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Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase.

«Ich werde aus ihm nicht schlau, David. Er zuckte bloß die Achseln und meinte, wenn wir es wünschten, käme er gerne mit, aber sonst hat er auf dem ganzen Weg hierher fast keinen Ton mehr von sich gegeben. Er war vollkommen ruhig. Kein Anzeichen von Streß. Nicht das geringste. Er ist jetzt schon seit anderthalb Stunden hier und war die ganze Zeit äußerst höflich und gelassen.«

«Welche Erklärung hatte er?«

«Wir gingen ins Vernehmungszimmer und setzten uns. Es war noch ein Beamter dabei, der Notizen machen sollte. Mr. Sandvik bot mir eine Zigarette an. Er sagte, er habe nur versucht, uns bei der Aufklärung des Todes von Bob Sherman behilflich zu sein. Er sagte, Arne Kristiansen habe ihn angerufen und ihm gesagt, Sie hätten einen Schlüssel gefunden, der zu wertvollen Informationen führen könnte, weshalb er ins Grand Hotel gefahren sei, um den Schlüssel zu holen. Er habe gleich gesehen, daß er vom Flughafen Fornebu stammte, da er die Schließfächer dort schon häufig benutzt hätte. Dann sei er zum Flughafen hinausgefahren. um nachzusehen, was von Bob Sherman dort hinterlegt worden war. Er sagte, er habe gedacht, es könnte sich um das fehlende Geld handeln, aber es sei nur ein Papier gewesen. Er habe nicht mehr als einen kurzen Blick darauf werfen können, weil wir ihn dann angesprochen hätten.«

«Hat er irgendeinen Grund dafür genannt, warum er das alles alleine gemacht hat, statt auf Arne oder auf meine Rückkehr zu warten oder die Polizei um Hilfe zu bitten?«

«Doch, ja. «Knut lächelte ein kleines, verkniffenes Lächeln, machte sich über mich lustig.»Er sagte, Arne habe ihn gebeten, die Sache in die Hand zu nehmen. Arne habe dem RennbahnAusschuß beweisen wollen, daß er als Ermittler sein Geld wert sei, und deshalb ihn, Sandvik, als Mitglied des Ausschusses angerufen und von dem Schlüssel unterrichtet. Offenbar hat Arne gesagt, wenn er und Sandvik an den Ermittlungen beteiligt gewesen seien, dann könnten Sie nicht alles Lob allein einheimsen.«

«Was denken Sie?«

Er sah niedergeschlagen aus.»Per Bj0rn Sandvik ist ein Industriekapitän. Er ist sehr angesehen. Er verhält sich auch sehr entgegenkommend, aber wenn wir ihn noch lange hier festhalten, wird er unangenehm werden.«

«Und Ihre Vorgesetzten werden Sie unter Druck setzen?«

«Äh. ja.«

Ich überlegte.

«Keine Bange, Knut«, sagte ich dann.»Wir haben den richtigen Mann erwischt.«

«Aber er ist so selbstsicher.«

Ich nickte.»Er geht von falschen Voraussetzungen aus.«

«Und zwar?«

«Er glaubt, ich sei tot.«

Per Bj0rn Sandvik bekam in der Tat einen bösen Schreck, als er mich das, Vernehmungszimmer betreten sah.

Muskeln um Augen und Mund zogen sich krampfartig zusammen, und seine so schon blasse Haut wurde noch blasser. Aber er faßte sich mit außerordentlicher Schnelligkeit. Keine drei Sekunden, und er lächelte liebenswürdig und mit jener trügerischen Ruhe, die Knut so sehr verwirrte.

«David!«sagte er wie zur Begrüßung, aber ich konnte das panische Schrillen der Alarmglocken wenn nicht direkt hören, so doch spüren.

«Ich fürchte, dies ist kein allzu glückliches Zusammentreffen«, sagte ich.

Er nahm eine so eilige Neueinschätzung der Lage vor, daß die Muskeln um seine Augen in kleine rhythmische Zuckungen gerieten — was mir jede auch noch so geringe Selbstgefälligkeit austrieb, denn Leute, die unter derart widrigen Umständen so schnell und scharf zu denken vermochten, verfügten über einen Verstand, vor dem man sich nur hüten konnte.

Knut betrat hinter mir das Zimmer und wies den jungen Polizisten an, noch einen Stuhl zu holen. Während der Beamte fort war, beobachtete ich, wie Per Bj0rn die Neuordnung seiner Gedanken zu Ende führte. Dann entspannte er sich kaum wahrnehmbar. Zu schnell, wie ich glaubte — und ich konnte mir einen Irrtum nicht leisten.

Der zusätzliche Stuhl wurde gebracht, und wir setzten uns alle um den leeren Tisch, als handelte es sich um eine einfache geschäftliche Besprechung.

Ich sagte:»Es dürfte Ihnen inzwischen klargeworden sein, daß es in Lillehammer gar keinen Johan Petersen gibt.«

«Ich verstehe nicht«, sagte er freundlich mit seiner hohen, deutlich artikulierenden Stimme.»Ich dachte, wir wollten über den Schließfachschlüssel und den Flughafen Fornebu sprechen.«

«Wir sprechen über Arne Kristiansen«, sagte ich.

Schweigen. Ich wartete. Aber er war jetzt viel zu vorsichtig geworden, um irgendeinen Schritt zu tun, ohne nach Fußangeln Ausschau zu halten, weshalb ich nach einer Weile, als so gar nichts von ihm kam, versuchte, ihn auf dem eingeschlagenen Weg ein Stück weiterzulocken.

«Sie sollten sich nicht auf Arne verlassen«, sagte ich.»Arne steckt tief drin, bis zum Hals.«

Keine Antwort.

«Also, wenn ich’s mir genau überlege, sogar bis über die

Ohren, soviel, wie er hat schwimmen müssen.«

Keine Reaktion.

«Diese ganze Geschichte dort draußen auf dem Fjord«, sagte ich.»Damals dachte ich, Arne wäre ertrunken, dabei hatte er einen Taucheranzug unter seinem roten Anorak an. Schöner, glatter, schwarzer Gummi mit gelben Nähten, der sogar noch seinen Kopf umschloß und warm hielt. «Ich hatte das SchwarzGelb unter seinem Anorak gesehen. Es hatte Tage gedauert, bis mir klargeworden war, daß es sich um Gummi gehandelt hatte. Aber schließlich hatten wir unsere tuckernde Fahrt den Fjord hinunter ja auch unternommen, bevor ich zu der Gewißheit gelangt war, daß Arne zur anderen Seite gehörte.

«Ein guter Schwimmer, der Arne«, sagte ich.»Ein zäher Allround-Sportler. Da steht er also im Dinghi auf und wedelt mit den Armen, als wollte er die Motorjacht auf uns aufmerksam machen, damit sie uns nicht überfährt, aber in Wirklichkeit signalisiert er ihr, daß dies das Boot ist, das sie versenken soll. Dieses Dinghi, und nicht irgendeinen anderen unschuldigen Tölpel, der zum Fischen draußen ist. Und dann schwimmt Arne an Land und meldet einen Unfall, meldet, daß ich ertrunken sei.«

Pause.

«Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte Per Bj0rn und seufzte geduldig.

«Ich rede von Arne, der sich seinen Taucheranzug überzieht und in 0vrevoll in den Teich steigt, um Bob Sherman herauszuholen.«

Schweigen.

Arne war schlecht geworden, als er die schon einen Monat alte Leiche sah. In der Nacht, als er Bob aus dem Teich geholt und in eine Plane gewickelt hatte, war es nicht so schlimm gewesen — aber im Licht jenes regnerischen Tages empfand er den Anblick wie einen schweren Schlag in die Magengrube.

«Ich rede von Arne als dem einzigen Menschen, der sicher sein konnte, daß niemand ihn dabei beobachtete, wie er Leichen in Tümpel warf, sie wieder herausholte und später wieder hineinschmiß. Arne war Sicherheitsbeauftragter. Er konnte die Rennbahn betreten und verlassen, wie es ihm beliebte. Niemand hätte es seltsam gefunden, ihn als ersten, als letzten oder in der Nacht dort anzutreffen. Außerdem konnte er dafür sorgen, daß selbst der Nachtwächter nichts sah, was er nicht sehen sollte, denn dieser würde jede ablenkende Aufgabe übernehmen, die Arne ihm übertrug.«

Nichts.

«Das sind Mutmaßungen«, sagte er.

Knut saß schweigend dabei und hielt sich an sein Versprechen, keine Kommentare abzugeben, was immer ich auch sagte. Der Bleistift des jungen Polizisten hatte auf dem Notizblock noch kaum einen Strich hinterlassen.