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'Wird der 'Vorwärts' bald erscheinen?'

Japs schielte hochmütig zu Jankel hin, während er absichtlich laut antwortete: 'Es ist unser Prinzip, daß Zeitung und Zeitschrift immer rechtzeitig zur festgesetzten Frist erscheinen.'

Aber Jankel war nicht gewillt, die Waffen zu strecken. Nachdem er die Situation gründlich durchdacht hatte, faßte er den festen Entschluß, zu kämpfen und die 'Mücke' häufiger erscheinen zu lassen. Er entfaltete eine emsige Tätigkeit. Nach unwahrscheinlichen Tagesmühen hängte er allabendlich voller Stolz immer neue Nummern an den Bindfaden am Ofen. Er verbesserte die Technik, er versah die Artikel mit farbigen Illustrationen und erreichte schließlich sein Ziel. Den Jungen wurde es langweilig, auf die dicke Monatszeitschrift zu warten — sie gewöhnten sich immer mehr an die 'Mücke'. Es bürgerte sich ein, morgens in die vierte Abteilung zu gehen, um die letzte Nummer der Zeitung zu lesen. Doch dieser Sieg kam Jankel teuer zu stehen. Er wurde hohlwangig und mager, er verlor Schlaf und Appetit…

Da passen keine Rätsel rein.

Nach einer Woche erschien die zweite Nummer von Japs' 'Woche'. Diesmal erregte sie keine Aufmerksamkeit, denn sie war nicht illustriert und nur mit der Hand — mit Bleistift — geschrieben. Dennoch zeitigte Japs' Mißerfolg überraschende Folgen. Kaufmann war in dieser Woche gedankenversunken umhergelaufen. 'Verdammt!' grölte er durch die Klasse, als er die unansehnliche 'Woche' erblickte. 'So eine Zeitung kann ich ebenfalls rausgeben. Sogar noch besser. Eine richtige Zeitschrift!'

Seine Erklärung stieß auf allgemeines Erstaunen, um so mehr, als er sich noch vor zehn Tagen über die Dummheit der Redakteure lustig gemacht hatte: 'Ihr seid ja blöd, wie die heiligen Märtyrer eure Zeit zu vergeuden! Kein Mensch bezahlt euch was dafür.' Nun stellte sich Kaufmann plötzlich als Redakteur der Zeitschrift 'Mein Masdlinengewehr' vor und sammelte einen Mitarbeiterstab. Er hatte sie so genannt, weil sie ebensoschnell hintereinander erscheinen sollte, wie ein Maschinengewehr schießt. Um das neue Presseorgan bildete sich sogleich ein Kreis aus wenig bekannten journalistischen Anfängern — Mamachen und Brotkanten. Bald überwarf sich Ljonka Pantelejew mit Japs und ging ebenfalls zu Kaufmanns jungem, aber vielversprechendem Verlag über. 'Mein Maschinengewehr' machte Karriere.

Jetzt erschienen laufend drei Presseerzeugnisse: die 'Mücke' von Jankel, die 'Woche' von Japs und 'Mein Maschinengewehr' von Kaufmann.

Kein einziges genügte jedoch Zigeuners Ansprüchen. 'Was sind das bloß für Blätter, Halunken? Ganz ohne Rätsel oder Denkaufgaben. So'n Quatsch!'

Zigeuner schäumte vor Mißbilligung. Er hatte versucht, in allen drei Zeitungen seine Rätselecke unterzubringen, war aber überall höflich abgewiesen worden. Daraufhin brachte er seinen Vorschlag im 'Vorwärts' vor, wo er Redakteur und aktiver Mitarbeiter war.

'Leute, Japs, Falke! Ich beantrage, eine Rubrik 'Zum Kopfzerbrechen' in der Zeitschrift einzuführen. Ich werde sie redigieren.'

Der Dichter Kostja Finkelstein (Falke) protestierte als erster. 'Das geht nicht. Wir haben eine seriöse, wissenschaftlich-literarische Monatszeitschrift, da passen keine Rätsel rein.'

'Ja, das lohnt sich nicht', bestätigte Japs und brachte damit den Rätselfreund endgültig gegen sich auf.

'Gut', sagte Zigeuner. 'Wenn ihr nicht wollt, dann laßt es bleiben.

Ich komme auch ohne euch aus.'

Er verließ die Redaktion des 'Vorwärts', und kurz darauf erschien in der 'Mücke' die Ankündigung:

'Zum Kopfzerbrechen' erschien am nächsten Tage. Dann verließen Mamachen und Brotkanten ebenso überraschend das Redaktionskollegium von Kaufmanns 'Maschinengewehr', um eigene Zeitschriften herauszugeben. Mamachens Blatt hatte den klugen Titel 'Der Gedanke' und trug als Motto einen Aphorismus, den Zigeuner einmal in einer Russischstunde von sich gegeben hatte. Als er gefragt wurde, was ein Gedanke sei, hatte er mit frechem Lächeln geantwortet: 'Der Gedanke ist der intellektuelle Exzeß eines bestimmten Individuums.' Seitdem verfolgte ihn dieser unsinnige Ausspruch, wo er ging und stand, bis er schließlich als Motto über Mamachens hochkünstlerischem Presseorgan prangte.

Brotkanten verachtete Erörterungen über hohe Materien. Er neigte eher zur Poesie und nannte seine Zeitung deshalb lyrisch: 'Morgenröte'. Trotz seiner poetischen Talente war Brotkanten jedoch unbeleckt von orthographischem Wissen und machte schon in der ersten Nummer skandalöse Schnitzer. Anläßlich einer Theateraufführung, die vor drei Monaten stattgefunden hatte, prangte auf der ersten Seite von Brotkantens Blatt eine Illustration zu Puschkins 'Boris Godunow'.

Sie stellte Japs mit einem langen Eisenstab in der Hand als Godunow dar.

Doch nicht die Illustration veranlaßte die gesamte Schule zu wieherndem Gelächter, sondern die Erklärung, die darunter stand: 'Ülistratjon zur Troge die 'Barris Godunw'.'

Brotkanten hatte es also geschafft, in fünf Wörtern zehn Fehler zu machen. Das mußte er schwer büßen.

Die poetischen Ergüsse der 'Morgenröte' wurden nicht etwa gelesen, weil sich die Schkider für Lyrik interessierten, sondern wegen ihrer humoristischen Form. Selbst Jankel meinte beleidigt: 'Brotkanten ist ein Halunke — ein schmutziger Konkurrent!' Brotkantens Lyrik rief ein so einträchtiges Gelächter hervor, daß die geistreichsten Glossen der 'Mücke' vor Neid erblassen konnten. Aber Brotkanten konnte einfach nicht begreifen, worüber die Schkider lachten. Er war tief beleidigt. So was aber auch! Nächtelang hatte er über seiner Zeitung gesessen, sein ganzes Herz hatte er in die Verse gelegt, und sie waren seiner Meinung nach ausgezeichnet gelungen. Er war Lyriker von Natur, faßte jedoch den Begriff Lyrik auf seine eigene Weise auf. 'Lyrik ist', pflegte er zu sagen, 'wenn man von sich aus und aus Langeweile schreibt.' Er schrieb seine langweiligen Gedichte nur dann, wenn er bestraft worden war. So lautete eines:

Gelb und schäbig ist das Haus. Rauch steigt aus dem Schornstein raus. Der Direktor ist famos, trotzdem ist hier gar nichts los. Aus dem leeren Fenster blicken, tut mir fast das Herz zerknicken. Rasen möcht ich in die Ferne, um zu sehen neue Sterne.

Als Brotkanten diese Schöpfung mit vielen Rechtschreibfehlern in seiner 'Morgenröte' veröffentlichte, wälzte sich die ganze Schule vor Lachen, und die 'Mücke' machte sich in der neuen Rubrik 'Aus Schkider Zeitungen' erbarmungslos über Brotkantens Lyrik lustig: 'Anscheinend ist der Poet Brotkanterich ein Mann von überaus feiner Beobachtungsgabe, denn er erwähnt die bemerkenswerte Erscheinung, daß,Rauch aus dem Schornstein raussteigt'. Wir befürchten nur, daß der Rauch eines Tages aus einer anderen Stelle raussteigt, etwa aus der 'Morgenröte' oder aus Brotkantens Kopf, der so leer zu sein scheint wie seine Fenster. Außerdem will Brotkanten 'in die Ferne rasen'. Wir würden ihm seinen Wunsch mit Vergnügen erfüllen, damit er seine Verse dort weiterschreibt.'

Lyrik ist, wenn man aus Langeweile schreibt.

Brotkanten ließ sich jedoch nicht beirren. Er setzte seine lyrischen Bemühungen fort und gab die 'Morgenröte' regelmäßig heraus. Allein in der vierten Abteilung erschienen nun schon sechs Zeitungen. Dieser Überfluß an Druckerzeugnissen erregte die Aufmerksamkeit der ganzen Schule und erhöhte den Ruhm der Großen. In erster Linie interessierte sich natürlich Vikniksor für die neue Zeitungsepidemie. Eines Tages kam er in die Klasse und hielt eine geistsprühende Rede über die Schuljournalistik. Sie sei eine ganz ausgezeichnete Sache, denn Zeitungen entwickeln die Talente, erweitern den Gesichtskreis, verbessern das Benehmen, bilden einen guten Stil heraus, beflügeln die Phantasie usw. usw. Zum Schluß erklärte er, er würde in nächster Zeit ein Schulmuseum eröffnen, in dem die Zeitungen als wichtigste Ausstellungsstücke enthalten sein würden. Außerdem versprach er, die Journalisten mit Schreibutensilien zu unterstützen, und händigte Jankel zur Bestätigung dieser Worte noch am gleichen Tage Papier und Farben aus. Vikniksors Großzügigkeit verblüffte und ermutigte die Jungen, und schon am folgenden Tage kamen drei neue Zeitungen heraus: der 'Sonnenaufgang', der 'Technische Bote' und der 'Clown'. Spatzens 'Sonnenaufgang' unterschied sich von Brotkantens 'Morgenröte' eigentlich nur dadurch, daß er weniger Fehler enthielt. Der 'Clown' war nur für die Lehrer interessant, weil er von Pierre, dem faulsten und unwissendsten Schüler der vierten Abteilung, herausgegeben wurde. Pierre — sein eigentlicher Name lautete Sokolow — befand sich dauernd im Zustand der Geistesabwesenheit. Nur dreimal am Tage — zu den Mahlzeiten — wurde er lebendig. Als die Lehrer erfuhren, daß er eine Zeitung herausgäbe, kamen sie, um sich von dieser Tatsache zu überzeugen, betrachteten verwundert den Jungen, der sich schnaufend über ein Blatt Papier beugte, und stellten ihm, nicht ohne Zaghaftigkeit, einige prüfende Fragen. 'Sokolow! Was machst du da?' Pierre blies würdevoll die Backen auf. 'Eine Zeitung', antwortete er, ohne den Kopf zu heben. 'Was für eine Zeitung?'