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Klotho: [Alles in Ordnung?]

Ralph: [» Uns geht es gut. Lois hat mich hochgezogen. Sie hat mir das Leben gerettet.«]

Lachesis: [Ja, wir haben sie reingehen sehen. Das war sehr tapfer.] Und ziemlich verwirrend, Mr. L. was? dachte Ralph. Sie haben es gesehen, und Sie bewundern es… aber ich glaube, Sie haben keine Ahnung, wie und warum sie es über sich bringen konnte. Ich glaube, für Sie und Ihren Freund muß das Konzept von Rettung fast so fremd sein wie die Vorstellung von Liebe.

Zum erstenmal verspürte Ralph eine Art Mitleid mit den kleinen kahlköpfigen Ärzten und begriff die zentrale Ironie ihres Lebens: Sie waren sich bewußt, daß die Kurzfristigen, deren Existenz zu beschneiden sie gesandt waren, ein mächtiges inneres Leben führten, aber sie begriffen die Wirklichkeit dieses Innenlebens nicht im geringsten, die Emotionen, die sie antrieben oder die Taten - manchmal edel, manchmal närrisch -, die daraus resultierten. Mr. K. und Mr. L. hatten ihre kurzfristigen Aufträge so gründlich studiert wie gewisse reiche, aber ängstliche Engländer die Karten, die Forscher der viktorianischen Zeit von Expeditionen mitbrachten; Forscher, die in vielen Fällen von denselben reichen, aber ängstlichen Männern finanziert worden waren. Mit manikürten Nägeln und sanften Fingern hatten diese Philanthropen papierne Flüsse nachgezogen, auf denen sie nie fahren würden, und papierne Dschungel durchquert, in die sie nie einen Fuß setzen würden. Sie lebten in ängstlicher Verunsicherung und taten sie als Phantasie ab.

Klotho und Lachesis hatten ihn und Lois rekrutiert und sie mit einer gewissen groben Effektivität benützt, aber sie begriffen weder die Freude des Risikos noch die Traurigkeit des Verlusts

- in Sachen Gefühle hatten sie nichts weiter zustande gebracht als nagende Angst, er und Lois könnten versuchen, den gehätschelten Chemiker des Scharlachroten Königs direkt anzugreifen, ind für ihre Bemühungen zerquetscht werden wie ein paar alte Fliegen. Die kleinen kahlköpfigen Ärzte lebten lang, aber Ralph vermutete, daß sie trotz ihrer wie Libellen schillernden Auren ein graues Leben führten. Er betrachtete ihre glatten, seltsam kindlichen Gesichter aus dem sicheren Hafen von Lois’ Armen und erinnerte sich, welch schreckliche Angst er vor ihnen gehabt hatte, als er sie zum erstenmal in den frühen Morgenstunden aus May Lochers Haus hatte kommen sehen. Angst, hatte er seither festgestellt, überlebte bloße Bekanntschaft nicht, geschweige denn Wissen, und von beidem besaß er nun ein bißchen.

Klotho und Lachesis erwiderten seinen Blick mit einem Unbehagen, das Ralph keineswegs zerstreuen wollte. Irgendwie kam es ihm äußerst gerecht vor, daß sie das empfanden, was sie jetzt empfanden.

Ralph: [»Ja, sie ist sehr tapfer, und ich liebe sie sehr, und ich denke, wir werden einander sehr glücklich machen bis -«]

Er verstummte plötzlich, und Lois beugte sich in seinen Armen. Er stellte mit einer Mischung aus Heiterkeit und Erleichterung fest, daß sie halb eingeschlafen war.

[»Bis wann, Ralph?«]

[»Bis wann du willst. Ich glaube, wenn man ein Kurzfristiger ist, gibt es immer ein Eis, aber vielleicht ist das ganz gut so.«]

Lachesis: [Nun, ich denke, jetzt heißt es Abschied nehmen.]

Ralph mußte unwillkürlich grinsen und dachte an die Hörspielserie um den Lone Ranger, wo fast jede Episode mit einer Version dieses Satzes zu Ende gegangen war. Er streckte die Hand nach Lachesis aus und nahm mit galligem Vergnügen zur Kenntnis, daß der kleine Mann vor ihm zurückzuckte.

Ralph: [»Moment mal… nicht so hastig, Freunde.«]

Klotho, mit einer Spur Unbehagen: [Stimmt etwas nicht?]

[»Das glaube ich nicht, aber nachdem ich Schläge auf den Kopf und in die Rippen bekommen habe und fast bei lebendigem Leibe geröstet wurde, wollte ich mich eben vergewissern, daß es vorbei ist. Ist es das? Ist euer Junge in Sicherheit?«]_

Klotho, lächelnd und eindeutig erleichtert: [Ja. Können Sie es nicht spüren? In achtzehn Jahren, kurz vor sänem Tod, wird der Junge das Leben von zwei Männern retten, die sonst sterben würden… aber einer der Männer darf nicht sterben, wenn das Gleichgewicht zwischen dem Plan und dem Zufall erhalten bleiben soll]

Lois: [»Vergeßt das alles. Ich will nur wissen, ob wir jetzt wieder ganz normale Kurzfristige sein können.«]

Lachesis: [Das können Sie nicht nur, Lois, das müssen Sie. Wenn Sie und Ralph noch lange hier oben bleiben würden, könnten Sie nicht mehr zurückkehren!

Ralph spürte, wie sich Lois dichter an ihn schmiegte.

[»Das würde mir nicht gefallen.«]

Klotho und Lachesis drehten sich zueinander um und wechselten einen kurzen, verblüfften Blick - wie konnte es jemand hier oben nicht gefallen? -, bevor sie sich wieder an Ralph und Lois wandten.

Lachesis: [Wir müssen wirklich gehen. Es tut mir leid, aber -]

Ralph: [»Immer mit der Ruhe, Freunde - noch werdet ihr nirgendwohin gehen.«]

Sie sahen ihn ängstlich an, während Ralph langsam den Ärmel seines Pullovers hinaufschob - auf dem Ärmel war eine Flüssigkeit angetrocknet, möglicherweise Laich vom Katzenwels, über die er lieber nicht eingehender nachdenken wollte - und ihnen die weiße, knotige Narbe auf seinem Unterarm zeigte.

[»Laßt die konsternierten Mienen, Freunde. Ich wollte euch nur daran erinnern, daß ihr mir euer Wort gegeben habt. Vergeßt es nicht.«]

Klotho, eindeutig erleichtert: [Sie können sich darauf verlassen, Ralph. Was Ihre Waffe war, ist jetzt unsere Verpflichtung. Das Versprechen wird nicht vergessen werden.]

Ralph glaubte allmählich, daß es tatsächlich vorbei war. Und so verrückt es schien, ein Teil von ihm bedauerte es eigentlich. Inzwischen kam ihm das wirkliche Leben - das Leben auf den Ebenen unterhalb dieser - wie ein Trugbild vor, und er begriff, was Lachesis gemeint hatte, als er sagte, sie würden nie wieder in ihr altes Leben zurückkehren können, wenn sie noch lange hier oben blieben.

Lachesis: [Wir müssen wirklich gehen. Lebt wohl, Ralph und Lois. Wir werden den Dienst niemals vergessen, den ihr uns geleistet habt.]

Ralph: [»Hatten wir je eine andere Wahl? Wirklich?«]

Lachesis, ganz leise: [Das haben wir gesagt, oder nicht? Für Kurzfristige gibt es immer eine Wahl. Das finden wir furchterregend… aber wir finden es auch schön.]

Ralph war den Tränen nahe.

[»Sagt mal - gebt ihr Burschen jemals jemandem die Hand?«]

Klotho und Lachesis sahen einander verblüfft an, und Ralph spürte, wie in einer Art telepathischem Steno ein kurzer Dialog zwischen ihnen stattfand. Als sie Ralph wieder ansahen, stelltenbeide dasselbe nervöse Lächeln zur Schau - das Lächeln von Teenagern, die zu dem Ergebnis gekommen sind, daß sie niemals wahre Männer weden würden, wenn sie den Mut nicht aufbrächten, diesen Sommer mit der großen Achterbahn im Freizeitpark zu fahren.

Klotho: [Wir haben diesen Brauch selbstverständlich viele Male gesehen, aber - nein, wir haben nie jemandem die Hand gegeben.]

Ralph sah Lois an und stellte fest, daß sie lächelte… aber er dachte, daß er auch in ihren Augen das Funkeln von Tränen sah.

Er hielt Lachesis zuerst die Hand hin, weil Mr. L. nicht ganz so schreckhaft zu sein schien wie sein Kollege.

[»Also dann, Mr. L.«]

Lachesis sah Ralph so lange an, daß Ralph schon dachte, er würde es nicht fertigbringen, obwohl er es eindeutig wollte. Dann streckte er zaghaft seine kleine Hand aus und ließ zu, daß Ralph sie ergriff. Ralph verspürte ein Kribbeln auf der Haut, als ihre Auren sich zuerst überlappten und dann verschmolzen… und bei diesem Verschmelzen sah er ein paar rasche, wunderschöne silberne Schnörkel. Sie erinnerten ihn an die japanischen Schriftzeichen auf Eds Schal.

Er schüttelte Lachesis zweimal die Hand, langsam und förmlich, dann ließ er sie los. Lachesis’ ängstlicher Ausdruck war einem breiten, albernen Grinsen gewichen. Er drehte sich zu seinem Partner um.