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Außer sich vor Wut spähte er umher. Er konnte es einfach nicht glauben, daß die Sachen weg waren.

Hilflos, ratlos stand er da. Er spürte zahllose Blicke auf sich. Er wußte, daß die Jungen ihn beobachteten, daß sie ihn auslachten. Wie zur Bestätigung seiner Erkenntnis brach in allernächster Nähe ein satanisches Hohngelächter aus. Eine neue Eichel prallte ihm gegen die Schulter.

Jetzt war ihm klar, daß eine Schlacht begonnen hatte, deren Sieg der Standhaftere davontragen würde.

Der Beginn dieser Schlacht verhieß für ihn nichts Gutes. Seine Wäsche war fort. Entsetzt sah er sich seinen Feinden preisgegeben. Die Eicheln umpfiffen ihn immer häufiger. In fiebriger Hast suchte Schielauge seine Sachen. Er bog die Nachbar-sträucher auseinander, er vermied es, die schützende Deckung zu verlassen, aber dort waren seine Kleider nicht. Verzweifelt richtete er sich auf, ging aber sofort wieder zu Boden. Ein Dutzend Eicheln schlug ihm wie eine Maschinengewehrsalve auf den Rücken.

Sein Körper brannte vor Schmerz und Scham. Er, ein Lehrer, war gezwungen, splitternackt in den Büschen zu hocken und sich vor seinen rachsüchtigen Schülern zu verstecken. Er wußte, daß er ihnen nicht entgehen konnte.

Jetzt war er nur noch von dem Verlangen besessen, die Wäsche zu finden. Vergeblich irrten seine Augen umher — sie war nicht zu sehen. Plötzlich schrie er vor Freude auf. Er hatte sie erspäht. Aber schon im nächsten Augenblick entrang sich ihm ein Fluch. „Halunken! Schurken!“

Strahlendweiß hing die Wäsche in aller Unschuld an einem hohen Baum.

Was sollte er tun?

Wenn er auf den Baum kletterte, würden ihn die Jungen mit den Eicheln geradezu bombardieren. Mit einem Stock kam er an die Wäsche nicht heran. Fast weinend vor Wut, aber wildentschlossen kroch er auf den Baum zu. Doch kaum hatte er sich aufgerichtet, als die Eicheln wieder schmerzhaft auf ihn einprasselten. Unwillkürlich, nur vom Selbsterhaltungswillen getrieben, duckte sich Schielauge wieder zu Boden. Triumphierend johlten seine unsichtbaren Feinde. „Sie lachen, die Hunde!“

Der Prophet schrie vor verzweifelter Wut auf. Im nächsten Augenblick kletterte er am Baum empor — mit der Entschlossenheit eines Todgeweihten. Die Eicheln hagelten auf ihn ein.

Die Baumrinde zerschrammte ihm die Haut. Zweimal trafen ihn die Eicheln so heftig an der Stirn, daß er unwillkürlich die Augen schloß und im Klettern innehielt. Dann riß er sich zusammen und kroch weiter.

Endlich war er am Ziel.

Den Rückweg legte er nicht kletternd, sondern kraftlos gleitend zurück. Er zerschrammte sich dabei Brust und Hände, aber sein Sieg tröstete ihn.

Doch mußte er sich noch lange quälen, bevor er die Wäsche anziehen konnte. Die Ärmel des Unterhemdes und die Beinlinge der Unterhose waren naß gemacht und fest zusammengebunden. Im Jargon der Schkider hieß das „Zwieback backen“. Schielauge mußte die Zähne zu Hilfe nehmen, um die Knoten zu lösen.

Endlich war er angezogen und trat in Erwartung eines erneuten Beschüsses ans Ufer. Aber diesmal blieb alles still.

Rasend vor Kränkung und Wut, rannte er ins Heim, um dem Direktor Meldung zu machen. Auch dabei hatte er Pech: Vikniksor war in die Stadt gefahren.

Als Schielauge durch die Räume ging, sah er nichts als spöttische Blicke. Er merkte, daß sämtliche Jungen Zeugen seiner Schande gewesen waren.

Beim Mittagessen bekam der Prophet wieder Oberwasser. Zigeuner, Japs und sechs weiteren Schülern wurde das Essen entzogen. Daraufhin hielten die empörten Schkider eine zweite außerordentliche Versammlung ab. Sie beschlossen, den Kampf fortzusetzen. Durch seine bösen Erfahrungen belehrt, setzte Schielauge kemen Fuß mehr vors Haus; doch das half ihm nichts. Das Bombardement begann wieder. Sobald er den Rücken kehrte, flog ihm eine Eichel ins Kreuz.

Seine Machtlosigkeit steigerte seine Nervosität. Außerdem schallte ihm ein von den Jungen verfaßtes Spottlied auf Schritt und Tritt entgegen:

Bittre Tränen weinte er: „Gebt die Unterhose herl“ Nackt wie'n neugebornes Kind kriecht er auf den Baum geschwind!

Vergebens suchte Schielauge nach einem Winkel, in dem er sich verstecken konnte. Überall verfolgten ihn Lied und Eicheln, Eicheln und Lied. Schließlich wollte er ins Lehrerzimmer flüchten. An der Tür prallte er zurück.

An der Wand daneben hing eine herausgerissene Heftseite, auf der die Überschrift prangte:

Schielauge überflog die nachfolgenden Zeilen. „Graf Schielauge…“, las er, „Sensationsromah…“, „Das Bad im Teich…“, „Schmeißt die Grafen raus…“

Ihm wurde dunkel vor Augen. Er riß das Blatt ab, fest entschlossen, es Vikniksor zu zeigen.

Beim Eintritt in das Lehrerzimmer erwartete Schielauge eine neue, schmerzhafte Überraschung.

Als er die Tür öffnete, fiel ihm ein Schrubber mit darübergestülptem Schemel krachend auf den Kopf. Jemand hatte ihn an den Pfosten gelehnt.

Mit Schielauges Nervenkraf t war es zu Ende. Tränen traten ihm in die Augen, und er warf sich laut schluchzend auf sein Bett. Mit Windeseile verbreitete sich in der Schkid die Nachricht, Schielauge habe einen Weinkrampf bekommen. Jankel und Japs — die Redakteure der „Radautüte“ — stellten die Arbeit an der halbfertigen zweiten Nummer ein. Ihre Siegesfreude schwand. „Schielauge hat einen Weinkrampf.“ „Was wird jetzt?“

Die Jungen erwarteten ein Donnerwetter, fürchteten sich jedoch nicht davor. Sie fühlten sich im Recht. Elanljum kam zu ihnen.

„Was habt ihr mit Afanassi Wladimirowitsch angestellt?“ forschte sie drohend. Als sie aber erfuhr, daß sich Schielauge ebensoschlecht benommen hatte wie die Jungen, schlug sie ihnen vor, die ganze Sache vor Vikniksor zu vertuschen.

Damit waren die Jungen einverstanden. Sie entsandten eine Delegation zu dem Propheten und versöhnten sich mit ihm. Vikniksor fand nach seiner Rückkehr nichts weiter vor als einen zerknüllten Fetzen der Zeitung „Radautüte“.

Am nächsten Tage wurden Jankel und Japs zum Direktor gerufen. Bevor sie zu ihm gingen, überlegten sie, was sie in der vergangenen Woche angestellt haben mochten. Da sie sich aber nur auf den vertuschten Skandal mit Schielauge besinnen konnten, begaben sie sich wohlgemut ins Direktorzimmer. „Dürfen wir eintreten?“

„Bitte. Ach, ihr seid es.“

Vikniksor saß in einem Sessel. Er hielt ein Exemplar der „Radautüte“ in der Hand.

Die Jungen warfen sich einen entsetzten Blick zu. „Setzt euch doch. Ich möchte mit euch reden.“

„Ach, wir können auch stehen, Viktor Nikolajewitsch.“ Sorgenbeschwert dachte Jankel an die Schimpfwörter, mit denen „Die Radautüte“ gespickt war und die samt und sonders Schielauge galten. „Wie ihr seht, Jungens“, begann Vikniksor, „hatte ich die Möglichkeit, eure Zeitung zu lesen. Ich finde, daß sie allzusehr nach Skandalblatt riecht. Aber trotz der Grobheiten kann man ihr einen gewissen Geist nicht absprechen.“ Er verlas einige gelungene und mißlungene Formulierungen und fuhr dann fort: „Warum wollt ihr eigentlich keine richtige, gute Schulzeitung herausgeben? Seht ihr, ich habe die Schüler schon einmal dazu angeregt. Ich habe sogar eine Nummer des 'Schülers' verfaßt. Aber die Jungen reagierten nicht darauf, deshalb ging die Zeitung ein. Wie ich sehe, interessiert ihr euch dafür; deshalb setzt euch dahinter und schreibt. Selbstverständlich müßten wir einen neuen Titel finden, etwa… 'Der Spiege', mit dem Motto: 'Schimpf nicht auf den Spiegel, wenn dein Gesicht schief ist.'“

„Wir… das wollten wir schon längst“, meinte Japs. „Na, dann macht es doch. Ich würde mich darüber freuen.“ Damit war die Unterhaltung beendet.