Es klopfte an der Tür von Gregs Arbeitszimmer, in dem wir unsere Besprechung abhielten.
Troll und ich starrten uns an.
Seit ich ins Arbeitszimmer gezogen war, hatte es noch nie an der Tür geklopft. Troll kam meistens, wenn Greg und Sue nicht da waren oder sie rief vorher an, sodass ich ihr die Wohnungstür öffnen konnte. Und weder Greg noch Sue hatten versucht, auf diese Art Kontakt zu mir aufzunehmen, obwohl ich natürlich gehofft hatte, dass Greg einfach mal reinschneite, um sich irgendeinen Frust mit seinem neuen Liebchen von der Seele zu reden. Stattdessen hatte immer ich es so eingerichtet, dass ich ihn in der Küche oder im Flur traf. Ich war also gespannt, wer nun klopfte.
»Ja?«, rief ich.
Greg steckte seinen Kopf durch die Tür, sah Troll und zuckte zurück. Mist, gerade jetzt wäre ich gern allein gewesen.
»Ja bitte?«, fragte Troll mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck.
»Ich, also, ich muss etwas mit Corinna besprechen«, stammelte er.
»Leg los«, sagte Troll.
Greg sah mich an. Mit seinem ganz besonders leidenden Gesichtsausdruck. »Ich muss diese Nervensäge den ganzen Tag im Büro ertragen und jetzt hockt sie abends noch in meiner Wohnung«, beschwerte er sich.
»Ich hocke nicht in deiner Wohnung, sondern bei meiner Freundin Corinna«, entgegnete Troll, bevor ich überhaupt den Mund aufmachen konnte.
»Wenn ich bei AIQ mehr zu sagen hätte, wärst du schon längst weg vom Fenster«, zischte Greg ihr zu.
»Wenn du bei AIQ mehr zu sagen hättest, wäre ich schon längst bei der Konkurrenz«, entgegnete Troll lässig. Sie würdigte ihn noch nicht einmal eines Blickes.
Ich räusperte mich, sprechen konnte ich nicht. Die Situation lief völlig aus dem Ruder. Da kam Greg endlich und wollte etwas von mir und dann so etwas.
Natürlich hatten meine Knie angefangen zu schlottern, als er ins Zimmer kam. Mein Mund wurde trocken, mein Herzschlag kam aus dem Rhythmus und ich spürte, wie meine Wangen anfingen zu glühen. Außerdem wurden meine Füße heiß. Das tun sie immer, wenn ich sehr aufgeregt bin.
Greg starrte Troll wütend an. Sie tat nach dem kleinen Wortgeplänkel so, als wäre er schon wieder weg.
Ich hauchte ein vorsichtiges »Was ist denn?«, und versuchte ein Lächeln.
»Du hast doch jetzt nichts zu tun…«, begann er.
Auf der Stelle wurden meine Füße eiskalt und mein Speichelfluss normalisierte sich.
»Und wir arbeiten ja den ganzen Tag.«
Jetzt war ich wirklich gespannt, was er zu sagen hatte.
»Außerdem zahlst du keine Miete mehr, wohnst also hier vollkommen umsonst.«
Troll schüttelte fassungslos den Kopf. Ich fragte mich ein wenig irritiert, ob er mein Asyl in seinem Arbeitszimmer tatsächlich für eine erstrebenswerte Wohnsituation hielt.
»Da haben wir uns gedacht…«
»Wer ist wir, Schätzchen?«, fragte Troll mit samtiger Stimme, ohne überhaupt den Blick zu heben.
Greg bedachte sie mit einem hasserfüllten Blick.
»Da habe ich mir gedacht, ob du vielleicht wenigstens als Gegenleistung die Wohnung in Ordnung halten könntest?«
Troll und ich blickten uns an und brachen in lautes Gelächter aus.
Greg wurde wütend. Das hatte ich natürlich nicht gewollt, aber eine romantische Stimmung schien ja sowieso gerade nicht aufzukommen.
»Was ist daran so komisch?«, brüllte er.
Wir prusteten wieder los.
»Sue und ich arbeiten den ganzen Tag, und du sitzt hier und tust nichts. Du trägst nichts zum Unterhalt dieser Wohnung bei, kaufst kaum etwas ein und wenn doch, dann nur Sachen, die Sue nicht essen kann. Außerdem hast du noch nicht einmal das Bad sauber gemacht.«
Das stimmte nicht, aber ich unterließ es, ihn darauf hinzuweisen. Ebenso wenig erwähnte ich, dass ich die Wohnung geputzt, die Wäsche gewaschen, gebügelt, eingekauft und alle sonstigen Erledigungen gemacht hatte, als ich selbst noch ganztags bei AIQ beschäftigt war, und somit Sue diese Arbeiten gleichzeitig mit meiner Betthälfte eigentlich hätte übernehmen können.
»Was wäre dir das wert?«, fragte Troll plötzlich ganz ernst.
»Bitte?« Gregs Stimme und sein Gesichtsausdruck legten nahe, dass er glaubte, wir wollten ihn mit Sex oder anderen obszönen Dingen bezahlen lassen.
»War nur ’ne Frage«, sagte Troll und winkte ab. »Du darfst jetzt gehen.«
Greg war puterrot angelaufen, öffnete den Mund, als ob er noch etwas sagen wollte, und verschwand wortlos.
»Der Markt ist da«, sagte Troll lakonisch. »Jetzt müssen wir dem Kind nur noch einen Namen geben.«
Ich kaufte weitere schwarze Hosen und, das war neu, weiße Blusen. Die Haare ließ ich mir auf Schulterlänge kürzen und franselig schneiden, um weniger Zeit mit dem Haaretrocknen verbringen zu müssen. Die Friseurin bestand darauf, mir etwas Volumen ins Haar zu fönen. Ich ließ es geschehen, auch wenn ich bereits befürchtete, dass das Ergebnis nicht ganz der Beschreibung entsprechen würde. Ich hatte richtig befürchtet.
Troll lief in dem Café, in dem wir verabredet waren, an mir vorbei, bis ich nach ihr rief.
»Deine Frisur erinnert an diese geliftete Nachrichtensprecherin, die letzten Monat in Rente gegangen ist«, eröffnete sie mir nach einem ausgiebigen Blick. Ihre Haare waren kiwigrün. Ich sagte nichts dazu.
Troll bestellte einen Tee. Grünen. Die Kellnerin zuckte, warf noch einen Blick auf Trolls Haarpracht, notierte die Bestellung und verschwand.
Zugegeben, ich war beleidigt wegen Trolls abfälliger Bemerkung über meine neue Optik, die mich eine Stange Geld gekostet hatte, aber insgeheim musste ich ihr recht geben. Nach dem nächsten Mal Selberwaschen und -föhnen würde ich mich aber sicherlich wieder im Spiegel erkennen können.
Ein ganz anderes Thema lastete mir auf der Seele:
»Wie soll ich meine Firma denn nun nennen?«, fragte ich Troll.
Wir hatten vergangene Woche schon zusammengesessen und uns die Köpfe heiß geredet. Eine zufriedenstellende Idee war uns allerdings auch nach zwei Litern Kaffee und einem Liter Bio-Rotwein nicht gekommen.
»Tja, ›Clean & Co‹ klang dir zu sehr nach Achtzigerjahre und bei ›Concierge‹ fühltest du dich an rosa Strickjacken mit Ajourmuster und Kohlgeruch erinnert«, erinnerte mich Troll.
»Und unter einem Butler stellt man sich meist einen Mann vor, aber im Grunde kommst du dem am nächsten«, fuhr sie fort. »Korrekt in schwarz-weiß gekleidet, mit einem Besenstiel durch Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm, einer Distel im Arsch und dem erklärten Willen, alles Unmögliche möglich zu machen und dabei zu jedem Zeitpunkt Contenance zu bewahren.«
Die Vorstellung des Besenstiels im Zwölffingerdarm verursachte mit kurz ein leichtes Ziehen im linken Unterbauch, und ich fragte mich, woher Troll immer diese absolut treffsicheren Bilder nahm, um Dinge zu beschreiben und gleichzeitig die dazu passenden Gefühle auszulösen. Grundsätzlich musste ich ihr natürlich recht geben. Der Name suggerierte eine gewisse Klasse, die ich gern für mein Unternehmen und mich in Anspruch nähme. Nur hätte ich einen weiblicher klingenden Firmennamen bevorzugt.
»Was ist denn das weibliche Pendant zu Butler?«, fragte ich.
»Hausdame«, schlug Troll vor. Dann verbreiterte sich ihr Grinsen. »Oder statt Majordomus eben Majorette-Domina. Oder gleich Mutti.«
Die Vorstellung, als »Mutti« aufzutreten, verdarb mir fast den Spaß an meinen Planungen. Männer, die sich von Mutti die Socken zusammenrollen, die Hemden bügeln und die Bude putzen ließen, rangierten auf meiner persönlichen schwarzen Liste gleich hinter denen, die noch zu Hause wohnten. Eigentlich, überlegte ich, müssten sogar die Alleinwohner an Platz eins stehen, denn sie nahmen eine räumliche Unabhängigkeit in Anspruch, während sie trotzdem einen Full-Mutti-Service genossen. Mit solchen Typen wollte ich nichts zu tun haben.