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In der Schkid, da gibt's 'nen Clown, sehr possierlich anzuschaun. Ist kein Floh und macht nicht hopp — unser krummer Alnikpop…

„He! Alnikpop!“ grölten die Bengel und zerrten ihn an der Jacke, aber der Lehrer schien das überhaupt nicht zu hören. Sie bauten sich direkt vor seiner Nase auf, starrten unverschämt auf seine zerrissenen, nachlässig geflickten Stiefel und improvisierten:

Alnikpops geflickte Schuh kriegen's Maul nicht wieder zu!

Zuweilen riß dem neuen Erzieher die Geduld. Dann wandte er sich schroff dem schlimmsten Quälgeist zu, überwand aber seinen Zorn und drohte ihm nur mit dem Finger.

„Sieh dich vor, du Gänserich!“

Daraufhin wurde er prompt „Gänserich“ getauft.

Aber die Piesackerei hörte sehr bald auf. Der Neue hatte die-Probe bestanden — er war stärker als die Zöglinge. Seine Haltung imponierte ihnen.

Er wurde als Prophet von Format anerkannt.

In seiner pädagogischen Strenge wußte er Maß zu halten. Er ließ den Jungen kernen dummen Streich durchgehen, bestrafte sie jedoch nicht sofort. Erst wenn er das Vergehen gründlich untersucht hatte, diktierte er dem Schuldigen eine Strafe zu oder las ihm nur die Leviten.

Bloß in seinem Spezialfach — der russischen Geschichte — ließ er keine Gnade walten. Hier ging er gegen alle, die ihre Aufgaben schlecht gelernt hatten, mit schonungsloser Härte vor. Die Faulpelze mußten ihren Wissensmangel schwer büßen.

Die Zeit verging. Die Jungen gewöhnten sich an Alnikpop, und bald stellte sich heraus, daß er nicht nur ein ausgezeichneter Erzieher, sondern auch ein guter Kamerad war.

Abends holten die älteren Jungen Alnikpop mit Vorliebe zu sich, denn sie konnten sich mit ihm über viele Dinge gut unterhalten. Oft ging er nach dem Abendtee zu ihnen, setzte sich mit krummem Rücken auf die Bank — dabei blitzte sein zersprungener Zwicker immer auf — und erzählte eine Anekdote, etwas von den letzten internationalen Ereignissen, eine Episode aus seiner Schulzeit oder eine Geschichte aus seinem Studentenleben. Manchmal diskutierte er auch mit den Jungen über Majakowski oder Block, berichtete von der illegalen Zeitschrift, die er im Gymnasium herausgegeben hatte, oder von seinen Erlebnissen als Rezensent eines zweitrangigen Verlages. Die Unterhaltung zog sich in die Länge und endete erst, wenn es zum Schlafengehen klingelte.

So verwandelte sich der neue Erzieher allmählich in einen älteren Kameraden der Schkider, blieb jedoch dabei ein strenger, anspruchsvoller und gerechter Prophet. Kostalmed kam einen Monat später.

Er war aus dem Kloster in die Schkid versetzt worden. Dort hatte er mehrere Monate lang als Aufseher gearbeitet. Diese Tatsache genügte, um jede Neigung zum Spott im Keim zu ersticken. Sein Äußeres flößte selbst dem berüchtigtsten Raufbold eine unwillkürliche Achtung ein. Seine Löwenmähne, sein rotbrauner Bart und seine Reckengestalt im Verein mit seiner furchtbaren Donnerstimme erschreckten die Schkider dermaßen, daß sie ihn in ihrer Angst für einen Schlächter aus der Abdeckerei hielten und ihn „Abdecker“ tauften. Doch sie mußten diesen Spitznamen schon nach wenigen Tagen fallenlassen.

Der Abdecker war nämlich in Wirklichkeit ein ziemlich nachsichtiger, gutmütiger Mann, der nur so donnerte und mit den Augen rollte, um sich Respekt zu verschaffen.

Bald hatten sich die Jungen an sein Löwengebrüll gewöhnt. Wenn er jemanden beim Schlafittchen kriegte, nahmen sie das nicht ernst. Und der Junge, der von der gewaltigen Faust gepackt war, kniff bloß die Augen zusammen und grinste, als würde er gekitzelt. Trotzdem erzielte das furchteinflößende Aussehen eine gewisse Wirkung.

Kostalmed gab ausgezeichneten Gymnastikunterricht. Eifrig machten die Jungen die vorgeschriebenen Übungen. Nur die vierte Abteilung stand mit ihm auf dauerndem Kriegsfuß und schwänzte seinen Unterricht, wo sie nur konnte.

Nach kurzer Zeit freundeten sich Kostalmed und Alnikpop an, weil sie die gleichen pädagogischen Ansichten hatten. Der Hüne Kostalmed und der kleine dicke Alnikpop gehörten zu den wenigen Propheten, die sich in der Schule halten konnten. Sie setzten all ihre Kräfte ein im Kampf gegen die Jugendkriminalität, und ihre Leistungen sind in der Geschichte der Schkid-Republik mit goldenen Lettern verzeichnet.

ALLE MACHT DEM VOLKE

Ein Abend in der Schkid * Stille Freuden * Rattenjagd * Das Tanzvergnügen * Alle Macht dem Volke.

Der Abendunterricht war zu Ende.

Zum letztenmal ging der Diensthabende durch die Korridore, das letzte Klingelzeichen verhallte, die Schkider klappten die Bänke hoch und zerstreuten sich — johlend, trampelnd, tanzend — in allen Stockwerken des alten Hauses.

Die Jüngeren verschwanden im Saal, um ein Bockspringen zu veranstalten, andere rasten die Treppe hinauf, um auf dem Geländer herunterzurutschen, und einige zogen in die Küche, weil sie auf Essensreste hofften.

Die Älteren gaben sich kultivierteren Zerstreuungen hin. Spatz hatte sich zum Beispiel einen langen Strick besorgt, knüpfte eine Schlinge und ging in den Eßraum. Dort hockte er sich vor ein Loch im Fußboden, legte die Schlinge aus und warf einen Brocken kalte Grütze hinein. Dann versteckte er sich lauernd hinter einer Bank. Er wollte nämlich eine Ratte fangen. Die Rattenjagd war in letzter Zeit seine Lieblingsbeschäftigung. Die Schiingenmethode hatte er selbst erfunden. Darauf war er äußerst stolz.

Japs saß in der Klasse, zog dauernd den Naseninhalt hoch und übersetzte dabei mit störrischer Hartnäckigkeit ein Gedicht Chamissos aus dem Deutschen ins Russische. Das war eine mühselige Arbeit. Aber er hatte sich die Finger in die Ohren gebohrt und brabbelte unermüdlich die widerspenstigen Verszeilen in allen erdenklichen Variationen vor sich hin:

In meinen Traumen, leicht und wunderbar… In meinen leichten, wunderbaren Träumen… In meinen Träumen, wunderbar und leicht… In meinen wunderbaren, leichten Träumen…

Und so weiter und so fort, bis sich die Zeile anständig anhörte und aufgeschrieben war.

Zigeuner starrte eine Weile gähnend zur Decke empor, verließ dann den Raum, griff sich einen Knirps aus der unteren Abteilung, führte ihn in die Klasse, band ihm einen Strick ums Bein und grinste mit verkniffenen Augen.

„Los, Möpschen, tanze!“ befahl er.

Das „Möpschen“ versuchte, an Zigeuners Barmherzigkeit zu appellieren.

„Au, Zigeuner!“ jammerte es, „mein Bein tut mir so weh!“ Doch Zigeuner lachte nur. „Das macht nichts, Möpschen! Tanze!“

In der Ecke stand der erst kürzlich eingetroffene Bober hinter der Tafel und übte sich im Singen. Er grölte die Schlager, die er irgendwo im Kino gehört hatte, und begleitete sich mit dröhnenden Trommelwirbeln, die er mit den Fäusten auf der Wandtafel vollführte.

Hei, hei, Petrograd! Allerschönstes Petrograd! Petro-Petro-Petrograd! Wunderbare Stadt!

Die Tafel knarrte und krachte in allen Fugen.

Jankel saß an seinem Platz und zeichnete ein Pferd. Als er keine Lust mehr hatte, starrte er die gegenüberliegende Wand an und murmelte gedankenlos in deutscher Sprache vor sich hin: „Der Kater geht nach Hause. Der Kater geht nach Hause.“

Er haßte die deutsche Sprache, und das war der einzige Satz, den er konnte und vorbildlich aussprach. Er operierte damit in allen Stunden, die Elanljum gab.