„Packt zu, Leute!“ rief Dse, der sich mit einem schweren Balken abmühte.
Die „Leute“ packten mit Feuereifer an, und der Balken verschwand im Schuppen. Der Arbeitssamstag wurde ein voller Erfolg. Das beflügelte die Arbeit noch melir.
Der sonnige Juli brachte leuchtende Tage, aber die Jungkommunarden hatten keine Zeit, die Sonne zu genießen. Die Arbeit hielt sie endgültig im Bann. Der „Junkom“ wuchs. Immer neue Zirkel entstanden — für Zeichnen, für Literatur, für Politik. Außerdem wurde wöchentlich ein Zeitungsbericht gegeben. Aber seine höchste Blüte erreichte der „Junkom“, als der neue Lehrer und Erzieher Dmitri Petrowitsch Tjulentschik in die Schkid kam. Zuerst konnten die Jungen nichts mit ihm anfangen, sie hielten ihn für streng und trocken. Zudem hinkte er — ein In der ersten Zeit bekam er wegen seines tänzelnden Ganges den Spitznamen „Ein Rubel zwanzig“. Doch als ihm die Jungen dann nähergekommen waren, und sie ihn liebten, nannten sie ihn nur noch Onkel Dima.
Tjulentschkik war ein stiller, etwas sentimentaler Ukrainer. Er liebte seine Heimat und sein Fach — die russische Sprache. An der Arbeit des „Junkom“ nahm er aktiven Anteil, und in kürzester Frist hatte der Literaturzirkel des „Junkom“ die meisten Mitglieder. Anfangs arbeiteten die Zirkelteilnehmer hinter verschlossenen Türen. Als sie sich aber zu einem leistungsfähigen Kollektiv zusammengefunden hatten, zeigten sie ihre Leistungen in der Schulöffentlichkeit. Der „Litzirkel“, wie sie ihn nannten, veranstaltete regelmäßig Versammlungen, auf denen die Zirkelteilnehmer aus ihren Werken vorlasen. Literarische Almanache erschienen. Ihnen folgten literarische Gerichtsverhandlungen über die Helden von klassischen Werken, und als Krönung des Ganzen gründete der Litzirkel des „Junkom“ einen eigenen Verlag und gab sich den Namen „Grüner Ring“. „Grüner Ring“ — das waren nicht bloß schöne Worte, sondern eine Allegorie für die Gemeinschaft — den Ring — der jungen, grünen Literaten. Und damit wurde Japs' alter Traum von einer guten Literaturzeitschrift endlich Wirklichkeit.
Der „Grüne Ring“ gab die umfangreiche literarischkünstlerische Monatszeitschrift „Die Argonauten“ heraus. Und wenig später erschien das erste Heft der Bibliothek „Grüner Ring“ mit einem Poem von Ljonka Pantelejew über die Blockade und den Hunger.
So begann dieses Poem, das Ljonka „Wir gegen sie“ genannt hatte. Dem ersten Heft folgten noch andere.
Die Jungkommunarden standen jetzt fest auf ihren Beinen. Im Zimmer des „Junkom“ war dauernd Hochbetrieb. In jeder der vier Ecken arbeitete ein Zirkel, und in der Mitte saßen die Leseratten am Tisch, die Nase ins Buch gesteckt. Und genau wie in jener dunklen Nacht, als die illegale kommunistische Organisation geboren wurde, konnte man hier Redefetzen hören — aber nicht mehr leise und unterdrückt, sondern laut und frei.
„Der zweite Kongreß der Komintern… im Jahre 1920… siebenund-dreißig Länder…
Und mit angehaltenem Atem lauschten die Zuhörer dem Lektor. 'Fein', sagte Jankel in solchen Augenblicken gerührt zu Ljonka, mit dem er vor kurzem 'Blutsbruderschaft im Bruch' geschlossen hatte. 'Fein', bestätigte Ljonka und ließ den Blick durch das blitzsaubere lustige Zimmer schweifen. 'Die Komintern… die Bedingungen für den Parteieintritt… Es darf keine Spaltung geben… Propaganda…'“
Neue Worte klangen auf und prägten sich den Jungkommunarden fest ein. In der Ecke stand die rote Fahne der Schule, und fröhlich leuchtete die gelbe Sonnenblume mit den beiden Anfangsbuchstaben des Schulnamens — das Wappen der Republik Schkid.
SODOM UND GOMORRHA
Anarchie Ostindischer Kaffee * Siwer Dolgoruki * Der erste Raubzug * Die Zecherei Barfuß im Ford * Zwei Jungkommunarden * Sodom und Gomorrha.
Vikniksor fuhr zu einem mehrwöchigen Kongreß für Sozialerziehung nach Moskau. Elanljum übernahm inzwischen die Regierung der Republik. Sie war ein willensstarker Mensch, aber eben eine Frau. Die Schkider begriffen die Situation und zogen ihre Konsequenzen. Sie schlugen über die Stränge. Eine Frau, meinten sie, könnte niemals den gleichen Respekt beanspruchen wie ein Mann. Sie würde auch nicht so durchgreifen wie Vikniksor. Das genügte, um außer Rand und Band zu geraten.
Anfangs gab es noch keinen richtigen Skandal. Nur die Disziplin lokkerte sich. Die Jungen gingen später zu Bett, kamen nicht rechtzeitig zum Essen und zum Unterricht und warfen den Erziehern häufiger als sonst Grobheiten an den Kopf. Doch bald erkannten einige, daß man aus dieser Situation einen Vorteil schlagen könne. Ihr Anstifter war Siwer Dolgoruki, der erst seit kurzer Zeit in der Schkid lebte. Nach Schkider Begriffen war er vornehmer Abstammung, nämlich der Sohn eines Künstlers. Aber sein ungehobeltes Benehmen hatte ihm in der Schkid den Spitznamen „Kutscher“ eingetragen. Kutscher stammte aus einer Intellektuellenfamilie — Eltern und Schwester waren, wie gesagt, Künstler. Da sie an ein ungebundenes Boheme-Dasein gewöhnt waren, hatten sie ihn schon als kleines Kind in ein Heim für Künstlerkinder gegeben. Dort war er bis zum Alter von neun Jahren geblieben. Schon damals kam seine Veranlagung zum Vorschein — er benahm sich flegelhaft und stahl. Daraufhin wurde er nach Zarskoje Selo versetzt, in ein Heim, das schon ein wenig primitiver war. Hier bestahl er hemmungslos, wen er konnte — die Vorgesetzten, die Angestellten und sogar seine Kameraden. Er besuchte das Gymnasium von Zarskoje Selo, war aber zu faul zum Lernen, fiel nur durch seine diebischen Talente auf und wurde schon aus der ersten Klasse hinausgejagt. Bald mußte er auch das Heim verlassen und wurde in eine Anstalt für Schwererziehbare gesteckt.
Das geschah bereits nach der Revolution. Zu dieser Zeit hatte Siwer Dolgoruki schon Vater, Mutter und Schwester für immer verloren. Der Vater war gestorben, Mutter und Schwester waren mit unbekanntem Ziel verreist und hatten ihn dabei in der Aufregung oder vielleicht auch absichtlich vergessen. Er wanderte von einem Heim für Schwererziehbare ins andere, flog aus jedem wegen Diebstahls wieder hinaus, schien dabei manchmal zur Besinnung zu kommen, wurde jedoch bald wieder rückfällig und mußte die Anstalt verlassen. Nach einem Aufenthalt im „Kloster“ kam er schließlich in die Schkid. Er galt als „hoffnungsloser Fall“, aber Vikniksor nahm ihn dennoch auf, weil er der Meinung war, man könne einen fünfzehnjährigen Burschen nicht als hoffnungslos bezeichnen. Übrigens wurde die Sache mit Dolgorukis Alter nie ganz geklärt. Er sagte zwar, er sei erst fünfzehn, aber er sah wie ein Achtzehnjähriger aus, und da seine Geburtspapiere verlorengegangen waren, konnte man seine Angaben nicht nachprüfen. Wahrscheinlich log er ein paar Jahre ab, wohl um vor den Gerichten möglichst lange als Minderjähriger zu gelten. Auf jeden Fall hatte er einen miserablen Ruf und begann gleich nach seinem Eintreffen in der Schkid zu randalieren und zu stehlen. Und als nun die Zeit der „Anarchie“ anbrach, verlor er die letzten Hemmungen. - Kutscher hatte mit Zigeuner „Blutsbrüderschaft im Bruch“ geschlossen. Zigeuner war für sein Alter recht gut entwickelt. Er freundete sich gern mit Jüngeren — besonders mit verrufenen Radaubrüdern — an, wohl weil er glaubte, er könne sie dadurch vor dem endgültigen Abgleiten bewahren, obgleich er keine moralische Standfestigkeit besaß. Der Verschlagenheit und Körperkraft Kutschers war er erst recht nicht gewachsen. So geriet er unter Kutschers Einfluß.