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Jämmerlich zerschunden hockte Slajonow neben dem Abort in der Ecke und wischte sich schluchzend mit dem Ärmel das Blut ab, das ihm aus der Nase lief. Die Jungen gingen hinaus. Mit Windeseile verbreitete sich die Nachricht von dem Fall in der ganzen Schkid.

Die Großen hielten in der unteren Toilette eine Versammlung ab, in der sie die Resolution faßten, alle Schulden für liquidiert, die Sklaverei für aufgehoben zu erklären und in Zukunft derartige Dinge zu verhindern.

Die Schkid, die sechs Wochen lang gehungert hatte, atmete befreit und glücklich auf.

Die Sklaven von gestern waren wie erlöst, aber auch die Großen fühlten sich erleichtert.

Der Druck, der auf allen gelastet hatte, war verschwunden. Sie erkannten, daß sie großenteils die Schuld daran getragen hatten, und freuten sich nun um so mehr, daß das Unrecht durch ihre Mitwirkung wiedergutgemacht war.

Slajonows Sturz hatte sich schnell und überraschend vollzogen, als eine Katastrophe, die er niemals erwartet hatte. Mit einem Schlage hörten seine sämtlichen Einkünfte auf, mit einem Schlage wurde er ein hilfloses Häufchen Unglück. Und was das schlimmste war — er hatte keinen einzigen Freund. Alle gingen ihm aus dem Wege. Selbst Kusja, der noch gestern vor ihm auf den Knien gelegen hatte, sah ihn jetzt bloß verächtlich über die Schulter an.

Zwei Tage später wurde Sawuschka aus dem Karzer entlassen und von jeder Schuld freigesprochen.

Die Schkider waren wie ein Mann für ihn eingetreten, und die Großen hatten Vikniksor von den Untaten des großen Wucherers berichtet.

Als Sawuschka frei war, verprügelte er Slajonow noch einmal, und am nächsten Tage wurde der einstmals allmächtige Wucherer selbst in den Karzer gesteckt. Doch zu ihm kam niemand, um ihn in seiner Haft zu trösten.

Ein paar Tage danach war Slajonow verschwunden. Die Tür zum Karzer stand offen, das Schloß war erbrochen und Slajonow aus der Schkid entflohen.

Einige behaupteten, er sei nach Sewastopol gefahren, andere meinten, er wohne in Ligowka bei seinen alten Kumpanen, den Taschendieben.

Aber das waren nur Gerüchte.

Slajonow blieb endgültig verschwunden.

So endeten die Untaten des großen Wucherers — eines der schwersten, schmutzigsten Kapitel aus der Geschichte der Republik Schkid.

Noch lange dachten die Schkider an ihn zurück, und wenn sie abends am Ofen saßen, erzählten die „Alteingesessenen“ den „Neuen“ maßlos übertriebene Geschichten von den Taten des großen, legendären Wucherers Slajonow.

STRELNA IN AUFRUHR

Strahlender Mal * Die große Völkerwanderung * Graf Schielauge als Einbrecher * Im Erholungsheim * Sonnenbäder * Kabarett * Alle gegen einen * Der „Spiegel“ Strelna in Aufruhr * Die Geschichte eines mißlungenen Raubzuges * Die Chronik und die Gruppeneinteilung.

Erster Mai.

Ein Strom von Klängen, Fahnen, Menschen und Sonne überflutete die kleine Republik.

Seit dem frühen Morgen brandeten Wellen von Demonstranten gegen die Mauern der Schkid.

Noch niemals waren die Schkider so aufgeregt gewesen. Sie drängten sich an den offenen Fenstern und begrüßten die Demonstranten mit Hurrarufen. Am liebsten hätten sie sich in die Kolonnen eingereiht, um zum Platz zu marschieren; doch in diesem Jahre war Kindern die Teilnahme an der Demonstration verboten.

Der Erste Mai war die strahlende Verkörperung des Frühlings. Er bescherte den Schkidern Semmeln — schneeweiße Semmeln, die sie schon lange nicht mehr bekommen hatten.

Die Semmeln wurden zum Frühstück ausgegeben. Nach dem Mittagessen hielt Vikniksor eine Rede über den Ersten Mai, und dann sangen die Schkider die Internationale.

Am Abend gingen sie samt und sonders — vom Jüngsten bis zum Ältesten — in die Stadt, um die festlich beleuchteten Straßen zu bewundern, der Musik zu lauschen und sich vergnügt durch die festlich gestimmte Menge zu drängen.

Voller Freude begingen die Schkider den Frühlingsanfang, und diese Freude wuchs noch, als sie erfuhren, das Amt für Volksbildung würde seinen Zöglingen ein Erholungsheim zur Verfügung stellen. Als dann noch bekannt wurde, das Erholungsheim läge in Strelna und sie sollten in nächster Zeit dorthin übersiedeln, strömte die ganze Schkid jubelnd und lärmend auf die Straße. Zum Umzug wollten sie die Straßenbahn benutzen. Am Reisemorgen wurden alle Kräfte mobilisiert. Die Jungen bündelten die Wäsche, rollten die Matratzen zusammen und schleppten die Betten auf die Straße. Eifrig waren sie bei der Sache. Auch die Knirpse aus der ersten Klasse fühlten sich von der Wichtigkeit des Augenblicks durchdrungen. Sie griffen genauso zu wie die Großen.

„He, du!“ schrie der kleine, kugelrunde Tyrnowsky seinen Kameraden an. „Wo willst du mit der Pritsche hin? Mehr nach links! Sonst kommen wir nicht durch.“

Sie schleppten gerade ein Bettgestell aus dem Haus. Auf der Straße packten Jankel, Zigeuner und Japs unter Aufsicht von „Graf Schielauge“ die Sachen zusammen.

Graf Schielauge war Prophet, aber seine Jugend und sein kameradschaftliches Verhalten hatten ihn bei den Schkidern beliebt gemacht. Sein Spitzname stammte daher, daß er schielte.

Schon am ersten Tage hatte Schielauge die Zuneigung der Großen erobert.

Das war folgendermaßen geschehen.

Um die Schüler kennenzulernen, hatte er am Abend seiner Ankunft bei ihnen in ihrer Klasse gesessen und sich ausführlich darüber verbreitet, daß er ein guter Physiklehrer sei und experimentellen Unterricht geben wolle.

„Das ist fein“, hatte Japs begeistert gerufen. „Wir haben einen Haufen von Lehrmitteln. Die ganze Schrank steht voll.“ Dabei wies er auf den Schrank in der Ecke.

„Wo? Zeigt mal her!“ forschte Schielauge mit blitzenden Augen und stürzte auf den Schrank zu. „Er ist verschlossen.“ „Lassen Sie die Finger davon, Afanassi Wladimirowitsch! Vikniksor hat uns verboten, den Schrank aufzumachen.“

Die Jungen bekamen einen Schreck, als Schielauge sorglos lächelnd erklärte: „Zum Teufel mit den Verboten von Vikniksor. Wir machen den Schrank jetzt auf und sehen nach, was drin ist.“

„Lassen Sie das lieber sein!“

„Wenn Vikniksor uns erwischt, kriegen wir eins auf den Deckel.“ Doch Schielauge schraubte mit dem Taschenmesser den Riegel ab und öffnete den Schrank, ohne das Vorhängeschloß zu beschädigen. Er holte einen Dynamo heraus und erklärte eifrig, wie er funktioniere. In der Schule herrschte tiefe Stille.

Die Jungen aus den unteren Klassen schliefen bereits. Nur die paar Großen waren noch munter.

Sie hörten sich Schielauges Erklärungen zwar an, horchten dabei aber besorgt auf jedes Geräusch. Plötzlich klappte im Treppenhaus eine Tür. „Vikniksor! Den Apparat weg!“ „Schnell!“

Hastig steckten sie den Dynamo in den Schrank, schlössen die Tür, schraubten den Riegel notdürftig an und sprangen zurück. Da trat Vikniksor auch schon in die Klasse. Er machte seinen gewohnten Rundgang. „Ihr seid noch hier?“

„Ja, Viktor Nikolajewitsch. Wir unterhalten uns gerade über den morgigen Unterricht. Wir gehen jetzt schlafen.“ „Allerhöchste Zeit, Kinder.“

Vikniksor ging durch den Raum, kratzte sich hinter dem Ohr, fuhr mit dem Finger über die Bänke, um festzustellen, ob sie verstaubt seien, und trat gelassen an den Schrank. Den Jungen stockte der Atem. Besorgt hingen ihre Blicke an Vikniksors Händen, als er mechanisch das Schloß befühlte. Aber seine kurzsichtigen Augen übersahen die noch zur Hälfte herausragenden Schrauben, und er verließ den Raum. „Glatt gegangen!“ Alle atmeten erleichtert auf.

Als sie dann im Bett lagen, führte Zigeuner begeisterte Reden: „Schielauge ist doch ein verwegener Bursche! Mir wäre das Herz in die Hose gerutscht, er dagegen blieb ganz ungerührt.“ Nach dieser Episode hatte Schielauge das Vertrauen der Großen endgültig erobert. Er wurde von ihnen beinahe als Kamerad behandelt. Und jetzt packte er mit den Jungen fröhlich die Sachen. Zwischendurch machte die ganze Gesellschaft gelegentlich Pause, flegelte sich auf die Stufen der Eingangstreppe und hänselte die Passanten. „Vorsicht, Bürger! Hier ist eine Pfütze.“