„Ja, wieder folglich… Folglich muß man die Zeitung 'Junkom' entweder sausen lassen oder noch eine herausgeben. Was machst du dir Gedanken? Du schaffst doch beide. Und wir brauchen unbedingt ein neues Presseorgan.“
„Ja, du hast recht.“
Am Abend saßen beide in der Klasse, abseits von den anderen, und schrieben wie wild.
Niemand achtete auf die still in der Ecke hockenden Blutsbrüder. Nur Japs, der ihren Charakter kannte, wurde unruhig. Er witterte Unheil. Mehrfach versuchte er herauszubekommen, was die Opposition im Schilde führte, aber vergebens. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als abzuwarten und seine Gesinnungsgenossen vorsorglich zu warnen.
„Falls etwas Besonderes passieren sollte, müssen wir das schädliche Element nach revolutionärer Taktik mit der Wurzel ausrotten.“
„Klar!“ piepste Falke.
„Richtig!“ bestätigte auch Sascha. Dann runzelte er die Stirn und fügte zögernd hinzu: „Aber schade ist es, Japs, es sind tüchtige Burschen.“
„Kann sein, aber wenn sie uns stören, müssen wir sie unschädlich machen“, beharrte Japs finster, und seine kleine Gestalt sprühte vor so viel Entschlossenheit, daß Sascha trotz seiner Sympathie für die beiden Aufrührer nicht mehr die Kraft zu einem ernsthaften Protest aufbrachte.
Am nächsten Morgen erschien die neue Zeitung „Der Tag“. In ihrem Leitartikel wurde mitgeteilt, daß sie nicht regelmäßig herauskommen würde, sondern nur dann, wenn genügend Material vorhanden sei. Dennoch würde sie ihre Linie genau einhalten. Jeder könne die Schulmaßnahmen im „Tag“ erörtern oder kritisieren.
„Alle sollen sich in unserer Zeitung frei äußern“, hieß es nachdrücklich im Leitartikel. „Der 'Tag' wird alles beobachten und kommentieren.“ Darunter stand ein Artikel, dessen Inhalt den gesamten „Junkom“ in helle Aufregung versetzte. Er enthielt mehrere scharfe Angriffe gegen die Führung des „Junkom“. Überhaupt war die ganze Nummer mit geringen Ausnahmen dem „Junkom“ gewidmet, selbst die Karikatur. Sie verspottete die Manie des „Junkom“-Sekretärs, Protokolle zu schreiben. Sie stellte Sascha Pylnikow dar, der in einer Hand eine Zigarette, in der anderen einen Packen Protokolle hält und sich fragt: „Was ist schädlicher — das Rauchen oder das Protokollschreiben?“
Diese Schärfe des oppositionellen Angriffs empörte den „Junkom“, besonders das „Baby“ Sascha, der sich schrecklich ärgerte. Am unerhörtesten fand die Zelle, daß unter der Zeitung stand: „Redakteur Pantelejew, Herausgeber Tschornych.“ Das war eine offene Herausforderung.
Noch niemals waren Mitglieder des „Junkom“ gegen ihr Kollektiv aufgetreten, deshalb war die Überraschung desto größer. Die Jungkommunarden beschlossen, ein erweitertes Plenum einzuberufen. Angesichts der Wichtigkeit der Frage mußte der Arbeitssamstag abgesagt werden. Eine heftige Auseinandersetzung stand bevor. „Seht euch vor, Jungens, haltet den Nacken steif!“ mahnte Japs aufgeregt, als sich die gewählten Delegierten versammelt hatten. „Unser Vorbild ist der Komsomol. Wir müssen bolschewistisch entscheiden. Entweder dafür oder dagegen. Damit basta.“
Das Plenum war bereits vollzählig. Es bestand aus sieben Personen. Nur Ljonka und Jankel fehlten noch. Man ließ sie rufen. Kurz darauf kamen sie mit finsteren Gesichtern ins Zimmer und setzten sich. Japs eröffnete die Sitzung und nahm das Wort.
„Genossen! Wir waren heute überraschend gezwungen, eine Sitzung einzuberufen, weil zwei Genossen aus dem ZK ohne unser Einverständnis die Zeitung 'Der Tag' herausgegeben haben. Diese Zeitung hat offensichtlich das Ziel, die Autorität des 'Junkom' zu untergraben. Dadurch wurde eine sehr gefährliche Situation geschaffen. Wir wollen offen miteinander reden. Der 'Tag' könnte unsere Organisation zersetzen-wenn auch nicht ganz, so doch zur Hälfte — denn, ich muß das wiederholen, es sind Jungkommunarden, Mitglieder des ZK, die sich gegen den Junkom' wenden. Wir wissen natürlich, was Ljonka und Jankel für ZK-Mitglieder sind, wir haben ihre heiteren Orgien mit Kutscher nicht vergessen, aber die Massen wissen es nicht. Die Massen werden ihnen glauben, denn die Presse ist ein äußerst wirksames Kampfmittel, und wir müssen Jankel und Ljonka zugestehen, daß sie die begabtesten Journalisten der Schkid sind.“ Japs hielt inne, um die Wirkung seiner Worte festzustellen. Er erkannte, daß die Situation hoffnungslos war. Seine Schmeichelei hatte nicht gefruchtet. Die Blutsbrüder dachten offensichtlich nicht daran, zu Kreuze zu kriechen. Sie saßen gelassen da und beobachteten ihre Gegner mit dreisten Augen.
Da holte Japs zum Schlage aus.
Also, Genossen!
„Jungeiis, wir müssen eine klare Entscheidung herbeiführen. Entweder lassen Jankel und Ljonka sofort ihre Zeitung eingehen und geben die nächste Nummer der Zeitung 'Junkom' heraus, in der sie sich öffentlich zu ihren Fehlern äußern, oder…“
„Was heißt — oder?“ forschte Jankel mit eisiger Wut. „Oder wir sind gezwungen, die Vergangenheit der ZK-Mitglieder aufzudecken, sie von ihrem Posten abzusetzen und sie mindestens für einen Monat aus dem 'Junkom' auszuschließen. Wir müssen unbedingte Disziplin halten.“
„Na, dann haltet sie doch, Leute!“ schrie Jankel außer sich. „Wir lassen den 'Tag' nicht eingehen, im Gegenteil, wir werden ihn jetzt zu einer Tageszeitung machen. Wiedersehn!“
Die Tür knallte hinter den Blutsbrüdern zu. Der „Junkom“ setzte den Ausschluß Jankels und Ljonkas sofort auf die Tagesordnung, stimmte darüber ab und beschloß ihn. Anschließend wurde ein neues Redaktionskollegium gewählt und beauftragt, eine Sondernummer des „Junkom“ mit einer Polemik herauszugeben. Spatz sollte Herausgeber, Sascha Pylnikow Redakteur der Zeitung werden. Als die Versammlung beendet war und die Jungkommunarden den Raum verlassen hatten, setzte sich das neue Redaktionskollegium sofort an die Arbeit, und am nächsten Tage kam die Zeitung „Junkom“ mit Ach und Krach heraus. Zwei Wochen lang beobachtete die Republik Schkid in fiebernder Erregung den Kampf der beiden Richtungen. Der „Junkom“ stützte sich dabei auf seine schon früher errungene Autorität; die Blutsbrüder hatten die Technik, die journalistische Begabung und die Sympathie der Jungen, denen Japs und seine Gruppe den Eintritt in den „Junkom“ verwehrt hatten, auf ihrer Seite.
Nach dem Erscheinen der neuen Nummer des „Junkom“ schlugen Jankel und Ljonka ein wildes Tempo an. Der „Tag“ erschien zuerst einmal täglich und bekam in der Folge außerdem noch eine Abendausgabe.
Die neue „Junkom“ reagierte allzu schleppend und schwach, um es mit einer Zeitung aufnehmen zu können, die im Umsehen Popularität und weite Verbreitung errang. Die Situation der Zelle wurde immer schwieriger. Langsam, aber beharrlich prägte der „Tag“ den Schkidern ein, die Linie des „Junkom“ sei falsch. Der „Junkom“ selbst konnte die Angriffe der Opposition nur auf den Versammlungen abwehren, denn seine Zeitung hatte nicht die Kraft, es mit dem Presseorgan der Blutsbrüder aufzunehmen. Die Massen wurden mißtrauisch, sie verließen den „Junkom“, und nur der Lesesaal half dem „Junkom“ abends, gegen Ljonka und Jankel zu kämpfen. Doch auch das hing an einem seidenen Faden. Die Jungkommunarden wußten genau, daß drei Viertel aller Bücher im Lesesaal der Opposition gehörten. Früher oder später würden die Blutsbrüder den Lesesaal sprengen. Das geschah auch. Eines Abends kamen Jankel und Ljonka zum „Junkom“. Im Lesesaal war Hochbetrieb. Dutzende von Schkidern saßen an den Tischen und betrachteten die Bilder in Zeitschriften und Büchern. Jankel blieb an der Tür stehen. Ljonka ging zu Japs hin. „Dürfen wir unsere Bücher nehmen?“ fragte er mit makelloser Korrektheit. Japs erblaßte.
Er hatte das schon lange erwartet, aber nun bekam er doch einen Schreck. Die Auflösung des Lesesaales nahm dem „Junkom“ die letzte Möglichkeit, die Massen heranzuziehen und zu halten. Doch er mußte die Bücher herausgeben.