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Als Erik mich am Hoteleingang abgesetzt hatte und mit seinem großen Freund heimgefahren war, rief ich Arne und Kari an und lud sie zum Abendessen ein.

«Komm zu uns«, forderte mich Kari herzlich auf, aber ich sagte, es sei an der Zeit, ihnen ihre Freundlichkeit zu vergelten, und nach vielen weiteren Einwänden waren sie schließlich mit dem Grand Hotel einverstanden. Ich setzte mich bis zu ihrer Ankunft in die Bar, las die Zeitung und dachte über das Altwerden nach.

Es war seltsam, aber außerhalb des von ihr gewählten Rahmens sah Kari ganz anders aus. Nicht mehr so jung, nicht mehr so häuslich, nicht mehr so ruhig. Die Kari, die da in einem langen schwarzen Rock und in weißer Rüschenbluse selbstsicher die Bar betrat, war die Frau, die als Raumausstatterin arbeitete. Diese Kari, die ein perfektes Make-up, Diamanten im Ohr und ihre glatten Haare hochgesteckt trug, wirkte kühler und gleichzeitig reifer als das zwanglose häusliche Wesen, als das ich sie kennengelernt hatte. Als sie mir eine weiche, süß duftende Wange zum Kuß hinhielt und mir unter ihren dichten Wimpern hervor einen bezaubernden Blick schenkte, stellte ich

fest, daß ich sie weniger mochte, aber stärker begehrte — beides Reaktionen, die verwirrend und nicht recht waren.

Arne war immer noch Arne, das Gegenteil eines Chamäleons — seine Persönlichkeit war so festgefügt, daß sie stets ihre Gestalt behielt, wie immer das Umfeld auch aussehen mochte. Er kam festen Schritts in die Bar marschiert und unterzog sie einer schnellen, argwöhnischen Überprüfung, um sicherzugehen, daß niemand ihn belauschen konnte.

«Hallo, David«, sagte er und schüttelte kräftig meine Hand.

«Was hast du denn den ganzen Tag getrieben?«

«Zeit verschwendet«, antwortete ich lächelnd.»Und mich gefragt, was ich als nächstes tun soll.«

Wir saßen in einer gemütlichen Nische und tranken (endlich einmal war es die richtige Zeit am richtigen Tag) Whisky.

Arne wollte wissen, was für Fortschritte ich gemacht hatte.

«Keine großen«, sagte ich.»Man könnte auch sagen: gar keine.«

«Es muß sehr schwer sein«, meinte Kari mitfühlend, und Arne pflichtete ihr kopfnickend bei.»Woher weißt du, wonach du suchen sollst?«

«Meistens suche ich nichts. Ich sehe mir an, was da ist.«

«Alle Detektive suchen nach etwas. Nach Hinweisen. Sie verfolgen Spuren. Erzähl mir doch nichts.«

«Und geraten in Sackgassen und auf falsche Fährten«, entgegnete ich.

Sie sah mich mit gerunzelter Stirn an, blieb aber bei ihrer Frage:»Wie klärst du ein Verbrechen auf?«

«Hm. man stellt sich vor, was man selbst getan hätte, wenn man der Verbrecher gewesen wäre, und dann versucht man herauszufinden, ob er’s so gemacht hat. Und manchmal liegt man richtig.«»Niemand sonst klärt Verbrechen so auf wie David«, meinte Arne.

«Da irrst du dich gewaltig«, widersprach ich.

«Was hat denn deiner Meinung nach der Gangster diesmal gemacht?«wollte Kari wissen.

Ich sah ihr in die klaren grauen Augen, die jene Frage stellten, die ich nicht beantworten konnte, ohne uns diesen Abend gründlich zu verderben.

«Diesmal waren es mehr als einer«, antwortete ich neutral.

«Emma Sherman hat zwei gesehen.«

Wir unterhielten uns eine Weile über Emma. Arne hatte ihren Großvater während seines Kurzbesuches in Oslo kennengelernt und wußte, daß er die beiden Eindringlinge nicht hatte identifizieren können.

«Und niemand hat eine Ahnung, was sie gesucht haben«, sagte Kari nachdenklich.

«Die beiden Männer wußten es«, gab ich zurück.

Arne riß plötzlich die Augen weit auf, was mal etwas anderes war als seine sonstige Blinzelei.»Ja, das stimmt«, sagte er.

«Natürlich wußten sie es«, sagte Kari.»Ich sehe den Sinn deiner Bemerkung nicht.«

«So tiefsinnig war sie auch nicht. Ich wollte nur sagen, daß es irgendwo irgend jemanden gibt, der weiß, was fehlt. Oder fehlte, denn vielleicht ist es ja inzwischen gefunden worden.«

Kari dachte darüber nach.»Warum, glaubst du, haben sie Shermans Haus nicht sofort durchsucht, also gleich, nachdem sie Bob Sherman umgebracht hatten? Warum haben sie einen ganzen Monat gewartet?«

Arne fing wieder an wie wild zu blinzeln, überließ es aber mir, Karis Frage zu beantworten.

«Ich glaube«, sagte ich,»der Grund war, daß Bob Sherman gefunden wurde, aber nicht mehr das bei sich hatte, hinter dem jemand her war, was immer es auch sein mag. «Ich machte eine kleine Pause und fuhr dann fort:»Also: Mr. X bringt Bob um und versenkt ihn im Teich, und zwar aus einem Grund, der uns noch unbekannt ist. Nehmen wir an, daß dies geschah, nachdem Bob ein aus England mitgebrachtes Päckchen übergeben hatte. Nehmen wir weiter an, daß Bob das Päckchen aufgemacht und einen Teil seines Inhalts herausgenommen hatte, was Mr. X aber erst entdeckte, nachdem er Bob getötet und im Teich versenkt hatte. Soweit alles klar? Mr. X kann also nur raten, ob Bob den fehlenden Inhalt in seinen Taschen oder in seiner Reisetasche hatte — in welchem Falle das Fehlende sicher bei ihm im Teich ruhen würde — oder ob er das, was er dem Päckchen entnommen hatte, an einen anderen weitergegeben oder vielleicht sogar an die eigene Adresse nach England geschickt hatte, bevor er getötet worden war. Mr. X könnte das erst endgültig klären, wenn er Bob aus dem Teich holte. Je länger der fehlende Inhalt nicht auftaucht, desto sicherer glaubt Mr. X, daß er bei Bob sein muß. Gut. Aber dann wird Bob gefunden, und das Fehlende fehlt immer noch. Deshalb wird ein Suchtrupp losgeschickt, der herausfinden soll, ob Bob das Fehlende schon zu Hause, also vor seiner Abreise aus England, aus dem Päckchen herausgenommen hat. Emmas Pech war es nun, daß sie genau zu diesem Zeitpunkt nach Hause fuhr, um sich ein paar frische Sachen zu holen.«

Karis Mund hatte sich langsam geöffnet.»Puuuh!«sagte sie.

«Und es schien eine so simple kleine Frage zu sein.«

«Habe ich dir doch gesagt«, meinte Arne.»Gib ihm eine Tatsache, und er errät den Rest.«

«Das ist alles nur geraten. «Ich lächelte.»Ich weiß nicht, warum sie einen Monat gebraucht haben, bis sie mit der Suche begannen. Habt ihr eine Idee?«

Kari sagte:»Aber es muß so sein, wie du sagst. Es klingt so einleuchtend.«

«. wie, daß die Erde flach ist.«

«Bitte?«

«Alles klingt einleuchtend, bis man es besser weiß.«

Wir gingen zum Essen. Eine Kapelle spielte, und es wurde getanzt, und später, als wir unseren Kaffee tranken, trat auch eine Sängerin auf. Das alles war für Arne schließlich zuviel — er stand ganz plötzlich auf, sagte, er brauche dringend frische Luft, und stürzte wie zwanghaft zur Tür.

Wir sahen ihm nach.

«Hat er das schon lange?«fragte ich.

«Schon seit ich ihn kenne. Obwohl es in letzter Zeit etwas schlimmer geworden zu sein scheint. Abhörgeräte haben ihm früher keinen Kummer bereitet.«

«Er hat nur nicht gewußt, daß es sie gibt.«

«Hm, ja. das stimmt.«

«Wie hat es denn angefangen? Ich meine, dieser Verfolgungswahn.«

«Tja. ich weiß nicht, durch den Krieg, nehme ich an. Als er noch ein Kind war. Ich bin ja erst danach geboren, aber Arne hat ihn als Kind miterlebt. Sein Großvater wurde als Geisel erschossen, und sein Vater war in der Widerstandsbewegung. Arne sagt, er hätte als Kind immer Angst gehabt, hätte dabei aber nicht immer so genau gewußt, wovor eigentlich. Manchmal hat ihn sein Vater als Boten losgeschickt und gesagt, er solle sich immer vergewissern, daß ihm niemand folgt. Arne sagt, er habe immer schreckliche Angst gehabt, daß er sich umdreht und hinter sich einen großen Mann sieht, der ihn verfolgt.«

«Armer Arne«, sagte ich.

«Er ist schon bei Psychiatern gewesen«, sagte Kari.»Er weiß es. kann aber trotzdem nichts dagegen machen. «Sie sah von mir fort zu den Paaren, die sich langsam auf dem glatten