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„Guck, hier sind viele leere Seiten. Du gehst zu Vikniksor, zeigst ihm das Buch…“

„Vikniksor zeigen? Hast du 'n Knall?“

„Halt die Schnauze… zeigst es Vikniksor und bittest ihn um die Erlaubnis, dies 'nutzlose Gerumpel' für die Zeitung benutzen zu können.“

Jankel überlegte. Dann strahlte er. „Kapiert!“

Kurz darauf kam Vikniksor in die Klasse. Er unterhielt sich mit den Jungen, versprach einem eine Eintragung in die „Chronik“ und befahl einem anderen, seinen Mantel in der Kleiderkammer abzugeben. Als er die Klasse verlassen wollte, trat Jankel auf ihn zu. „Viktor Nikolajewitsch“, stieß er verlegen hervor. „Ich hab' eine Bitte an Sie.“

„Um was handelt es sich?“ Jankel zeigte das Buch vor.

„Hier… das ist ein 'Gesetzbuch des Russischen Imperiums'. In der Bibliothek hab' ich solche alten Bücher gefunden, die jetzt niemand mehr braucht. Darf ich sie zum Zeichnen nehmen? Es sind mehrere.“ „Hm… Zum Zeichnen, sagst du? Nimm sie dir nur. Der alte Kram ist tatsächlich zu nichts mehr nütze.“

Kaum hatte Vikniksor die Klasse verlassen, als Jankel und Ljonka in die Bibliothek stürzten, ein Dutzend Bücher vom Regal nahmen und sie zum Ausgang schleppten.

„Wohin, Jungem?“ rief Maria Fjodorowna.

„In die Klasse“, sagte Jankel nachlässig. „Viktor Nikolajewitsch hat es uns erlaubt.“

Erstaunt sah ihnen die Erzieherin nach. Abends erkundigte sie sich bei Vikniksor, der ihr Jankels Worte bestätigte. Innerhalb einer Woche schleppten Jankel und Ljonka etwa zehn Pud Papier aus der Bibliothek in den Hof und verstauten es unter der Treppe des Seitenflügels.

Als sie schließlich fanden, daß sie genügend beisammen hatten, stellten sie den „ehrlichen Raub“ ein und überlegten, wie sie die Last auf den Pokrowker Trödelmarkt transportieren sollten. „Mieten wir uns ein paar Jungens“, schlug Ljonka vor.

Sie suchten sich in den unteren Klassen ein paar Jungen, die bereit waren, gegen ein kleines Entgelt das Papier auf den Markt zu tragen.

Die Bürger, die an diesem Abend die Alt-Petershofer Allee passierten, wichen entsetzt beiseite, als sie einen Zug von Jungen erblickten, die gelassen auf den kahlgeschorenen Köpfen Papierpacken trugen.

„Himmel!“ rief einer. „Sind das etwa Neger? Eine Sklavenkarawane mit Elfenbein?“

„Keine Sorge!“ versetzte Jankel äußerst würdevoll. „Das sind keine Neger. Neger haben schwarze Gesichter, diese Genossen sehen jedoch ganz normal aus.“

„Nur keine Panik!“ ergänzte Ljonka.

Das sind keine Neger.

Er und Jankel marschierten an der Spitze der Karawane und nahmen zuweilen einem erschöpften „Sklaven“ hilfreich die Last ab.

Ohne besondere Zwischenfälle erreichte die Karawane den Pokrowker Markt. Dort befahlen die „Lastenbesitzer“ ihren „Sklaven“, das Papier auf der Kirchenmauer abzuladen und es „scharf im Auge“ zu behalten, während sie sich auf die Suche nach Käufern machten. Die fanden sich sehr schnell. Sara Solomonowna kaufte drei Pud, die anderen sieben wurden im Umsehen bei den Fleischständen des Marktes losgeschlagen. Eine so große Summe — zweihundertsechzig „Eier“ — hatten die Blutsbrüder noch niemals in der Hand gehabt. Davon verteilten sie sechzig Eier großzügig an ihre Lastträger und entließen sie. Nun mußten sie noch T scherwonzen kaufen.

Sie gingen zu den Valutahändlern, die zu jener Zeit alle Ein-und Ausgänge des Marktes buchstäblich versperrten. Der Tscherwonzenkurs stand gerade eins zu achtzig Millionen Papierrubel. Sie erstanden also zwei Tscherwonzen — zwei kostbare weiße Scheine. Das übrige Geld verjubelten sie noch am gleichen Tage — sie gingen ins Kino und kauften sich Zigaretten, Wurst und Brot. Die beiden Tscherwonzen wurden einstweilen an einem sicheren Ort „gehortet“. Die „Idee“ konnte nun zu jeder Zeit verwirklicht werden.

DIE AUFFUHRUNG

Oktober in der Schkid * „Die belagerte Stadt“ * Zehn amerikanische Decken * Grabkränze Die letzte Probe * Die Aufführung * Eine Spionin in Hosen * Das Abendessen.

Dutzende von jungen Kehlen stöhnten, brüllten, kreischten, daß der Eßraum erbebte.

„Wir wollen die Gäste bewirten!“

„Wir zweigen was von unserer Zuteilung ab!“

„Natürlich müssen die Gäste zu essen kriegen!“

Es war ein begeisterter, einträchtiger, leidenschaftlicher Krach. Schließlich hob Vikniksor die Hand, und Stille trat ein.

„Es ist also beschlossen, Jungens — alle Gäste bekommen zu essen.

Was, das wird eine Sonderkommission entscheiden. Wir müssen einen Teil eurer Lebensmittelzuteilung zur Bewirtung verwenden, aber wir wollen uns bemühen, daß ihr dabei keinen Schaden erleidet. Ihr seid also samt und sonders mit der Abgabe eurer Portionen einverstanden?“

„Jawohl!“

„Einverstanden!“

„Die Gäste müssen bewirtet werden!“

Wieder stöhnte, brüllte, kreischte der Eßraum durcheinander, daß die Wände wackelten.

Es war in den Tagen vor den Feiern zur Großen Oktoberrevolution. Die Republik Schkid hatte beschlossen, das Fest mit großem Pomp zu begehen und zu diesem Zweck ein Theaterstück aufzuführen. Im Gegensatz zu anderen Schulen sollten die Gäste — die Eltern und Bekannten — mit einem üppigen Abendessen bewirtet werden. Deshalb brüllte die Republik so leidenschaftlich, als sie sich zur Erörterung dieser wichtigen Frage im Eßraum versammelt hatte.

„Wir geben unsere Portionen ab! Na klar!“ wurde von allen Seiten geschrien — so einträchtig und aufrichtig, daß Vikniksor ohne Widerspruch einwilligte.

Die Festvorbereitungen elektrisierten die Schkid. Noch war im Eßraum der Versammlungslärm nicht verklungen, als sich schon im Weißen Saal die Teilnehmer an der Aufführung, die am nächsten Tage stattfinden sollte, versammelten.

Eine letzte Probe war unbedingt notwendig, denn das Stück klappte überhaupt noch nicht. „Die belagerte Stadt“ sollte gespielt werden — ein bühnenwirksames Schauspiel mit vielen Teilnehmern. Natürlich war es gekürzt und stark bearbeitet worden. Aus sieben Akten hatte man drei gemacht, die auch nur mit Mühe in die von Vikniksor genehmigten vierzig Minuten gepreßt werden konnten. „Verdammt! Sascha! Du bist doch 'ne Spionin, 'ne Frau. Du wirst ein Kleid anhaben. Lauf doch nicht rum wie ein Stromer, mit den Händen in den Hosentaschen!“ Chefregisseur Japs riß die Geduld. Sascha fing seine Rolle noch mal an. Er piepste mit leiser Frauenstimme, fuchtelte ganz sinnlos mit den langen roten Armen, und Japs gab die Hoffnung allmählich auf.

„Sascha, du bist ein Idiot“, knurrte er und sank kraftlos auf den nächsten Schemel. Das kränkte Sascha ernsthaft. Er hörte auf zu piepsen und grölte: „Gen zum Teufel! Spiel doch selbst, wenn du magst!“ Japs blieb nichts anderes übrig, als sich zu entschuldigen, denn wenn Sascha die Rolle hinschmiß, platzte die ganze Aufführung. Die unterbrochene Probe ging weiter. „He, noch mal die erste Szene! Die Verschwörung der Weißen.“ Neue Schauspieler rannten auf die Bühne und ließen sich dort nieder. Hinter den Kulissen hantierte Ljonka herum. Er war der Inspizient. Zu seinen Pflichten gehörten die Beleuchtungseffekte. Wie man jedoch mit drei lächerlichen Glühbirnen Effekte erzielen soll — das ist eine komplizierte Frage. Erstmal zog Ljonka Drähte über die Bühne. Die Schauspieler stolperten darüber und fluchten. „Was für ein Affe hat hier Drähte gelegt?“

„Nimm sie weg!“

„Das ist ja der reinste Drahtverhau!“ Japs beruhigte die Schauspieler.

„Die Drähte müssen gezogen werden, Jungens, anders geht es nicht.“ Er warf dem über einen Kabelhaufen gebeugten Ljonka einen kameradschaftlichen Blick zu. Er freute sich über ihn. Jankel und Ljonka, die Blutsbrüder, waren wieder Jungkommunarden. Ins ZK wurden sie zwar noch nicht gewählt, aber sie sahen ihre Schuld ein. „Wir haben uns verkehrt benommen, Jungens, wir waren richtige Radaubrüder.“ Diese Worte fielen offen auf einer ZK-Sitzung. Japs vergaß sie nicht, ebensowenig wie die Tatsache, daß auch er einen Fehler zugeben mußte: In der Frage der Mitgliedschaft wurde ein Kompromiß geschlossen — von nun an sollte jeder in den „Junkom“ aufgenommen werden, für den sich mindestens ein ZK-Mitglied verbürgte.