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«Worüber hat er geredet?«

«Du lieber Himmel, woher soll ich das noch wissen, nach so langer Zeit?«

«Sie müssen doch oft an diesen Abend zurückgedacht haben.«

«Ja ja, das stimmt schon. «Er seufzte über meine Beharrlichkeit, dachte aber noch ein wenig nach.»Über Pferde natürlich. Wir unterhielten uns über Pferde. Ich kann mich nicht erinnern, daß er gesagt hat, warum er so spät gekommen ist, oder irgend so was. Und bestimmt habe ich auch nur gedacht, daß das Flugzeug Verspätung hatte, mehr nicht.«

«Das werde ich überprüfen«, sagte ich.

«Also, etwas hat er doch noch gesagt. Später, als wir wahrscheinlich schon einen im Kahn hatten: >Paddy<, hat er gesagt, >ich glaube, man hat mich gelinkt. < Genau das hat er gesagt. >Paddy, ich glaube, man hat mich gelinkt. < Ich hab ihn gefragt, wie er das gemeint hätte, aber er hat’s mir nicht gesagt.«

«Wie beharrlich haben Sie denn gefragt?«

«Beharr.? Du liebe Güte, natürlich nicht sehr. Er hat halt dagesessen und den Finger auf den Mund gelegt und genickt. er hatte einen kleinen Schlag weg, Sie verstehen. Also hab ich auch meinen Finger auf den Mund gelegt, wie er, und genauso genickt. Das schien mir damals das einzig Richtige zu sein, Sie verstehen?«Ich verstand. Es war ein Wunder, daß sich Paddy überhaupt noch an diesen Abend erinnern konnte.

Der Nachmittag ging gemächlich dahin. Gunnar Holth gewann das Jagdrennen mit Per Bj0rn Sandviks Whitefire, was Rolf Torp mißfiel, der Zweiter wurde. Per Bj0rn war, wie sich herausstellte, nicht zum Rennen erschienen — er kam donnerstags überhaupt nur selten, weil er damit den Leuten in seiner Firma nur ein schlechtes Beispiel gegeben hätte.

Es war Lars Baltzersen, der mir das mit warmer Anerkennung in der Stimme erzählte. Er selbst, sagte er, lasse seine Arbeit nur im Stich, weil er der Vorsitzende sei, wofür seine Angestellten aber auch Verständnis hätten. Als einer, der sein Leben lang alles hatte stehen- und liegenlassen, sobald nur eine Startflagge fiel, fand ich eine so hohe Arbeitsmoral ein wenig bedrückend, aber man konnte nicht umhin, sie zu bewundern.

Lars und ich überquerten das Geläuf, bestiegen den Turm und schauten auf den Teich hinab. Da eine Brise die Wasseroberfläche kräuselte, wirkte er jetzt weit weniger friedlich als beim ersten Mal, war aber noch genauso dunkel und schlammig wie an dem Tag, an dem wir nach dem Toten gesucht hatten. Die Schwäne und die Enten waren nicht mehr da.

«Es wird bald frieren«, sagte Lars.»Und die Rennbahn wird für drei oder vier Monate mit Schnee bedeckt sein.«

«Heute wird Bob Sherman beerdigt«, sagte ich.»In England.«

Er nickte.»Wir haben Mrs. Sherman einen Kondolenzbrief geschickt.«

«Und einen Scheck«, sage ich, denn auch sein Name stand auf der Liste. Er machte eine abwehrende Handbewegung, schien jedoch aufrichtig erfreut zu sein, als ich ihm sagte, wie sehr Emma ihre Freundlichkeit zu schätzen gewußt habe.

«Ich muß gestehen, daß wir alle uns ein bißchen über sie geärgert haben, als sie hier war. Sie ließ einfach nicht locker. Aber vielleicht war es ja teilweise ihr zu verdanken, daß wir Sie um Ihre Mithilfe baten. Wie auch immer, es freut mich, daß sie nicht verbittert darüber ist, daß wir versucht haben, ihren dauernden Fragen auszuweichen. Sie hätte durchaus ein Recht dazu gehabt.«

«So jemand ist sie nicht.«

Er wandte den Kopf und sah mich an.»Kennen Sie sie schon länger?«fragte er.

«Erst seit die Sache hier passiert ist.«

«Ich bedaure die Art und Weise, wie wir sie behandelt haben«, sagte er.»Ich denke oft daran. Das Geld, das wir ihr geschickt haben, kann uns nicht freikaufen.«

Ich war der gleichen Meinung und unterdrückte eine tröstliche

Antwort. Er sah wieder hinunter auf die Rennbahn, und ich fragte mich, ob ihn wohl sein schlechtes Gewissen dazu getrieben hatte, mich zu einem erneuten Kommen zu überreden.

Nach dem nächsten Rennen, einem Galopprennen über eine lange Distanz, gingen wir zusammen zum Wiegeraum hinüber.

Ich sagte:»Sie waren an jenem Tag gerade im Büro der Stewards, als Bob seinen Kopf zur Tür hereinsteckte und die Taschen mit dem Geld hätte sehen können.«

«Das ist richtig«, sagte Lars.

«Ja. und wie lautete die Frage?«

Er war verwirrt.»Was für eine Frage?«

«Alle der Polizei gegenüber gemachten Aussagen decken sich. Sie alle haben gesagt: >Bob Sherman kam an die Tür und hat etwas gefragt.< Also. was wollte er wissen?«

Er sah höchst überrascht aus.»Das kann nichts mit seinem Verschwinden zu tun haben.«

«Was war es?«

«Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Ich versichere Ihnen, es war überhaupt nichts Wichtiges, denn sonst hätten wir es doch selbstverständlich der Polizei mitgeteilt.«

Wir trafen wieder mit Arne zusammen, und Lars fragte ihn, ob er sich noch daran erinnern könne, was Bob gewollt habe. Arne machte ein genauso überraschtes Gesicht und sagte, er habe keine Ahnung, er sei im übrigen viel zu beschäftigt gewesen und habe die Frage wahrscheinlich gar nicht mitbekommen. Der Manager der Rennbahn wußte jedoch, daß er es einmal gewußt hatte, denn er, Arne, sei es schließlich gewesen, der Bobs Frage beantwortet habe.

«Laß mich mal nachdenken«, sagte daraufhin Arne mit gerunzelter Stirn.»Er kam herein. nicht seine Füße, nur Kopf und Schultern. Er sah auf das Geld hinab, das vor ihm lag. Daran erinnere ich mich genau. Ich habe das auch der Polizei gesagt. Aber die Frage. es war nichts von Belang.«

Ich zuckte die Achseln.»Sag’s mir, wenn es dir wieder einfällt, ja?«

Er versprach es, so als hielte er es für gänzlich unwahrscheinlich, daß es ihm je wieder einfallen würde, aber eine Stunde später kam er zu mir.

«Bob Sherman hat gefragt, ob Mikkel Sandvik schon nach Hause gegangen sei, und ich habe gesagt, ich wüßte es nicht.«

«Oh.«

Er lachte.»Siehst du, wir haben dir doch gesagt, daß es nichts Wichtiges war.«

«Und ihr hattet recht. «Ich seufzte resigniert.»War nur so ein Gedanke.«

Als der Nachmittag vorbei war, nahm mich Lars mit in sein Rennbahnbüro, um mir die Kopien zu geben, die die Polizei von ihren Unterlagen zum Fall Sherman angefertigt hatte. Eine gepflegte und gewichtige Gestalt in einem schweren dunkelblauen Mantel, auf dem Kopf eine russische Fellmütze, so stand er vor dem großen Kachelofen und hauchte in die Hände.

«Kalt heute«, sagte er.

Ich kenne ihn wahrscheinlich besser als irgend jemanden sonst hier in Norwegen, dachte ich, fragte aber trotzdem:»Darf ich Sie mal in Ihrem Osloer Büro aufsuchen?«

Er hatte von meinen Terminabsprachen gehört und lächelte ironisch angesichts der Tatsache, daß auch er in sie einbezogen wurde.»Am Samstag, wenn Sie wollen. Ich werde bis mittags dort sein.«

Ich lehnte die dringende Einladung Arnes, zu ihnen zum Essen zu kommen, dankend ab, aß früh im Grand Hotel und ging nach oben, um meine Hausaufgaben zu machen.

Die Polizei hatte gewissenhafteste Arbeit geleistet, aber das

Ergebnis war, wie Lars gesagt hatte, gleich Null.

Ein langer, ungeheuer ausführlicher Autopsiebericht voller medizinischer Fachtermini, die ich nur halb verstand, kam zu dem Schluß, daß Bob Sherman an drei einander überschneidenden Frakturen der Schädeldecke gestorben war. Er hatte wahrscheinlich sofort das Bewußtsein verloren, und der Tod war ein paar Minuten später eingetreten — der genaue zeitliche Abstand hatte sich nicht feststellen lassen. Ins Wasser war er erst nach Eintritt des Todes geworfen worden.

Das Nylonseil, das man am Toten gefunden hatte, war Faser für Faser aufgedröselt worden, und eine Untersuchung hatte den Hinweis erbracht, daß es zu einer Partie gehörte, die im vergangenen Frühjahr hergestellt und während des Sommers an zahllose Geschäfte und Schiffsausrüster in der Region Oslo geliefert worden war.