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Das trübe Licht des Tages war zwar schon so weit geschwunden, daß man die Hindernisse kaum noch erkennen konnte, aber bei den zwei noch ausstehenden Rennen — von insgesamt zehn — handelte es sich um Flachrennen. Das erste wurde bei Dämmerlicht gestartet, das zweite bei völliger Dunkelheit — Flutlichtscheinwerfer am Turm beleuchteten lediglich die Ziellinie und waren hell genug, um im Bedarfsfall ein Fotofinish zu ermöglichen. Elf Pferde liefen auf der dunklen Bahn und waren nur in den wenigen Sekunden deutlich zu erkennen, die sie benötigten, um durch den hellen Fleck hindurchzuschießen, wurden aber trotzdem von einer offenbar nicht kleiner gewordenen Zuschauermenge angefeuert.

Hier wurden also tatsächlich Rennen bei absoluter Dunkelheit gestartet. Ich ging in Gedanken versunken zurück zum Büro der Stewards, wo ich mich mit Arne treffen wollte. Es war wirklich dunkle Nacht gewesen, als Bob Sherman die Rennbahn

verlassen hatte.

In dem Büro herrschte große Geschäftigkeit, und es wurde viel gefeixt und immer wieder versichert, daß diesmal die Tageseinnahmen sicher im Safe verwahrt lägen. Arne erinnerte einige der Anwesenden an die Worte des Vorsitzenden, sie könnten, wenn sie wollten, an der Zusammenkunft teilnehmen, bei der über die gemachten Fortschritte berichtet werden sollte. Mit Rücksicht auf mich sprach er englisch, und die Angesprochenen antworteten ihm ebenfalls auf englisch. Sie hatten alle die Absicht zu kommen, bis auf einen oder zwei, die auf den Nachtwächter warten wollten. Es gab triftige Gründe, die Stalltüren fest zu verriegeln.

Im Arbeitszimmer des Vereinsvorsitzenden waren, was mich anging, viel zu viele Menschen versammelt. Außer mir noch fünfzehn. Alle Stühle waren besetzt, Kaffee und Getränke wurden herumgereicht, und jedermann wartete. Lars Baltzersen blickte mit hochgezogenen Brauen in meine Richtung, um mir zu verstehen zu geben, daß jetzt ich dran sei, während er mit einem einzigen sanften Wink seiner Hand die leise plaudernde Runde zum Verstummen brachte.

«Ich glaube, Sie alle haben Mr. Cleveland im Laufe des Tages schon kennengelernt. «Er wandte sich nun direkt an mich und lächelte versöhnlich.»Ich weiß, daß wir das Unmögliche fordern. Sherman hat keinerlei Spuren, keine Hinweise hinterlassen. Gibt es dennoch irgend etwas, was wir Ihrer Meinung nach unternehmen könnten und noch nicht unternommen haben?«

Er machte es mir so leicht.

«Suchen Sie seine Leiche«, sagte ich.

Kapitel 5

Es schien, als wäre dies nicht ganz das, was sie erwartet hatten.

Per Bj0rn Sandvik brauste auf und sagte in seinem hohen, destillierten Englisch:»Wir wissen, daß er ein Dieb ist. Warum sollte er tot sein?«, und jemand murmelte:»Ich glaube nach wie vor, daß er in Südfrankreich ist und sich einen schönen Lenz macht.«

Rolf Torp, Besitzer des Grand-National-Siegers, zündete sich eine Zigarre an und sagte:»Ich kann Ihrer Argumentation nicht folgen. «Arne saß da, schüttelte den Kopf und blinzelte so, als wollte er nie wieder damit aufhören.

Lars Baltzersen starrte mich lange an und bat mich dann, meine Aufforderung zu erläutern.

«Nun gut«, sagte ich,»nehmen Sie zunächst einmal die technische Seite des Diebstahls. Sie alle stimmen darin überein, daß das Büro der Stewards ein paar Minuten unbesetzt war und niemand hätte vorhersagen können, wann oder ob überhaupt das der Fall sein würde. Sie alle glauben, daß Bob Sherman einfach das Geld dort liegen sah, der plötzlichen Versuchung erlag und es klemmte. Verzeihung«, sagte ich, als ich die allgemeine Verwirrung bemerkte,»es entwendete.«

Allenthalben nickende Köpfe. Das war bekanntes Terrain.

«Nun stoßen wir jedoch«, fuhr ich fort,»auf ein paar Schwierigkeiten. Das Geld befand sich in fünf sauschweren. äh, unhandlichen. Segeltuchtaschen, die mit Lederriemen und Schlössern versehen waren. Ein sechzig Kilo wiegender Jockey ist wohl kaum in der Lage, fünf solche Taschen schlicht unter seinem Mantel verschwinden zu lassen. Jedem, und sei er noch so kräftig, würde es schwerfallen, die Taschen alle auf einmal hochzuheben. Wenn Sherman tatsächlich die plötzliche Idee

gehabt haben sollte, sie zu stehlen, dann hätte er meiner Meinung nach sofort auch noch eine zweite gehabt, nämlich, die Hände davon zu lassen. Er hatte ja keinerlei Möglichkeiten, in Erfahrung zu bringen, wieviel Geld in den Taschen war. Keinerlei Möglichkeit zu beurteilen, ob sich der Diebstahl lohnen würde oder nicht. In Wirklichkeit aber gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß er eine solche Eingebung hatte, auch wenn er, als er dort hineinging, um sich nach irgend etwas zu erkundigen, die Taschen auf dem Boden stehen sah. Es gibt keinerlei Beweis dafür, daß Bob Sherman das Geld gestohlen hat.«

«Aber natürlich gibt es einen«, ließ sich Rolf Torp vernehmen.»Er ist verschwunden.«

«Wie?«fragte ich.

Jetzt legte sich die eine oder andere Stirn verwirrt in Falten, blickten ein paar Gesichter verständnislos drein — aber einen Lösungsvorschlag hatte niemand anzubieten.

«Es muß ja ein ganz spontaner Diebstahl gewesen sein«, sagte ich,»was bedeutet, daß der Dieb keine Vorbereitungen getroffen haben kann. Nehmen wir mal an, er hätte die Taschen an sich genommen. Nun wankt er also, für jeden sichtbar, mit den geklau. mit den gestohlenen Taschen umher. Was soll er tun? Selbst mit einem scharfen Messer würde er einige Zeit brauchen, um diese Taschen aufzuschlitzen und das Geld herauszunehmen. Wir können jedoch ausschließen, daß er dies auf der Rennbahn getan hat, denn die Taschen wurden ja nirgendwo gefunden.«

Einige Köpfe nickten, andere wurden geschüttelt.

«Bob Sherman hatte nur eine kleine Reisetasche mit, die, wenn ich seine Frau richtig verstanden habe, nicht groß genug war, um darin neben seinen eigenen Sachen auch noch fünf Segeltuchtaschen unterzubringen. Niemand hat herumliegende Kleidungsstücke von ihm gefunden, er kann also das Geld nicht

in die Reisetasche gepackt haben.«

Lars Baltzersen machte ein nachdenkliches Gesicht.

«Nehmen Sie die Beförderung«, sagte ich.»Er hatte ein Taxi bestellt, das ihn zum Flugplatz Fornebu bringen sollte, erschien dann aber nicht. Die Polizei vermochte keinen Taxifahrer ausfindig zu machen, der einen einzelnen Engländer gefahren hatte. Gunnar Holth sagte, er habe Bob zwar mittags zur Rennbahn hin-, aber nicht zurückgefahren. Weil der Diebstahl ja ein spontaner gewesen sein muß, konnte sich Sherman vorher kein Fluchtauto geliehen haben, und im übrigen hat die Polizei auch keine Anmietung eines Wagens feststellen können. Er hat auch kein Auto gestohlen, um das Geld abzutransportieren, denn hier wurde an jenem Tag kein Auto entwendet. Womit nur Freunde übrigbleiben. «Ich machte eine Pause und setzte dann hinzu:»Freunde, die er hätte bitten können, ihn zum Beispiel nach Schweden zu fahren und das für sich zu behalten.«

«Die hätten sich ebenfalls schuldig gemacht«, sagte Rolf Torp ungläubig.

«Ja. Also, er ist siebenmal in Norwegen gewesen, aber immer nur ein oder zwei Tage. Ich konnte nur zwei Freunde finden, die ihn gut genug gekannt und so gemocht haben könnten, daß sie sich seinetwegen Schwierigkeiten aufgehalst hätten, nämlich Gunnars Futtermeister Paddy O’Flaherty und. Sie verzeihen, Sir. Mikkel Sandvik.«

Er war diesmal sehr viel verärgerter, aber sein Protest ging doch über einen grimmigen Blick nicht hinaus.

«Aber Paddy O’Flahertys Auto steht schon seit sechs Wochen auf Ziegelsteinen aufgebockt«, fuhr ich fort.»Und Mikkel Sandvik kann noch nicht fahren. Keiner von beiden hatte einen fahrbaren Untersatz. äh, ein Fahrzeug. für Shermans unvorhergesehenen Bedarf parat.«

«Sie wollen also sagen«, warf Baltzersen ein,»daß er, wenn er