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Daraufhin hielt Vikniksor nach dem Mittagessen eine lange Rede, in der er zu beweisen versuchte, daß Pal Wanytsch durchaus ungeeignet sei und daß er die Schüler nur demoralisiere. Er schloß mit der Erklärung, daß die Entlassung des Lehrers in Kraft bleibe. „Er kommt nicht mehr her, Kinder. Das habe ich gesagt, und dabei bleibt es!“ Grabesschweigen war die Antwort. Doch nach dem Mittagessen brach die Hölle los. So etwas hatte die Schkid seit ihrer Gründung noch nicht erlebt.

In allen Sälen, allen Klassen und allen Schlafräumen wurden die Türen geschlossen. Dahinter wurden aus Bänken, Schrubbern und Stühlen Fallen gebaut. Wenn jemand die Tür öffnete und eintreten wollte, fiel ihm etwas Schweres auf den Kopf und hinterließ einen einprägsamen Denkzettel in Gestalt einer Beule oder eines blauen Flecks.

Solche Scherze mißfielen den Lehrern außerordentlich, aber sie wollten nicht die Waffen strecken. Sie mußten doch den Unterricht abhalten. Die Propheten nahmen also den Kampf auf, und nach langer Belagerung wurden die Barrikaden erstürmt. Zwei Lehrer trugen allerdings blaue Male an Stirn und Kinn davon, aber sie fochten heroisch weiter.

Am gleichen Tage befahl der Stab den Beginn des „heißen“ Krieges. Mehrere Prophetenhosen gingen in Flammen auf, da glühende Kohlen unter dem Stuhl gelegen hatten. Aber man muß den Lehrern Gerechtigkeit widerfahren lassen — sie hielten sich wacker. Von einem Unterricht konnte überhaupt nicht mehr die Rede sein. Es handelte sich jetzt nur noch um die Behauptung der Macht — allein darum ging der wilde, verbissene Kampf. Es wurde Abend. Angesichts der bedrohlichen Situation machte Vikniksor beim Abendessen einen riskanten Gegenangriff: Er verkündete den Belagerungszustand, Urlaubs- und Ausgangssperre so lange, bis die Rebellion ein Ende gefunden hätte. Doch diese Maßnahme war nur öl fürs Feuer. Als die Dämmerung hereinbrach, griff der Stab zum letzten Verzweiflungsmittel. Er gab den Befehclass="underline" Schlagt die Propheten, wo ihr sie trefft!

Wie ein Rudel rasender Raubtiere stürzte sich die gesamte Schule auf den Feind. Überall erlosch das elektrische Licht. Eine wilde Prügelei ging los. Brüllende Menschenmassen rasten im Dunkeln durch den Saal. Die überrumpelten Propheten wurden umzingelt.

Sie flogen zu Boden. Messer wurden gezückt. Die Strolche warfen den Lehrern Bücher und Tintenfässer an den Kopf, sie schlugen mit den Fäusten auf sie ein. Es war ein wildes Handgemenge. Alle Anstrengungen, Licht zu machen, waren vergebens. Jemand mußte die Sicherungen herausgeschraubt haben. Ungehindert tobten die Rasenden durch die Schule. Alles ging in Trümmer. In der finsteren Küche stöhnte die Köchin. Die unternehmungslustigsten, besonders praktisch veranlagten Aufrührer benutzten das allgemeine Durcheinander, um die Reste von Mittag- und Abendessen zu rauben. Schließlich traten die Lehrer den Rückzug in die Kanzlei an. Vikniksor erkannte den Ernst der Lage. Da er wußte, wer die Rädelsführer waren, begab er sich unverzüglich in die vierte Abteilung und berief eine außerordentliche Versammlung ein.

Er mußte seine Taktik ändern, um zu siegen, und er tat es. Nachdem die Jungen Platz genommen und sich ein wenig beruhigt hatten, fragte Viknjksor freundlich: „Nun sagt mir einmal offen, Kinder, warum ihr so einen Radau macht?“ „Weshalb haben Sie Pal Wanytsch weggejagt?“ war die empörte Gegenfrage der Strolche.

„Kinder! Ihr müßt doch begreifen, daß Pal Wanytsch kein Lehrer sein kann.“

„Warum nicht?“

„Er ist doch zu jung. Sagt selbst, wollt ihr denn gar nichts lernen?“

„Aber er unterrichtet uns doch!“ riefen aufgeregte Stimmen. Vikniksor hob die Hand.

„In welchem Fach?“ forschte er, nachdem wieder Ruhe eingetreten war. „Was hat er im letzten Monat mit euch durchgenommen?“ Die Jungen machten verlegene Gesichter. „Alles mögliche… fällt einem nur nicht so schnell ein!“

„Er sang prima Lieder! Von runden Rüben!“ ergänzte Mamachen unter allgemeinem Gelächter.

Die Stimmung veränderte sich merklich, und Vikniksor machte sich das zunutze.

„Kinder!“ sagte er traurig. „Daß ihr euch nicht schämt. Ihr geht in die oberste Klasse. Ihr seid schließlich gescheite, aufgeweckte Jungen. Und ihr haltet zu einem Menschen, bloß weil er von 'runden Rüben' singen kann?“

Die Klasse kicherte unentschlossen.

„Pal Wanytsch ist überhaupt kein Lehrer — er ist ein Zirkusclown und nur dadurch interessant, daß er den dummen August spielt.“

„Stimmt!“ rief einer. „Ein richtiger dummer August!“

„Na also“, fuhr Vikniksor fort. „Clowns kann man im Zirkus bewundern, aber sie geben schließlich keinen Literaturunterricht.“ Die Jungen schwiegen. Sie saßen da, das Kinn auf die Fäuste gestützt, und starrten den im Zimmer umhergehenden Vikniksor wortlos an. „Ihr könnt wählen!“ betonte Vikniksor. „Entweder Pal Wanytsch oder die Literatur. Wenn ihr weiter randaliert, bleibt Pal Wanytsch vielleicht in der Schule. Aber dann sind wir gezwungen, den Literaturunterricht vom Lehrplan zu streichen.“

Er hatte einen wunden Punkt berührt. Die Schkider wollten trotz alledem etwas lernen.

„Leute!“ rief Japs. „Ruhe! Was meint ihr dazu?“

„Ruhe!“ wiederholten die übrigen. Und alle schrien durcheinander. Es war ihnen plötzlich so leicht und froh zumute wie nach einem schweren Gewitter.

Der Skandal war vorbei. Pal Wanytsch blieb entlassen. Der Rebellenstab löste sich auf.

„Wir haben ganz schönen Wind gemacht“, sagte Japs nach dem Abendtee zu seinen Kameraden. „Aber eigentlich nicht wegen Pal Wanytsch, findet ihr nicht auch?“

„Das stimmt“, bestätigte Zigeuner. „Wir haben bloß so randaliert — zum Spaß. Aber Pal Wanytsch war eine tolle Marke.“

„Tatsache!“ brummte Jankel zustimmend. „Solche Leute wie Pal Wanytsch müßte man verwichsen.“

„Auf ihn mit Gebrüll!“ schrie Spatz empört. Aber dafür war es zu spät. Pal Wanytsch hatte die Schule verlassen. Zurück blieb nichts als eine wirre Erinnerung.

Einer anderen Taktik bediente sich ein Lehrer, der wegen seiner außergewöhnlichen Magerkeit den Spitznamen „Streichholz“ bekommen hatte. Es war ein unglücklicher Mensch. Als aktiver Offizier hatte er zwei Kriege mitgemacht, war an der Front verwundet worden und litt seitdem an Schwerhörigkeit. Das hatte ihn boshaft und reizbar gemacht. Er wurde als Turnlehrer angestellt und schlug sich von Anfang an auf die Seite der Direktion. Jede Anweisung Vikniksors und des Pädagogischen Rates befolgte er mit peinlicher Genauigkeit. Er bestrafte die Schüler erbarmungslos, schrieb ellenlange Tadel ins Klassenbuch oder entzog ihnen den Urlaub.

Ein guter Pädagoge ist gewöhnlich auch ein guter Diplomat. Er überlegt es sich genau, bevor er einen Tadel einschreibt oder den Schüler auf andere Art bestraft.

Streichholz machte sich darüber keinerlei Gedanken. Er warf mit den Strafen nur so um sich. Seine einzige Sorge war, sich an die Vorschriften zu halten.

Mit finsteren Blicken stelzte er auf seinen langen, mageren Beinen durch die Schkid.

„Stell dich in die Ecke“, knurrte er gleichgültig. „Und du gehst in den Karzer… Du kriegst kein Mittagessen… Du darfst heute nicht Spazierengehen… und dir entziehe ich den Urlaub…“ Er wurde ingrimmig gehaßt. Ein Kampf entbrannte, der mit dem Sieg der Schkider endete.

Der Schulrat stellte fest, daß Streichholz unpädagogisch arbeitete, und er mußte gehen.

Genauso erging es dem „Pessimisten“, einem halbverhungerten Studenten, der weder pädagogische Praxis noch pädagogisches Talent besaß und mit den Schkidern nicht fertig wurde. Im Laufe der Zeit bekamen die Schkider viele Propheten zu sehen; an die sechzig tauchten innerhalb von zwei Jahren in der Schule auf. Sie kamen und gingen.

Langsam schied sich die Spreu vom Weizen, und allmählich kristallisierten sich die wirklichen, talentierten, ihrem Beruf verschworenen Pädagogen heraus. Von den sechzig Leuten brachte es nur ein Dutzend fertig, den Weg zu den Herzen der verwahrlosten Strolche zu finden, ohne sich mit ihnen auf eine Stufe zu stellen. Dieses Dutzend trug das schwere Schkid-Boot auf den Schultern ans Ufer, machte es seetüchtig und schickte es auf große Fahrt — in das weite Meer des Lebens.