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Die Alten gingen, und Neue kamen. Zwar wurde die vierte Klasse nicht wieder aufgefüllt, aber die Jüngeren nahmen beinahe täglich Neue in Empfang. Sie kamen aus dem „Kloster“, aus Heimen für normale Kinder oder als Verwahrloste direkt von der Straße. Die alten Schkider verließen die Schule. Nur ihre Traditionen blieben zurück.

Im Mai bestand Kaufmann — nun hieß er wieder Offenbach — sein Aufnahmeexamen an der Armeeschule. Die militärische Laufbahn hatte den Schkider Goliath schon während seines Aufenthaltes im Kadettenkorps angezogen. Bei diesem Wunsch war es geblieben, und jetzt war er überglücklich, in der Roten Armee dienen zu können. Zwei Wochen nach seiner Entlassung aus der Schkid kam er noch einmal zurück. Er trug einen Helm und einen neuen Militärmantel mit hellblauen Aufschlägen. „Ich bin in den Komsomol aufgenommen!“ erklärte er mit strahlendem Lächeln. „Als Kandidat.“

Sein Stiergesicht glänzte vor Freude. Auch späterhin besuchte er die Schule häufig.

Im Mai traf auch ein Brief von Zigeuner ein:

Liebe Genossen — Japs, Jankel, Ljonka, Spatz, Falke und so weiter und so weiter!

Endlich raffe ich mich auf, um Euch zu schreiben. Oft denke ich an Euch und an die Schule, aber Ihr habt nicht recht, Ihr Teufel, wenn Ihr glaubt, daß ich unglücklich bin. Ich bin glücklich, Genossen, kann mir gar nichts Besseres wünschen und war dumm, als ich damals auf dem Bahnhof und im Zug heulte. Vikniksor hat gut daran getan, daß er mich hierher schickte. Grüßt ihn von mir und sagt ihm, daß ich von seinem Talent, das Leben einzuschätzen und den richtigen Weg für uns zu bestimmen, begeistert bin.

Wahrscheinlich wundert Ihr Euch, daß ich glücklich bin, und fragt, was mir hier so gut gefällt? Das ist eine lange Geschichte, und ich fürchte auch, Ihr werdet nicht die Bohne begreifen, denn ich kann auch nicht alles haarklein erzählen. Die ersten beiden Monate im Technikum waren für mich tatsächlich eine Qual. Aber ich kriegte so viel zu tun, daß ich keine Zeit zum Grübeln fand. Und je näher der Frühling kam, um so mehr hieß es schuften. Das machte mir Spaß, und ich merkte dabei nicht, daß ich die Landwirtschaft, das Bauernleben, lieben lernte. Ihr wundert Euch? Wenn ich mal Zeit habe, wundere ich mich auch. Genausosehr, wie ich früher die Landwirtschaft haßte, liebe ich jetzt die Kornschwingen, die Dreschmaschinen, die Zuchtkühe und unsere kleine meteorologische Station. Augenblicklich säen wir gerade Sommergetreide. Da ich im ersten Lehrjahr bin, arbeite ich noch nicht auf dem Feld, sondern im Speicher — Korn sortieren. Diese Arbeit macht mir riesigen Spaß und ist gar nicht langweilig. Ich mag sogar den Duft des Weizenstaubs, des gedüngten Feldes und der gekochten Milch… Neulich hab' ich in der Molkerei gearbeitet. Das war zum erstenmal eine verantwortliche Aufgabe. Ich bin nicht damit fertig geworden, die Butter taugte nichts. Die ganze Nacht hab' ich durchgeheult. Ihr glaubt wohl, ich bin bestraft worden? Nein, ich war bloß unglücklich, weil ich die Sache, die ich so gern habe, schlecht gemacht hatte. Und etwas anderes freut mich auch noch — das ist das Studium.

Ich dachte vorher nicht, daß es hier außer Schweinepflege noch etwas anderes gibt. Und doch kann ich hier, besonders im Winter, meine Allgemeinbildung vervollständigen und Bücher lesen, soviel ich mag.

Nun möchte ich Euch von dem Wichtigsten erzählen. Ich will es so delikat wie möglich ausdrücken. Mitbürger Hooliganiens, Euer Freund und Klassenkamerad Kolka, der Zigeuner, hat das Stehlen verlernt! Zwar reizte mich diese Beschäftigung in der Schkid auch nicht mehr allzusehr — in der letzten Zeit —, aber wenn es der Zufall ergab, drehte ich doch noch ungesetzliche Dinger. Jetzt wird mich nichts mehr zum Stehlen veranlassen. Ich fühle das, und ich glaube, daß ich mich nicht irre. Ich will einmal Rückschau halten. Vor vier Jahren trieb ich mich am Wjasemsker Kloster herum, und stand Schmiere bei richtigen Verbrechern. Damals war es mein Lebensziel, ein gewiefter Taschendieb oder Einbrecher zu werden. Niemals glaubte ich, daß sich das ändern würde. Und jetzt kann ich meine Vergangenheit nicht mehr verstehen, nun begreife ich nicht, wie ich einmal unter dem Verdacht, ein krummes Ding gedreht zu haben, ins „Kloster“ und dann in die Schkid kam. Ihr, der Schkid, verdanke ich meine Gegenwart und Zukunft.

Ich wurde in den Komsomol aufgenommen und bin nach einer halbjährigen Kandidatenzeit jetzt richtiges Mitglied. Ich habe schon eine Funktion — ich bin Instrukteur eines Sportzirkels. Um meine Zukunft ist mir also nicht bange — böse Zeiten liegen nicht vor mir.

Aber jetzt habe ich wohl genug von mir berichtet. Ochse und der Gewissenlose haben sich innerlich und äußerlich ebenfalls sehr verändert. Der Gewissenlose ist dick geworden — Ihr würdet ihn kaum wiedererkennen — und Ochse auch, dabei war er doch schon fett genug. Hier hat er übrigens den Spitznamen „Zuchtochse“.

Kutscher ist nicht mehr im Technikum. Stellt Euch vor, er hat technische Talente entwickelt. Er wurde nach Petrograd versetzt, in eine Fabrik- oder Gewerkschaftsschule, ich weiß es nicht genau. Ich bin froh, daß er weg ist. Er ist der einzige Mensch auf der Welt, den ich verabscheue.

In unserem Technikum studieren nicht nur Jungen, sondern auch Mädchen. Ich gehe mit einer. Sie ist sehr hübsch und sehr gescheit. Ich glaube, sie wird bestimmt meine Lebensgefährtin. Lacht mich nicht aus, Jungens, aber es ist unser Traum, Hand in Hand der Gesellschaft zu dienen, insbesondere dem sowjetischen Dorf.

Ich weiß gar nicht, ob alle, die ich in meinem Brief angeredet habe, noch in der Schkid sind. Erzählt mir, wie es bei Euch aussieht. Was macht Ihr? Was gibt es Neues?

Ich verbleibe als alter Schkider, als Genösse, der Euch nicht vergessen hat,

Euer Kolka, der Zigeuner.

Gleichzeitig traf ein Schreiben von Jankel und Ljonka ein. Sie berichteten aus Charkow, daß sie als Korrespondenten einer Filmzeitschrift jetzt eine Reise durch südliche Gouvernements machen würden. Sie schickten nur eine Postkarte mit wenigen Worten, die aber vor Jugend und Lebensfreude sprühten.

Im Juni tagte das Plenum des „Junkom“. Es umfaßte in jener Zeit dreißig Mitglieder.

„Genossen!“ sagte Japs in seiner Rede. „Ich spreche im Namen der Gründer unserer Organisation, im Namen des Zentralkomitees. Das Komitee hat drei Mitglieder verloren, nur Jelchowski und ich sind zurückgeblieben. Bald scheiden wir ebenfalls aus. Deshalb schlage ich vor, ein neues ZK zu bilden.“ Sein Vorschlag wurde angenommen. Die Jungkommunarden wählten ein neues ZK, das sie von nun an „Büro“ nannten. Der neue Vorsitzende war Starolinski — der Nackte Herr.

Anfang Juli bildete die Schkid mit Genehmigung der Abteilung Volksbildung und der Bezirksleitung des Komsomol eine Zelle Junger Pioniere. Sie bestand anfangs nur aus sechs Mitgliedern — den zuverlässigsten Jungen aus den Reihen der jüngeren Schüler. Im August verließen Happen und Sascha Pylnikow die Schule. Happen ging zu seiner Mutter. Sascha legte im Pädagogischen Institut das Aufnahmeexamen ab. Japs war der letzte, der ging.

Er hatte versucht, zusammen mit Sascha ins Pädagogische Institut zu kommen, war jedoch wegen seiner kleinen Statur abgelehnt worden. Aber schließlich fand er eine Stellung als Klubleiter in einer Milizabteilung und verließ die Schkid.

So zerstreute sich die vierte Abteilung — die älteste der Schule — in alle Winde, und Neulinge besetzten die verwaisten Plätze. Das war neues Rohmaterial für die Schkid. Der Umerziehungsprozeß konnte wieder beginnen.