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Sie hatten ihre Kissenbezüge abgezogen, um möglichst viel einzuheimsen.

An der Bahn angelangt, marschierten sie über die Gleise. Japs hüpfte fluchend, um sich die blaugefrorenen Füße zu erwärmen. „Verdammt! Das ist kein Wetter zum Kartoffelbuddeln!“

„Da kann man nichts machen. Es ist ja auch das letztemal“, meinte Jankel beruhigend.

Endlich waren sie am Ziel — einem großen Feld, in dem sie sich schon heimisch fühlten, da sie schon häufig von dort Kartoffeln geholt hatten. Sie blieben einen Augenblick lang auf der Straße stehen, um Ausschau zu halten und Kräfte zu sammeln. Dann duckte sich Jankel und schlüpfte ins Kartoffelkraut. Japs folgte ihm. Beide fluchten. Die Wirklichkeit übertraf ihre schlimmsten Erwartungen. Der Regen hatte verheerende Folgen: Zwischen den Furchen stand das Wasser, und die lehmige Erde hatte sich in einen schmierigen Brei verwandelt. Dafür ging das Buddeln leicht. Schon beim ersten Griff rutschte das nasse Kraut mit den anhängenden Kartoffeln aus dem Boden.

Sie arbeiteten wortlos. Nur manchmal riefen sie sich halblaut an, um sich nicht aus den Augen zu verlieren. Nachdem die Kissenbezüge proppenvoll waren, krochen die Jungen auf die Straße zurück. Als sie sich jetzt gegenseitig betrachteten, bekamen sie einen Schreck. Ihre schneeweißen, sauberen Hemden waren grau vom Lehm. „Da haben wir uns aber mächtig angeschmiert“, meinte Jankel niedergeschlagen. Japs sah ihn bloß wütend an und gab ihm ein Zeichen heimzugehen. „Hoffentlich fallen wir nicht rein“, meinte Jankel besorgt, als sie auf das Heim zuschlichen. „Wir müssen an Vikniksors Fenster vorbei.“ Doch Japs zuckte nur sorglos die Schultern. „Blödsinn! Der ist kurzsichtig, der merkt nichts.“ Wohlbehalten kamen sie bis zur Veranda, als Vikniksor plötzlich in der Tür stand.

Die Redakteure flitzten unter die Veranda und versteckten sich da.

Schritte näherten sich. Jankel klapperten vor Angst die Zähne. „Er hat nichts gemerkt“, suchte er sich zur Beruhigung einzureden.

Plötzlich fuhr er zusammen.

„Jeonin! Komm sofort heraus!“ hatte eine Stimme über seinem Kopf gerufen.

Die Jungen schwiegen mucksmäuschenstill.

„JeoninI Raus mit dir!“

Der Regen hatte verheerende Folgen.

„Kriech raus, Japs“, flüsterte Jankel auf geregt. „Er hat uns erwischt!“

Der magere Japs tauchte ans Licht des Tages und blieb, schuldbewußt mit den Augen zwinkernd, vor Vikniksor stehen. „Wo sind die Kartoffeln?“ forschte der Direktor unheildrohend. „Was für Kartoffeln?“

„Hol die Kartoffeln her, du Bandit!“ schrie Vikniksor zornig. Jankel hatte jedes Wort gehört. Am ganzen Körper zitternd, schüttete er hastig die Kartoffeln aus dem Kissenbezug. Zahllose Gedanken, einer fürchterlicher als der andere, jagten ihm dabei durch den Kopf.

Reingerasselt… So eine Schande… Ins Kloster komme ich jetzt… Leb wohl, Strelna… Leb wohl, Schkid… und leb wohl… leb wohl, Wandzeitung!

„Die Kartoffeln her!“ donnerte es über ihm.

Dann hörte Jankel seinen Freund Japs merkwürdig leise sagen: „Sofort, Viktor Nikolajewitscht“ Anschließend erschien Japs vor dem Eingang zum Versteck. Jankel stopfte ihm wortlos den halbgeleerten Kissenbezug in die Hand. Japs verschwand.

Oben wurde herumhantiert. Dann hallten die Tritte von zwei Paar Füßen über den Verandafußboden. Es wurde still. Vorsichtig kroch Jankel heraus und blickte um sich. So schmutzig konnte er sich keinesfalls in der Schule zeigen. Vorher mußte er sein Hemd waschen. Zitternd vor Kälte, rannte er zum Teich, zog das Hemd aus, schrubbte es sauber, wrang es sorgfältig aus und streifte es wieder über. Das nasse Hemd ließ ihn noch mehr frieren. Die Zähne klapperten ihm vor Kälte. Er rannte hin und her, um sich zu erwärmen und das Hemd ein wenig zu trocknen. Dann setzte er ein unbefangenes Gesicht auf und ging pfeifend auf das Heim zu.

An der Tür hatten ihn seine Kameraden erwartet. Sie steckten ihm vorsorglich ein paar Eicheln zu.

Kurz darauf standen sie auf der Straße.

„Sag, daß du Eicheln gesammelt hast. Vikniksor sucht dich schon!“ Doch die Eicheln halfen ihm nicht aus der Klemme. Als er in den Eßraum trat, stürzte ein Lehrer auf ihn zu. „Tschornych, sofort in den Schlafraum.“

„Warum?“

„Keine Widerrede! Geh hin!“

Im Schlafraum saß Vikniksor. Bei Jankels Anblick runzelte er die Stirn.

„Zieh dich aus und geh ins Bett.“

Jankel begriff nicht, weshalb er zu Bett gehen sollte, aber er erkannte, daß ihm keine Ausflüchte helfen würden.

„Wo ist der Kissenbezug?“

„Ich bringe ihn sofort her, Viktor Nikolajewitsch.“ Der schmutzige, verschmierte Kissenbezug wurde einschließlich der Kartoffeln angeschleppt.

Dann befahl Vikniksor den Redakteuren, sich auszuziehen, nahm ihnen die Hosen weg und zwang sie auf diese unkomplizierte Weise, im Bett zu bleiben und den Hausarrest einzuhalten.

Das wäre im Sommer eine unerträglich schwere Strafe gewesen. Jetzt aber, im Herbst, machte es den Jungen wenig aus. Vieles ging Jankel und Japs durch den Kopf, während sie im Bett lagen. Tagsüber kamen die Kameraden zu ihnen, um ihnen die letzten Neuigkeiten mitzuteilen. „Ihr werdet ins Kloster versetzt.“

„Vikniksor macht schon die Begleitpapiere für euch fertig.“ Eine Neuigkeit war betrüblicher als die andere, und die Jungen ließen den Kopf hängen. Doch allmählich gewöhnten sie sich an den Gedanken, die Schkid verlassen zu müssen, und betrachteten sich schon nicht mehr als dazugehörig.

„Wollen wir eine Abschiedsnummer des 'Spiegels' machen?“ schlug Jankel am dritten oder vierten Tage vor. Japs erklärte sich einverstanden.

Es war nicht ganz leicht, die letzte Ausgabe zu schreiben. Japs verfaßte eine Glosse unter dem Titel „Der Schrecken der Kartoffelfelder“. Beim Lesen amüsierten sie sich über die unglückseligen Abenteuer der zwei Banditen, aber hinterher wurden sie wieder nachdenklich und bedrückt.

Sie brachten die Glosse auf der Titelseite. Es war ein zeitgemäßer Beitrag. Ihre Versetzung hatte sich zu einer aktuellen Streitfrage entwickelt. Im Pädagogischen Rat teilten sich die Meinungen. Einige Lehrer plädierten für die Versetzung der Jungen ins Kloster, andere für ihr Verbleiben in der Schkid.

Jankel versah die Glosse mit Karikaturen und schrieb ein schwermütiges Herbstgedicht. Ein zweites Gedicht steuerte Finkelstein bei. Das war ein erst vor kurzem in der Schkid aufgetauchter, aber bereits berühmt gewordener Lyriker, der den Spitznamen „Falke“ bekommen hatte.

Außerdem enthielt die Nummer, die anschließend veröffentlicht wurde, noch einige Meldungen.

Sie wirkte irgendwie bedrückend, obgleich der Ausschluß von Jankel und Japs mit keinem Wort erwähnt wurde. Schließlich war der letzte Tag gekommen.

Jankel und Japs erhielten frische Wäsche und den Befehl, ihre Sachen zu packen. Es war ein grauer, trüber Morgen, und es nieselte. Als sich die Jungen aber angezogen hatten und mit ihren Bündeln auf die Veranda kamen, wurden sie dort von der ganzen Schkid erwartet. Sie nahmen Abschied. Dann kam Vikniksor. „Los!“ sagte er sachlich.

Kurz darauf standen sie auf der Straße. Die nassen Straßenbahngleise glänzten. Noch einmal blickten sie zum Erholungsheim hinüber. Dort ließen sie ihre Kameraden zurück, die Propheten und — den „Spiegel“, ihr Lieblingskind, das sie mit eigenen Händen ans Licht der Welt gebracht hatten… Sie stiegen in die Bahn.

Unterwegs sagte Vikniksor kein einziges Wort.

Am Narwator stiegen sie aus. Was würde Vikniksor ihnen jetzt befehlen?

„Gehen wir in die Schule!“ knurrte er, ohne sie anzusehen. Sie wanderten durch die wohlbekannten Straßen. Wie herbstlich es schon war, konnte man in derStadt noch deutlicher merken als auf dem Lande. Die Bürgersteige waren dunkel von Regen und Schmutz, und von den Dächern tropfte das Wasser, obgleich es nicht mehr regnete.