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Ich nickte. Ich wußte allem Anschein nach auch über die Einkünfte ihres Mannes genauer Bescheid als sie, hatte ich doch Zugang zu dem Büro, das die Gelder der Jockeys einsammelte und verteilte — aber es war nicht so sehr das annehmbare Einkommen, das zählte, sondern eher die Frage, wie gut sie damit auskamen.

«Allerdings ist er immer ganz scharf auf Projekte, bei denen sich schnell Geld machen läßt, aber wir haben noch nie viel verloren. Normalerweise rede ich ihm die Sache wieder aus. Ich bin überhaupt keine Spielernatur.«

Ich schwieg einen Augenblick. Dann fragte ich:»Politik?«

«Wie meinen Sie das?«

«Interessiert er sich für den Kommunismus?«

Sie starrte mich an.»Grundgütiger Himmel, nein.«

«Ist er in irgendeiner Weise militant?«

Sie mußte beinahe lachen.»Bob schert sich den Teufel um Politik und Politiker. Er sagt, das laufe immer alles aufs gleiche hinaus, auf Geschwafel und Scheinheiligkeit. Was ist das für eine merkwürdige Frage?«

Ich zuckte die Achseln.»Norwegen und Rußland haben eine gemeinsame Grenze.«

Ihre Überraschung war in zweifacher Hinsicht echt — zum einen war sie mit der Geographie nicht allzu vertraut, und zum anderen kannte sie ihren Mann. Er war nicht der Typ, der gute Anzüge, ein schickes Auto und einen aufregenden Job gegen das trübe Dasein in einem totalitären Staat eingetauscht hätte.

«Hat er jemals irgendwelche Leute erwähnt, mit denen er sich hier in Norwegen angefreundet hat?«

«Ich habe so gut wie alle aufgesucht, über die er, meiner Erinnerung nach, gesprochen hat. Ich habe sie immer wieder befragt. Gunnar Holth und seine Stallburschen, Mr. Kristiansen und die Besitzer. Der einzige, den ich bisher noch nicht kennengelernt habe, ist der Sohn von einem der Besitzer, ein Junge mit Namen Mikkel. Bob hat ihn ein oder zweimal erwähnt. er ist jetzt fort, in der Schule oder so etwas.«

«War Bob früher schon einmal in Schwierigkeiten?«

Sie sah mich verwirrt an.»Welcher Art?«

«Buchmacher?«

Sie wandte sich ab, und ich ließ ihr Zeit, sich über ihre

Antwort klarzuwerden. Jockeys war es nicht erlaubt zu wetten, und ich arbeitete für den Jockey Club.

«Nein«, sagte sie undeutlich.

«Sagen Sie’s mir lieber«, hakte ich nach.»Ich kann’s jederzeit herausfinden. Aber so würde es schneller gehen.«

Sie wandte sich mir wieder zu, war beunruhigt.»Er schließt normalerweise nur Wetten auf sich selbst ab«, sagte sie, in die Defensive gedrängt.»Das ist in vielen Ländern durchaus legal.«

«Mich interessiert seine Wetterei nur insoweit, als sie etwas mit seinem Verschwinden zu tun haben könnte. Wurde er wegen irgendwelcher Forderungen bedroht?«

«Oh. «Das klang sehr unglücklich — weil ausgerechnet das, was sie nicht hören wollte, eine einleuchtende Begründung dafür zu sein schien, weshalb Bob eine relativ kleine Summe veruntreut und deshalb sein Leben ruiniert hatte.

«Er hat mir nie gesagt. ich bin sicher, er hätte mir davon erzählt. «Sie schluckte.»Die Polizei wollte von mir wissen, ob er erpreßt würde. Ich sagte, nein, natürlich nicht. aber wenn er doch etwas vor mir verborgen hätte. woher soll ich das wissen? Oh, ich wünschte, ich wünschte wirklich, er würde mir schreiben.«

Tränen schossen hoch und flossen über. Sie entschuldigte sich nicht, wischte sie nicht weg, und nach ein paar Sekunden waren sie wieder versiegt. Ich vermutete, daß sie in den vergangenen drei Wochen eine ganze Menge geweint hatte.

«Sie haben alles getan, was Sie hier drüben tun können«, sagte ich.»Sie fliegen besser am Montag nachmittag mit mir zurück.«

Sie war überrascht und enttäuscht.»Sie fliegen schon so schnell wieder ab? Aber bis dahin werden Sie ihn doch noch gar nicht gefunden haben.«

«Wahrscheinlich nicht. Aber ich habe am Dienstag eine Besprechung, an der ich unbedingt teilnehmen muß. Sollte es sich als nützlich erweisen, werde ich wieder herkommen, aber für Sie ist es Zeit, nach Hause zu fahren.«

Sie antwortete nicht gleich, aber schließlich sagte sie müde, ruhig und geschlagen:»Gut.«

Kapitel 4

Arne machte sein altes Problem zu schaffen — er sah sich so oft um, daß jede Vorwärtsbewegung zu einem Wagnis wurde. Warum er sich von den fröhlichen, verfroren aussehenden Menschen, die zum Norsk Grand National nach 0vrevoll gekommen waren, bedroht fühlte, ging eigentlich nur ihn und seinen Psychiater was an, aber wie üblich hatten auch alle seine Freunde unter dieser Heimsuchung zu leiden.

So hatte er es beispielsweise abgelehnt, in einem sehr bequemen, uns allein zur Verfügung stehenden Raum, in dem ein großes Feuer im Kamin brannte, ein Glas Wein zu trinken. Statt dessen marschierten wir — das heißt er, ich und Per Bj0rn Sandvik — draußen hin und her, verschlissen das Sohlenleder unserer Schuhe und bekamen blaue Ohren, und das alles nur, weil Arne Angst vor Wanzen hatte. Es war mir unerfindlich, auf welche Weise unsere augenblickliche Unterhaltung irgend jemandem hätte von Nutzen sein können, aber ich war ja auch nicht Arne. Jedenfalls kann uns diesmal, dachte ich mit philosophischer Gelassenheit, keine Motorjacht niedermähen.

Wieder war Arne für das Leben in der freien Natur angemessen ausgestattet — eine gefütterte blaue Kapuze ging nahtlos in den dazugehörigen Anorak über. Per Björn Sandvik trug einen Filzhut. Ich hatte nur meinen Kopf. Vielleicht lernte ich es ja eines Tages noch.

Von Sandvik, der zu den Stewards gehörte, erfuhr ich noch einmal und aus erster Hand, was mir bereits aus den Unterlagen bekannt war, nämlich wie Bob Sherman an das Geld hatte herankommen können.

«Sehen Sie, es wird in das Büro der Stewards gebracht, die es nachzählen und verbuchen. Und dieses Büro befindet sich in demselben Gebäude wie der Umkleideraum der Jockeys. Gut?

An jenem Sonntag nun ging Bob Sherman in das Büro der Stewards, um noch irgendwelche offenen Fragen zu klären, und da lag das ganze Geld gebündelt und verpackt vor ihm. Arne hatte ihn selbst dort gesehen. Sherman muß sich spontan entschlossen haben, das Geld an sich zu nehmen.«

«Worin befand sich das Geld?«fragte ich.

«In Segeltuchtaschen.«

«Welche Farbe?«

Er zog die Augenbrauen hoch.»Braun.«

«Die standen da einfach so hinter der Tür auf dem Fußboden?«

Er grinste.»In Norwegen werden weniger Verbrechen begangen als anderswo.«

«Das habe ich schon gehört«, sagte ich.»Wie viele Taschen waren es?«

«Fünf.«

«Schwer?«

Er zuckte die Achseln.»So schwer, wie Geld eben ist.«

«Wie waren sie verschlossen?«

«Mit Lederriemen und Schlössern.«

Arne rannte in eine Blondine hinein, die ganz eindeutig Vorfahrt hatte. Sie gab etwas von sich, was, nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, nicht gerade damenhaft war, aber das brachte ihn noch keineswegs dazu, auf den Weg zu achten. Irgendein Feind lag hinter uns auf der Lauer und hörte uns ab, da war er sich vollkommen sicher.

Sandvik lächelte ihn nachsichtig an. Per Bj0rn Sandvik war ein großer, angenehm gemächlicher Mann von etwa fünfzig Jahren, der über eine unaufdringliche Autorität verfügte. Arne hatte mir gesagt, daß er jemand >ganz oben im Ölgeschäft< sei, aber Sandvik fehlte die übliche Aura des Topmanagers — es schien ihm ganz im Gegenteil eher Vergnügen zu bereiten, wenn er den

Eindruck erwecken konnte, als ob ihm Macht und Aggressivität vollkommen fremd seien. Wenn dem so war, dann mußte er in einem Aufsichtsrat als Gegner so unangenehm sein wie eine unter Gänseblümchen verborgene Fußangel. Ich sah ihn nachdenklich an, und er erwiderte meinen Blick. Nichts darin, was nicht hätte darin sein dürfen.

«Was wäre mit den Geldtaschen geschehen, wenn Sherman sie nicht geklaut hätte?«fragte ich.

«Sie wären im Büro in den Safe eingeschlossen und dann am Montag früh zur Bank gebracht worden.«