verstaubten Orangeadeflaschen auf, und es gab vier durchsichtige Plastikbehälter halb voll mit Süßigkeiten. Aber hauptsächlich wurde etwas anderes verkauft, etwas Flaches, Rundliches, Weißes. Ich ging näher hin. Es schien eine Art ungesäuertes Brot. Ich berührte eines mit dem Finger. Es fühlte sich steif an. Sie sahen aus wie drei Tage alte Nans. Wer isst denn so etwas, dachte ich. Ich nahm eines in die Hand und bog es, um zu sehen, wie hart es war.

»Möchtest du eins probieren?«, fragte eine Stimme.

Der Schreck warf mich fast um. Jedem von uns ist das schon einmal geschehen: das Spiel von Licht und Schatten, die Farbflecken, in Gedanken ist man anderswo - und sieht nicht, was man direkt vor der Nase hat.

Keine anderthalb Meter von mir saß mit gekreuzten Beinen vor seinen Broten ein Mann. Ich hatte die Arme in die Höhe geworfen, und das Brot flog im hohen Bogen auf die Straße. Es landete in einem frischen Kuhfladen.

»Verzeihen Sie, Sir, bitte!«, rief ich aufgeregt. »Ich habe Sie nicht gesehen!« Am liebsten wäre ich davongelaufen.

»Halb so wild«, sagte er sanft. »Das holt sich noch eine Kuh. Nimm dir ein anderes.«

Er riss eines in zwei Hälften. Wir aßen miteinander. Es war hart und zäh, nicht leicht zu kauen, aber es machte satt. Ich wurde ruhiger.

»Und die backen Sie?«, fragte ich, weil mir nichts anderes einfiel.

»Ja. Komm, ich zeige es dir.« Er erhob sich von dem Podest, auf dem er gesessen hatte, und führte mich ins Haus.

Es war eine Hütte mit zwei Räumen. Der größere, ganz vom Ofen beherrschte war die Backstube, der andere, durch einen dünnen Vorhang abgetrennt, seine Schlafkammer. Der Boden des Backofens war ausgelegt mit glatten Kieselsteinen. Der Mann erklärte mir eben, wie das Brot auf diesen heißen Steinen gebacken wurde, da wehte der näselnde Ruf des Muezzins von der Moschee herüber. Es war, das wusste ich, der Ruf zum Gebet, aber ich hatte keine Vorstellung, was das bedeutete. Ich hatte erwartet, dass er die Gläubigen zur Moschee rief, so wie die Christen von der Glocke zur Kirche gerufen wurden. Aber es war anders. Der Bäcker brach mitten im Satz ab und sagte: »Entschuldige.« Er ging kurz in den Raum nebenan und kehrte mit einem zusammengerollten Teppich zurück, den er, wobei eine kleine Mehlwolke aufstob, auf dem Boden seiner Backstube ausbreitete. Und direkt vor meinen Augen, mitten an seinem Arbeitsplatz, betete er. Es war ein merkwürdiger Anblick, aber nicht er kam mir fehl am Platze vor, sondern ich. Zum Glück betete er mit geschlossenen Augen.