Die Wohnzimmerausstattung bestand aus einem Secondhand-Sofa und einem Secondhand-Tisch sowie einem Regal, das ich aus fünf unbehandelten Brettern und achtundzwanzig Ziegelsteinen aus dem Baumarkt selbst gebaut hatte. Ich besaß weder Fernseher noch Radio, bekam aber Letzteres von Troll geschenkt. Damit war ich wenigstens nicht völlig von der Außenwelt abgeschnitten.
Die Küchenzeile war ähnlich minimalistisch ausgestattet, was mich nicht störte, da ich noch nie eine große Köchin gewesen war und der Zeitpunkt meiner Unternehmensgründung sicher nicht der richtige war, um daran etwas zu ändern.
Lisbeth war entsetzt. »Kind, du willst als Unternehmerin deinen Mann stehen, da brauchst du eine vernünftige Kost.«
Ich fand die Tatsache, dass meine Angestellte mich mit »Kind« ansprach, weiterhin unpassend, wollte diese Diskus-sion aber nicht jetzt führen. Stattdessen erklärte ich ihr, dass ich erstens eine Kaffeemaschine, zweitens einen integrierten Mikrowellenbackofen sowie drittens einen Kühlschrank mit Drei-Sterne-Gefrierfach besaß, und somit alles Nötige zum Überleben verfügbar war.
»Und was, bitte schön, willst du in deinem schicken Mikrowellenbackofen zubereiten? Tiefkühlpizza?«
»Ich liebe Tiefkühlpizza«, gab ich trotzig zurück. »Und es gibt viele andere Fertiggerichte, sogar mit Gemüse.«
»Die üblichen Fertiggerichte enthalten zu viel Salz, zu viel Fett, zu viel Zucker und meist noch Glutamat«, dozierte Lisbeth. »Außerdem sind sie teuer.«
Jetzt bettelte ich um Verständnis. »Lisbeth, ich kann nicht gut kochen und ich werde keine Zeit haben, das gerade jetzt zu lernen.«
Lisbeth überlegte einen Moment und fand dann die für das aktuelle Problem passende Lösung. »Gut«, sagte sie entschlossen. »Du schaffst dir eine Grundausstattung Plastikdosen an, die genauen Größen schreibe ich dir auf. Ich bringe dir zweimal die Woche etwas zu essen, was jeweils für zwei Tage reicht. Die anderen drei Tage der Woche musst du für dich selbst sorgen. Ich schreibe dir ein paar einfache Rezepte auf. Auf diese Art wirst du deine Kochkünste im Laufe der Zeit schon erweitern.«
Ich nickte dankbar und froh, der Inquisition entkommen zu sein.
Nach einem langen Blick, mit dem sie mich von oben bis unten musterte, murmelte sie noch etwas von Nährstoffversorgung, Kalorienoptimierung und einem entsprechenden Ernährungsprogramm, das sie, in Kalenderwochen gegliedert und nach dem saisonalen Obst- und Gemüseangebot ausgerichtet, für mich erstellen wolle, und scheuerte die vom Vormieter übernommenen Geräte, bis sie aussahen, als kämen sie direkt aus der Verkaufsausstellung des Herstellers.
Das einzige Zimmer, das annähernd so aussah, wie ich es mir in meinen geheimen Wünschen vorgestellt hatte, war das Büro meines neu gegründeten Unternehmens.
In mein Büro hatte ich richtig investiert. Geld und Nerven. Geld, mit dem ich Lamellenvorhänge gekauft hatte, und zwar jene Sorte, die man auch häufig in Arztpraxen findet. Sie sehen natürlich fürchterlich aus, haben aber eine Ausstrahlung von Professionalität, die geraffte Gardinen einfach nicht erreichen können. Nerven hatte ich investiert, als ich Greg mitteilte, dass ich die Einrichtung des Arbeitszimmerasyls mitzunehmen gedenke. Und zwar vollständig.
Er wurde erst blass dann rot, konnte aber meinen Einwand, dass wir damals, als wir zusammenzogen, die Möblierung der Wohnung gemeinsam bezahlt hatten und mir daher irgendetwas zustünde, nicht von der Hand weisen. Natürlich hatte er dabei nicht an seinen schönen Schreibtisch, den Drehstuhl mit Lederbezug, die hochwertigen Regale und Schränke mit Rollläden gedacht. An was sonst, blieb mir schleierhaft, denn auch das Wohnzimmersofa aus Leder, den Couchtisch aus dem Stamm eines amerikanischen Mammutbaumes, die schwingenden Regale oder seinen Designersessel wollte er keinesfalls missen.
»Das Bett könntest du mitnehmen, das gefällt Sue sowieso nicht«, hatte er stattdessen vorgeschlagen.
»Ich brauche aber eine Büroeinrichtung«, beschied ich ihm nochmals. »Du hast dein Büro sowieso nie zum Arbeiten gebraucht«, schob ich hinterher. »Bei mir können die Möbel endlich ihre Bestimmung erfüllen.«
Er fand kein Argument, das er meinem Willen entgegensetzen konnte, daher blieb es bei der Arbeitszimmereinrichtung, und so war mein privater Bereich eher unter Studentenbudenniveau, der berufliche aber weit darüber. Wie es sich für eine frischgebackene Unternehmerin gehört. Ich hätte platzen können vor Stolz, als ich mich an dem Abend in meinem Büro umsah. Meine Zukunft erschien mir in den leuchtendsten Farben, nichts hätte meinen Optimismus bremsen können.
Jetzt sitze ich in meinem schicken Büro und tippe dies hier, während im Kofferraum meines Autos, das ich von hier aus schemenhaft erkennen kann, ein Toter liegt. Aber nun habe ich schon so viel verraten, dass ich auch den Rest der Geschichte noch aufschreiben will. Damit später niemand sagen kann, ich hätte mein Unternehmen nur gegründet, um in reichen Haushalten kriminellen Machenschaften nachgehen zu können.
Trolls große Stunde schlug. Die Schmutzengel existierten auf dem Papier, jetzt mussten wir nur noch den Betrieb aufnehmen. Dazu braucht ein Dienstleistungsunternehmen Kunden, und zum Kundenfang benötigt man Werbung, sonst wissen die Kunden ja nicht, dass sie ein Problem haben und wir die Lösung dafür bieten.
Ich benötigte ein Logo, einen Briefkopf und Visitenkarten, außerdem das Layout für den Flyer, den ich verteilen wollte, und natürlich das Design für die Homepage.
Um Troll, die bei AIQ reichlich Überstunden machte, nicht zu überfordern, hatte ich mir vorab ein paar Gedanken gemacht und einige Stichpunkte notiert, auf deren Grundlage wir die Werbematerialien erstellen konnten. Stichworte waren zum Beispieclass="underline" haushaltsnahe Dienstleistungen, steuerlich absetzbar, Vertrauenswürdigkeit, professionelle Hauswirtschafterin.
An diesem Samstagmorgen lümmelte Troll in meinem Besucherstuhl herum. Irgendwie schaffte sie es immer, zu lümmeln, selbst wenn das Möbel keine tiefe Couch, sondern ein steifer Bürostuhl war. Sie trug heute rotes Haar, einen gelben Pullover und eine grüne Hose und sah damit aus wie der Pumuckel. Allerdings machte sie einen müden Eindruck und verlangte als Erstes Kaffee.
»War spät gestern Abend«, murmelte sie.
Bei mir nicht. Ich ging nicht aus. Konnte mich noch nicht einmal aufraffen, ins Kino zu gehen, obwohl ich das sonst ganz gern getan hatte. Aber seit Greg mich abgelegt hatte, war jegliches Interesse an privaten Vergnügungen erloschen. Und Troll? Ich hatte keine Ahnung, wie sie ihre Freitagabende verbrachte. Oder mit wem. Sie hatte mich nie gefragt, ob ich mitgehen wollte, wohin auch immer sie ging. Mir kamen die Andeutungen über ihre Vorliebe für das eigene Geschlecht in den Sinn. Ob da etwas dran war? Ob sie mich deshalb aus ihrem Privatleben heraushielt? Ich traute mich nicht, sie danach zu fragen.
Troll hatte zwei Lutscher mitgebracht und sich einen gleich nach der letzten Tasse Kaffee in den Mund gesteckt. Das war der Startschuss für die Arbeit. Sie warf einen Blick auf meine Stichworte, knüllte den Zettel zusammen und warf ihn über ihre Schulter. Ich bückte mich reflexartig, um das Papier aufzuheben, aber Troll winkte ab.
»Lass liegen«, nuschelte sie um den kirschroten Lutscher herum.
»Aber das sind Argumente, die in mein Werbematerial…«, begann ich, führte den Satz aber nicht zu Ende, da Troll sich mit dem klebrigen Lolli an die Stirn tippte.
»Wo ist das Problem?«, fragte ich. Offenbar hatte Lisbeth bereits einen eindeutig feststellbaren Einfluss auf meine Alltagssprache.