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Alnikpop machte heroische Versuche, Sawuschka zu überwältigen. Er packte ihn bei den Hüften, um ihn zum Karzer zu zerren, aber Sawuschka stemmte sich dagegen.

Außer sich vor Wut schlug er dem Erzieher mit den Fäusten ins Gesicht. Alnikpop ließ ihn los und wich zurück. Mit gellendem Geschrei raste Sawuschka die Treppe hinunter. In diesem Augenblick erschien Vikniksor unten in der Tür, sprang aber zurück, als er den Jungen wie einen Orkan herbeibrausen sah. Es war die höchste Zeit gewesen. Sa-wuschkas Faust fuhr dicht an seiner Nase vorbei. „Vikniksor! Ich bring dich um, du Schwein! Ein Messer her!“

„Sawin, in den Karzer!“ donnerte der Direktor; doch das brachte den Jungen nur noch mehr außer sich. „Ich in den Karzer?“ kreischte er und raste in die Küche.

Mit dem Feuerhaken in der Hand kam er wieder zum Vorschein. „Wo ist Vikniksor? Wo ist Vikniksor?“ Er sah furchteinflößend aus. Vikniksor wurde höchst unbehaglich zumute, als der Junge, wütend den Feuerhaken schwingend, auf ihn zustürzte.

Der Direktor raffte seine letzte Würde zusammen, während er sich hastig in seine Wohnung zurückzog. Aber im letzten Augenblick blieb ihm nichts anderes übrig, als einen großen Satz hinter die rettende Tür zu machen und sie schleunigst zuzuknallen. Der Feuerhaken krachte an die hohe weiße Tür. Rasend vor Wut, weil der Überfall mißlungen war, wollte sich Sawuschka auf Alnikpop stürzen, doch allmählich kam er wieder zu sich. Er warf den Feuerhaken weg und lief davon. Eine Viertelstunde später fand ihn Alnikpop mit Hilfe des Pförtners im Klassenzimmer. Er hockte in der Ecke auf dem Fußboden und weinte leise vor sich hin.

Demütig, erschöpft, geschlagen ließ er sich in den Karzer führen. Die Lehrer wußten nicht, was in ihn gefahren war. Sie standen vor einem Rätsel. Es waren doch schon viele in den Karzer gesteckt worden, aber kein einziger hatte solche Wutanfälle bekommen wie Sawuschka. Doch die Schkider kannten die Wahrheit. Sie wußten genau, wer die Schuld an Sawuschkas Verbrechen trug, und Slajonow spürte, daß ihn immer häufiger wütende Blicke trafen.

Er bekam es mit der Angst zu tun. Jetzt würde er sicherlich nicht ungeschoren davonkommen.

Deshalb beschloß er, seine Leibgarde noch einmal zu korrumpieren. Am gleichen Abend veranstaltete er ein prunkvolles Fest: Er stellte eine Cremetorte, ein Dutzend Limonadeflaschen und eine ganze Leberwurst auf den Tisch. Doch die Stimmung blieb kalt und unfreundlich. Die Großen machten finstere Gesichter.

Im oberen Stockwerk wallfahrteten die hungernden Schkider zum Karzer und trösteten Sawuschka durch die Türritze.

„Sitzt du drin, Sawuschka?“

„Ja.“

„Macht nichts. Einmal kommst du auch wieder raus. Slajonow, das Mistvieh, ist an allem schuld.“

Wie ein kleines Raubtier trottete Sawuschka in dem kleinen quadratischen Zimmer umher.

„Ich hau Slajonow in die Fresse, wenn ich rauskomme!“ drohte er. In der oberen Toilette hatten sich die Schkider versammelt, um die letzten Ereignisse zu besprechen. Sie machten finstere Gesichter. Türke hielt sein Viertelbrot in der Hand und betrachtete es gedankenversunken. Es war seine Morgenportion, die er Slajonow schuldete, aber in erster Linie hungerte ihn, und außerdem kochte er vor Wut. Er zögerte noch eine Weile unschlüssig. Dann gruben sich seine Zähne erbittert hinein.

„Was machst du da?“ fragte Ustinowitsch erstaunt. „Und deine Schulden?“

„Bezahl ich nicht“, war die brummige Antwort. „Wieso nicht? Und die Großen?“

Ja, die Großen konnten ihn dazu zwingen. Das ernüchterte Türke augenblicklich. Nicht von Slajonow drohte ihm Gefahr, sondern von dessen Leibgarde. Nachdenklich hielt er das angebissene Brot in der Hand.

„Ach, hol's der Teufel!“ sagte da Jankel. „Ich esse mein Viertelbrot auch. Slajonow soll seine Schulden eintreiben, bei wem er will!“ Es wurde totenstill.

Slajonow stand in der Tür. Er war erhitzt. Sein sowieso schon gerötetes Gesicht brannte knallrot. Er war mitten aus dem Festgelage weggelaufen — an seinem cremeverschmierten Mund klebten noch Tortenkrümel.

Er witterte Unheil und erschrak insgeheim, zwang sich jedoch zur Ruhe.

Von vielen Blicken durchbohrt, ging er zu Türke hin.

„Bezahl deine Schulden, Türke. Von heute morgen“, sagte er ruhig. Türke antwortete nicht. Auch die übrigen schwiegen. „Los, bezahl deine Schulden!“ beharrte Slajonow. „Hol dir die Schulden, von wem du willst. Ich hab' kein Brot“, versetzte Türke entschlossen.

„Wieso nicht? Und deine Morgenportion?“

„Die hab' ich gegessen.“

„Und deine Schulden?“ „Willst du das dafür?“ Türke machte eine unanständige Geste. „Ich zahl' dir keine Schulden mehr — basta!“

„Wieso nicht?“ fragte Slajonow verdutzt. „Ich mach's nicht, und damit basta.“

„Aha.“

Stille. Alle beobachteten Slajonow. Es war ein kritischer Moment, aber Slajonow zwinkerte nur ratlos mit den Augen. „Ein neues Manifest in Sicht! Der Schkider zahlt die Schulden nicht!“ deklamierte Jankel in der drückenden Stille. Seine letzten Worte wurden von schallendem Gelächter übertönt. „Aha! So bezahlt ihr also eure Schulden! Nun gut!“ Damit huschte Slajonow aus der Toilette. Die Jungen ließen wieder den Kopf hängen. „Er ist zu den Großen gerannt, um Zigeuner zu holen.“ Jedem war bewußt, daß jetzt alles von Zigeuner abhing. Er war eine Macht, und wenn er für Slajonow eintrat, würde Türke morgen wieder gehorsam seinen Tribut an den großen Wucherer entrichten, und mit ihm auch die übrigen. „Vielleicht kommt er nicht“, gab Ustinowitsch inmitten der allgemeinen Niedergeschlagenheit seinen Hoffnungen Ausdruck. Alle wußten, daß er mit „er“ den Zigeuner meinte, und hofften insgeheim, Zigeuner würde sich von Slajonow nicht herbringen lassen.

Doch er kam — zusammen mit Slajonow.

Stolz erhobenen Hauptes sah Slajonow die Jungen an und wies dann zornig mit dem Finger auf Türke.

„Der weigert sich, die Schulden zu bezahlen, Zigeuner!“ Die Jungen hielten den Atem an. Ihre Augen bohrten sich in Zigeuners finsteres Gesicht. Jetzt mußte die Entscheidung fallen. Ja oder nein? Für oder wider?

„Ich bin zu ihm gegangen“, jammerte Slajonow, „und hab' ihm gesagt, daß er seine Schulden bezahlen soll, aber er lacht bloß, der Bandit, und verhöhnt mich.“

Zigeuner antwortete nicht. Sein Gesicht verfinsterte sich, und die feinen Nasenflügel bebten. Plötzlich wandte er sich zu Slajonow um und brach in einen Schwall von Schimpfworten aus.

„Was fällt dir ein? Willst du mich zu deinem Totschläger oder deinem Prügelknaben machen? Ich bin überhaupt nicht verpflichtet, hinzugehen und deine widerliche Fresse zu schützen! Laß mich in Frieden, sonst kriegst du die Keile! Du schmieriger Jammerlappen!“ Die Tür knallte hinter ihm zu, und Slajonow blieb allein inmitten seiner Feinde zurück — hilflos und kläglich.

Die Jungen schwiegen böse. Slajonow erkannte die Gefahr und raste zur Tür, doch Jankel vertrat ihm den Weg und stieß ihn zurück. „Reingefallen, mein Junge!“ kreischte Türke, und eine wuchtige Ohrfeige klatschte auf Slajonows fette Wange. Slajonow ächzte. Ein Schlag auf den Hinterkopf ließ ihn in die Knie gehen.

Einer boxte ihn mit aller Kraft auf die Nase, noch einmal und noch einmal…

Hilflos versuchte sich der fette Wucherer mit den Händen zu schützen, doch der nächste Schlag streckte ihn zu Boden.

„Au! Jungens! Warum haut ihr mich?“ jaulte er, aber die Hiebe prasselten weiter.

Sie verprügelten ihn lange, mit einer Erbitterung, in der sich ihr ganzes Hungerdasein Luft machte. Endlich kamen sie zur Besinnung. „Schluß. Zum Teufel mit der Drecksau!“ keuchte Türke. „Schluß! Laßt ihn. Kommt.“