Nur Mamachen war mit der Arie nicht zufrieden.
„Lieber Pal Wanytsch! Schmettern Sie mal was Lustigeres.“
„Ja, Pal Wanytsch! Ein Liedchen!“
Der Lehrer versuchte zu protestieren, aber es blieb ihm nichts anderes übrig als nachzugeben.
„Was soll ich mit euch machen, ihr Banditen! Na schön. Ich will euch ein Studentenlied aus meiner Universitätszeit vorsingen.“ Er räusperte sich wieder, schlug mit dem Fuß den Takt und trällerte nach einer ausgelassenen Melodie:
Die Klasse wieherte vor Vergnügen.
„Das ist prima!“ jauchzte Mamachen begeistert. „Runde Rüben!“ Der feurige Rhythmus des Liedes riß die Zöglinge mit. Brotkanten sprang auf und wirbelte in einem russischen Tanz durch die Klasse. Pal Wanytsch fuhr fort:
Die Jungen waren außer Rand und Band. Sie klatschten in die Hände, trommelten auf den Bänken den Takt und pfiffen gellend. Dröhnend fielen sie in den Refrain ein:
Plötzlich schrillte die Klingel. Das Lied brach ab. Der Unterricht war beendet.
Im Triumph wurde Pal Wanytsch aus der Klasse geleitet. „Das ist eine Sache! Das ist unser Mann!“ Hingerissen stellte sich Jankel auf die Zehenspitzen und klopfte dem Lehrer freundschaftlich auf die Schulter.
„Ihre Unterrichtsstunden sollten wir häufiger haben.“ „Wir mögen Sie gerne leiden, Pal Wanytsch!“ machte Japs seinen Gefühlen Luft. „Jetzt sind Sie unser Freund. Unser Blutsbruder, kann man schon sagen.“
Durch diesen Erfolg ermutigt, lächelte Pal Wanytsch herablassend. „Wir werden unser Leben jetzt genießen, Jungens. Ich gehe auch mit euch ins Theater.“
Bald waren Pal Wanytsch und die Klasse tatsächlich dicke Freunde. Er besorgte Eintrittskarten, führte die Schüler ins Theater, unterhielt sich mit ihnen über Schulneuigkeiten, bestrafte niemanden und gab vor allem überhaupt keinen Unterricht. Er organisierte eine sogenannte „freiwillige Lektüre“ oder erklärte ganz einfach, der Unterricht fiele heute aus und jeder könne machen, was er wolle.
Pal Wanytsch hatte seinen festen Entschluß, sich die Sympathie der Jungen zu erobern, so gründlich in die Tat umgesetzt, daß sich die Schkider in offener Rebellion geschlossen hinter ihren Liebling stellten, als schließlich der Augenblick kam, an dem der Pädagogische Rat sein Verhalten für unzulässig erklärte.
Der „Liebling“ ging herum, erzählte überall, daß ihn seine Feinde, mit Vikniksor an der Spitze, aus der Schule jagen wollten, und stachelte dadurch die Leidenschaften immer weiter auf.
Die Empörung schlug hohe Wellen. Die Strolche sagten den übrigen Lehrern einen Kampf auf Tod und Leben an und randalierten eine Woche lang in entfesselter Raserei. Es wurde ein „Verteidigungsstab“ gegründet.
Der Stab tagte ununterbrochen. Wie gewöhnlich leiteten die Ältesten — Zigeuner, Japs, Jankel und Spatz — den Aufstand. Sie hielten tagelange Sitzungen ab, auf denen sie immer neue Verteidigungsmaßnahmen für ihren Lieblingslehrer ausknobelten.
Agitatoren wurden in die Klassen geschickt. Sie hetzten die übrigen Schkider auf, den Propheten den Gehorsam zu verweigern und den Unterricht zu sprengen.
„Macht keine Schularbeiten! Boykottiert die Lehrer, die unseren Pal Wanytsch wegjagen wollen.“
Der Unterricht wurde tatsächlich unmöglich gemacht. Wenn ein Lehrer die Klasse betrat und mit der Schulstunde beginnen wollte, setzte ein leises Gebrumm ein, das sich allmählich zu ohrenbetäubendem Gebrüll steigerte.
Diese Kampfesmethode hatte den Vorteil, daß kein einzelner Schüler überführt werden konnte.
Die Jungen saßen ruhig, mit zusammengepreßten Lippen, da. Sie brummten durch die Nase.
Wer brummte, war unmöglich festzustellen. Wenn der Lehrer an einen Jungen herantrat, verstummte dieser, ging der Lehrer weg, begann das Gebrumm von neuem.
Die Lehrer kamen nicht mehr zu Worte. Einer nach dem anderen streckte resigniert die Waffen und verließ die Klasse. Allmählich verwandelte sich der Kampf um Pal Wanytsch in einen regelrechten Krieg. Der Stab gab den Befehl zum Gegenangriff. Nachts wurden in der Schule die Türklinken mit Tinte beschmiert, wurde auf die Fensterbretter, auf die Tische und Stühle der Lehrer Asche gestreut. In den Sitzen steckten plötzlich Nägel, und vor der Kanzlei wurde ein Gasangriff veranstaltet — die Jungen holten ein großes Stück gelben Schwefel aus dem Chemieschrank, legten es hinter den Garderobenständer und zündeten es an. Der ätzende Schwefelgestank zwang die Propheten, die Kanzlei zu räumen. In den Unterrichtsstunden weigerten sich die Jungen nun offen, etwas zu lernen.
Eine Woche dauerte die allgemeine Raserei schon an. Die Lehrer waren verwirrt. Einen so gut organisierten Widerstand hatten sie bisher noch nicht erlebt.
Wie die Schmutzfinken liefen sie herum — mit Tinte und Kreide beschmiert und mit Löchern in den Hosen. Sie waren ratlos. Ihre offensichtliche Verwirrung gab den rebellierenden Schkidern weiteren Auftrieb.
Der Stab dachte sich immer neue Mittel zur Niederschlagung der Propheten aus. Die strategischen Beratungen dauerten tagelang. „Wir werden sie zwingen, Pal Wanytsch nicht zu entlassen!“ tobte Japs.
„Richtig!“
„Wir geben Pal Wanytsch nicht her!“
„Wir müssen Plakate abfassen und überall ankleben“, schlug Jankel vor. Er liebte das gedruckte Wort.
Der Vorschlag wurde auf der Stelle angenommen, und der Stab beauftragte Jankel, Plakate anzufertigen. Mit kriegerischem Elan holte er sämtliche Zeichner und Literaten der Schule zusammen. Die Plakate wurden zu Dutzenden gemalt, und flinke Agitatoren beklebten die Wände der Klassen und Korridore mit den furchteinflößenden Parolen:
Zittert, Propheten!
Wir lassen die Vertreibung unseres Lieblingslehrers nicht zu.
Wir protestieren!
Die Lehrer hatten alle Hände voll zu tun, um die Schmähschriften wieder abzureißen.
Die Leitung des Aufstandes lag in erfahrenen Händen. In einigen Klassen wurden bereits die Türen mit Bänken und Stühlen verrammelt, um den Lehrern den Eintritt zu versperren. Das nannten die Jungen „Barrikadenbau“. Unter den Lehrern gärte es.
Die Angsthasen bildeten eine Fraktion, die für das Verbleiben Pal Wanytschs in der Schule eintrat, doch Vikniksor blieb unnachgiebig. Er beschloß, den Lehrer so schnell wie möglich wegzujagen, um dem Aufstand ein Ende zu setzen. Am Ende der Woche wurde Pal Wanytsch entlassen, aber die Hoffnung, daß damit der Aufstand zum Erliegen kommen würde, erfüllte sich nicht.
Pal Wanytsch manövrierte geschickt. Nachdem ihm seine Entlassung mitgeteilt worden war, ging er in die vierte Abteilung und verkündigte sie den Schülern trauervoll.
Ein unwahrscheinlicher Sturm brach los. Die Jungen schworen, daß sie ihn nicht im Stich lassen würden, und versprachen feierlich, einen Krawall zu machen, wie ihn die Schkid noch nicht erlebt habe. Dieser Tag blieb den Schkidern und ihren Lehrern immer im Gedächtnis. Die Schüler der oberen Klasse riefen alle Abteilungen zum Entscheidungskampf auf.
Der Stab legte den Operationsplan fest, und nachdem Pal Wanytsch entschwunden war, prangten an sämtlichen Wänden der Schule Zettel mit der Aufschrift:
Bei Todesstrafe fordern wir das Verbleiben Pal Wanytschs in der Schule!