Ich hoffte, die Hyäne würde unter der Plane bleiben. Die Hoffnung erfüllte sich nicht. Fast schon im nächsten Augenblick sprang sie wieder über das Zebra zurück auf die Heckbank. Dort drehte sie sich im Kreis, zögernd, mit einem Winseln. Ich fragte mich, was sie wohl als Nächstes tun würde. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Die Hyäne senkte den Kopf und lief eine Runde um das Zebra; aus den beiden Seitenbänken, der Heckbank und der Querbank unmittelbar vor der Plane machte sie eine etwa siebeneinhalb Meter lange Rennstrecke. Sie lief eine Runde - dann zwei - drei - vier - fünf und immer so weiter, nonstop, bis ich mit dem Zählen nicht mehr mitkam. Und Runde um Runde, mit schriller Stimme, stieß sie ihr Lachen aus, yip yip yip yip yip. Auch diesmal reagierte ich kaum. Ich war vor Schrecken starr, ich konnte nur zusehen. Das Tier legte ein ordentliches Tempo vor, und es war ja kein Schoßhund; es war ein ausgewachsener Rüde, sicher seine 140 Pfund schwer. Seine Tritte auf den Bänken ließen das ganze Boot zittern, und die Krallen klickten laut auf dem Holz. Jedes Mal, wenn es im Heck kehrtmachte, hielt ich die Luft an. Mir standen schon die Haare zu Berge, wenn ich die Bestie auf mich zukommen sah; aber schlimmer noch war der Gedanke, dass sie diesmal geradeaus weiterlaufen könnte. Orangina, wo immer sie steckte, würde die Hyäne nicht aufhalten, das stand fest. Und die aufgerollte Plane und das kleine Häufchen Netz waren noch jämmerlichere Barrieren. Mit einem einzigen mühelosen Sprung konnte die Hyäne vorn bei mir im Bug sein. Im Augenblick machte sie keine Anstalten dazu. Jedes Mal, wenn sie an die Querbank kam, bog sie ab, und ich sah die obere Hälfte des Körpers die Plane entlanghuschen. Aber ich hatte keinerlei Anhaltspunkt, den nächsten Schritt der Hyäne vorauszuberechnen, und sie konnte ohne jede Vorwarnung über mich herfallen.
Nach einer Reihe von Runden blieb sie an der Heckbank stehen, duckte sich nieder und blickte nach unten, unter die Plane. Dann sah sie auf und blickte mich an. Es war der typische Hyänenblick - direkt, doch vage, sichtlich neugierig, doch so reserviert, dass sich nichts von der Absicht erraten ließ, das Maul geöffnet, die großen Ohren aufgerichtet, die Augen schwarz und schimmernd -, nur dass eine Anspannung hinzukam, die man in jeder Zelle ihres Körpers spüren konnte, eine Furcht, die das ganze Tier glühen ließ wie ein Fieber. Ich machte mich auf mein Ende gefasst. Grundlos. Sie nahm nur ihre Runden wieder auf.
Wenn ein Tier sich einmal etwas in den Kopf setzt, kann es sehr lange dabei bleiben. Den ganzen Vormittag über rannte die Hyäne im Kreis und rief yip yip yip yip yip dazu. Von Zeit zu Zeit hielt sie kurz an der Heckbank inne, doch ansonsten war jede Runde genau wie die Runde zuvor, ohne auch nur die kleinste Veränderung im Ablauf, im Tempo, in der Tonhöhe oder der Lautstärke des Lachens, in der Folge der Schritte im Gegenuhrzeigersinn. Das Lachen war schrill und entsetzlich nervtötend. Nach einer Weile bekam der Anblick etwas dermaßen Zermürbendes, dass ich schließlich den Kopf abwandte und versuchte, sie nur aus dem Augenwinkel im Blick zu behalten. Selbst das Zebra, das anfangs jedes Mal, wenn die Hyäne an seinem Kopf vorübergestürmt war, geschnaubt hatte, verfiel in eine Trance.
Doch immer wenn die Hyäne an der Heckbank stehen blieb, blieb auch mein Herz stehen. Und so sehr ich mich auch mühte, mich auf den Horizont zu konzentrieren, wo meine Rettung lag, wanderte mein Blick doch immer wieder zurück zu dem rasenden Tier.
Ich wäre der Letzte, der Vorurteile gegenüber einem Tier hat, aber es ist eine Tatsache, dass die Tüpfelhyäne kein angenehmer Anblick ist. Sie ist die Hässlichkeit selbst. Der dicke Hals mit den hohen Schultern und dem abwärts gerichteten Rücken sieht wie ein verworfener Prototyp für die Giraffe aus, und das struppige raue Fell wirkt wie aus dem Kehricht der Schöpfung zusammengeklaubt. Die Farbe ist eine willkürliche Mischung aus Ocker, Gelb, Grau und Schwarz, und die Tüpfel haben nichts von der vornehmen Harmonie der Leopardenflecken; sie sehen eher aus wie die Zeichen einer Hautkrankheit, Räude im Endstadium. Der Kopf ist breit und allzu massig, mit hoher Stirn wie ein Bär, doch mit weit hinten angesetztem Haar und Ohren, die lächerlich an Mauseohren erinnern, groß und rund, wenn sie nicht im Kampf abgerissen sind. Das Maul steht hechelnd offen. Die Nasenlöcher sind zu groß. Der Schwanz ist struppig und unbewegt. Der Gang ist schlurfend. Alles zusammengenommen erinnern sie am ehesten an Hunde, obwohl sie wohl niemand als Schoßhund haben wollte.
Aber ich hatte nicht vergessen, was Vater uns beigebracht hatte. Das waren keine feigen Aasfresser. Wenn das National Geographic sie so beschrieb, dann deswegen, weil es seine Aufnahmen bei Tage gemacht hatte. Aber erst wenn der Mond aufgeht, fängt der Tag der Hyäne wirklich an, und dann erweist sie sich als unerbittlicher Jäger. Hyänen greifen als Rudel jedes Tier an, das sie zu fassen bekommen, und reißen ihm noch im Laufen die Flanke auf. Sie jagen Zebras, Gnus und Wasserbüffel, und nicht nur die Alten und Kranken einer Herde - auch Tiere in der Blüte ihrer Jahre. Sie sind unerbittliche Angreifer, sind nach jedem Stoß und Tritt sofort wieder auf den Beinen, und wenn sie aufgeben, dann nie, weil sie den Mut verlieren. Und sie sind intelligent; sie wissen, dass alles, was man einer Mutter wegschnappen kann, gut ist. Ein zehn Minuten altes Gnu ist ein Leckerbissen, aber Hyänen reißen auch Löwenjunge und junge Nashörner. Ist die Beute erst einmal erlegt, leisten sie ganze Arbeit. In einer Viertelstunde ist von einem Zebra nur noch der Schädel übrig, und selbst den schleppen sie oft noch in ihre Höhle, wo die Jungen daran knabbern können. Sie lassen nichts umkommen - selbst das blutige Gras wird gefressen. Man kann zusehen, wie die Hyänenbäuche anschwellen, wenn sie ihre Beute in großen Stücken verschlingen. Wenn es ein guter Fang war, fressen sie sich so voll, dass sie kaum noch gehen können. Ist der Fraß verdaut, würgen sie dichte Haarknäuel aus, die sie noch nach Essbarem durchwühlen, bevor sie sich darin wälzen. Versehentlicher Kannibalismus ist bei dem Fressrausch an der Tagesordnung. Beim Biss nach einem guten Stück Zebra kommt einer Hyäne schon einmal ein Ohr oder ein Stück Nase eines Verwandten zwischen die Zähne, ganz ohne böse Absicht. Die Hyäne hat keine Hemmungen, auch das zu verschlingen. Bei solchem Angebot werden keine Unterschiede gemacht.
In der Tat hat der Geschmack der Hyäne eine Bandbreite, die man schon fast bewundern muss. Eine Hyäne trinkt von Wasser, in das sie gleichzeitig uriniert. Auch sonst wird der Urin nicht vergeudet. Bei heißem, trockenem Wetter kühlt sie sich, indem sie ihre Blase entleert und den nassen Boden dann mit den Pfoten zu einem erfrischenden Schlammbad aufwühlt. Exkremente von Pflanzenfressern nehmen sie gern als kleinen Imbiss und glucksen vor Vergnügen dabei. Es ist gar nicht so leicht zu sagen, was eine Hyäne nicht frisst. Sie verschlingen selbst ihre Artgenossen (deren Ohren und Schnauzen sie als hors d'œuvres verzehrt haben), wenn sie erst einmal tot sind, nach einer Anstandsfrist von etwa einem Tag. Selbst Fahrzeuge sind nicht sicher vor ihnen - Scheinwerfer, Auspuffrohre, Spiegel. Nicht die Magensäure setzt der Speisekarte einer Hyäne Grenzen, sondern die Kraft des Gebisses, und diese Kraft ist außerordentlich.