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„Freilich.“

„Oho, prima! Sogar eines zuviel!“

„Dann teilen wir es. Und die vollen Päckchen verstecken wir.“ „Los!“

„Teile es. Alle sind einverstanden.“

Das überzählige Päckchen wurde in zehn Teile zerfleddert. „Den Tabak schleunigst verstecken!“ befahl Zigeuner dann drohend. „Und reinen Mund halten. Kein Wort zu den Externen. Verstanden, Halunken? Und wer ertappt wird, soll sich rauswinden, ohne die anderen zu verpfeifen.“

„Klar. Quatsch nicht. Das wissen wir…“

Als der Erzieher an diesem Morgen in den Schlafraum kam, war er höchst überrascht, daß er niemanden mehr zu wecken brauchte. Die gesamte Mannschaft war bereits auf den Beinen. Väterchen lächelte zufrieden.

„Fein, Kinder!“ sagte er lobend. „Nett von euch, daß ihr heute gemeinsam aufgestanden seid.“

„Oho, Onkel Serjosha, wir können aber auch noch früher aufstehen.“ Zigeuner lachte mit schadenfrohem Gesicht. „Tüchtig, Kinder, tüchtig!“

„Na, Onkel Serjosha, so tüchtig sind wir nun auch wieder nicht.“ Inzwischen waren Jankel und Kossar wieder zur Vorratskammer gegangen.

Der Wirtschaftsleiter hatte noch nichts gemerkt. Mit dem gewohnten freundlichen Lächeln wog er die Lebensmittel ab. Er erkundigte sich dabei nach Schulneuigkeiten, sprach über das Wetter, über den beginnenden Frost und gab jedem der beiden Strolche ein Butterbrot. Jankel schwieg dazu, Kossar murmelte einen mürrischen Dank, aber beide atmeten erleichtert auf, als sie die Vorratskammer verlassen hatten.

Sie blieben hinter der Tür stehen und wechselten einen vielsagenden Blick. Dann schüttelte Jankel niedergeschlagen den Kopf. „Wir rasseln rein!“ zischelte er. „Glaub' ich auch“, knurrte Kossar.

Der Tag nahm seinen üblichen Verlauf. Dem Frühstück folgten die Unterrichtsstunden, dazwischen kamen die Pausen. Alles war wie immer. Höchstens, daß sich die Externen wunderten: Die Internatsschüler bettelten sie heute nicht um Kippen an, sondern rauchten in gelassenem Triumph ihre duftenden Selbstgedrehten. In der vierten Pause, kurz vor dem Mittagessen, wurde Jankel unruhig. Der Verlust konnte jeden Augenblick entdeckt werden, und sein Tabak lag immer noch unter seinem Kopfkissen. Die anderen, die ihre Beute bereits in Sicherheit gebracht hatten, schürten seine Aufregung.

Atemlos rannte er die Treppe hinauf in den Schlafraum, holte den Tabak hervor, blieb dann aber ratlos stehen.

Wo sollte er ihn verstecken? Hinter den Ofen werfen? Unmöglich — beim Reinemachen würde man ihn finden. Im Ofen? Da würde er verbrennen. Im Ofenrohr? Würde er in den Ofen rutschen. Jankel flitzte auf den Korridor, rannte zum Badezimmer und stürmte hinein. Erleichtert wollte er den Tabak unter die Badewanne schieben. Aber mit einem Fluch zog er die Hand zurück — jemand war ihm zuvorgekommen.

In panischer Erregung stürzte er in den leeren Saal, der als Abstellraum diente und mit Schulmöbeln vollgestellt war. Mit verzweifelter Entschlossenheit steckte er den Tabak unter ein beschädigtes Katheder. Nun konnte er endlich beruhigt sein. Während er die Treppe hinunterging, hörte er die Klingel schrillen. Das war das Zeichen zum Mittagessen. Er besann sich darauf, daß er ja Dienst hatte, und rannte Hals über Kopf in die Küche.

Zu seinem Amt gehörte es, zehn Achtelbrote zu schneiden — die Portionen für die Internatsschüler.

In der Schkid war das Mittagessen eine Art religiöser Zeremonie, deren Regeln sich jeder Neue erst einprägen mußte. Zuerst betraten die Internatsschüler den Eßraum. Schweigend setzten sie sich an ihren Tisch. An einem anderen Tisch nahmen die Externen Platz.

Eine Minute lang saßen alle wortlos da, die Hände auf den Rücken gelegt, und starrten aus hungrigen Augen auf die Tür, die zur Küche führte.

Dann erschien der Direktor, ein Heft in der Hand. Der zweite Akt — der Namensaufruf — begann.

Morgens und abends, beim Mittagessen und beim Abendbrot, wurden sämtliche Zöglinge aufgerufen, und jeder mußte antworten: „Hier!“ Er erhielt das Recht zum Essen erst dann, wenn sein Name abgehakt, wenn er also tatsächlich im Eßraum anwesend war und seine Lebensmittelzuteilung an die richtige Adresse kam. Danach brachte der Diensthabende die Achtelbrote auf einem Holztablett herein und legte jedem sein Stück hin. Anschließend erschien die schlitzäugige, blatternarbige Marta. Sie verteilte die ewige Hirsesuppe mit Heringsbrühe und die ewige Hirsegrütze — die Vorratskammer enthielt nichts als Hirse und Heringe. Die Margarine, mit der die Grütze gewürzt war, wurde zuweilen durch Seehundstran ersetzt.

Auf Vikniksors Signal begann ein allgemeines Schnaufen, Prusten und Schmatzen, das übrigens nicht allzulange dauerte, weil die Portionen an Suppe und Grütze dem Appetit der Schkider nicht entsprachen. Zum Schluß, als Nachtisch, hielt Vikniksor eine Rede. Er sprach von den letzten Ereignissen außerhalb der Schule, von seinen neuen Plänen und Maßnahmen, oder er berichtete nur, daß es ihm gelungen sei, einige Kubikmeter Holz für die Schule zu ergattern. Das wiederholte sich Punkt für Punkt auch an dem Tage, an dem Jankel Dienst hatte, nur daß Vikniksors Rede diesmal ethischen Fragen gewidmet war. Voller Zorn und Verachtung wetterte der Direktor über jene verantwortungslosen Schüler, die dem abscheulichen Laster der Gefräßigkeit frönten, die versuchten, ihre Portion schneller oder außerhalb der Reihe zu erhalten.

Die Rede ging zu Ende. Ob das Auditorium mit ihr einverstanden war, blieb unbekannt. Der Schulleiter war jedenfalls befriedigt. Er wollte gerade in sein Zimmer gehen, um sich seine Portion Heringsbrühe und Hirsegrütze einzuverleiben, als der Wirtschaftsleiter in das reibungslos durchgeführte Programm einbrach.

Er wankte zur Tür herein, trippelte mit zittrigen Greisenschritten auf den Direktor zu und redete leise auf ihn ein. Die Strolche witterten Unheil. Ihre Gesichter zogen sich in die Länge. Während die gute Hirsegrütze, die Nahrung der Soldaten und der Kinderheimzöglinge im und nach dem Bürgerkrieg, sonst in sie hineinrutschte, blieb sie jetzt in zehn Kehlen stecken und verlor jeden Geschmack. Es roch nach Pulver.

Lange redete der Wirtschaftsleiter — länger, als es den Schkidern paßte.

Zehn Augenpaare beobachteten, wie sich Vikniksors Gesicht allmählich veränderte. Zuerst schoben sich die Augenbrauen erstaunt in die Höhe, und die Nasenspitze senkte sich. Dann verzogen sich die schmalen Lippen zu einer entrüsteten Grimasse. Der Zwicker erzitterte gramvoll auf dem Nasenrücken, und die Nasenspitze rötete sich. Schließlich stand Vikniksor auf.

„Kinder!“ sagte er. „Bei uns ist eine große Gemeinheit passiert.“ Sorglos studierten die Externen sein zornglühendes Gesicht. Sie erwarteten, als zweiten Nachtisch eine Zusatzrede zu hören. Den Internatsschülern dagegen erbebte das Herz und stockte der Atem. „In unserer Schule ist ein Diebstahl begangen worden. Einige Kanaillen haben aus dem Vorzimmer des Wirtschaftsleiters elf Tabak-päckchen, die für die Erzieher bestimmt waren, gestohlen. Jungen, ich wiederhole: Das ist eine Gemeinheit. Wenn die Schuldigen in einer halben Stunde nicht gefunden sind, werde ich entsprechende Maßnahmen ergreifen. Merkt euch das!“

Es war die kürzeste und inhaltsreichste Rede, die Vikniksor seit Gründung der Schkid gehalten hatte, und die erste, die einen gewaltigen Sturm entfesselte.

Seinen Worten folgte allgemeine Entrüstung. Besonders empört zeigten sich die Externen, für die das alles eine Überraschung war. Den Internatsschülern blieb nichts anderes übrig, als in die Entrüstung einzustimmen.

Der Sturm pflanzte sich aus dem Eßraum in die Klassenzimmer fort, aber die halbe Stunde verstrich, ohne daß die Diebe gefunden wurden. Folglich traten automatisch die „Maßnahmen“ des Direktors in Kraft, und sie offenbarten sich sehr bald.

Nach Unterrichtsschluß wurden den Internatsschülern die Mäntel weggenommen. Das bedeutete Ausgehverbot. Ein schwerer Schlag!