»Wer ist deine Zielgruppe, Häschen?«, fragte Troll mit gelangweiltem Blick.
»Menschen, die viel arbeiten und keine Zeit oder Lust haben, sich um den Haushalt zu kümmern«, deklamierte ich.
»Falsch«, nuschelte Troll.
»Richtig«, hielt ich dagegen.
»Okay, formulieren wir es anders. Jeder Dackel ist ein Hund, aber nicht jeder Hund ist ein Dackel. Du willst nur Dackel.«
Ich starrte sie irritiert an. Die eiskalte Präzision, die sie in Sachfragen an den Tag legt, überraschte mich immer wieder. Da gab es kein Herumlavieren, kein Sowohl-als-auch, keine faulen Kompromisse. Sie wusste, was sie wollte, wusste, wie sie das erreichen konnte, und marschierte zielstrebig drauflos. Borniert, könnte man meinen, wenn statt ihrer Fachkenntnis Sturheit der Grund gewesen wäre. War es aber nicht. Sie war konsequent professionell bis in die roten Haarspitzen und sie würde mir erklären, worauf sie hinauswollte. So, dass auch ein Werbelegastheniker wie ich es verstehen könnte.
Troll wies über ihre Schulter nach hinten, wo der Zettel mit meinen Stichworten lag. »Haushaltsnahe Dienstleistungen, noch dazu steuerlich absetzbar, wird von einer Klientel nachgefragt, die durchschnittlich achtundfünfzig Jahre alt, männlichen Geschlechts und innerhalb der letzten drei Jahre verwitwet ist. Beruf: Beamter im gehobenen Dienst. Diese Leute schließen die Wohnungstür auf und fahren als Erstes mit dem Finger über die Oberkante des Türblattes, um nachzusehen, ob dort gereinigt wurde.«
Ich schluckte.
Troll zeigte mit ihrem Lolli auf mich und äffte Lisbeths Eifler Tonfall täuschend echt nach, als sie fragte: »Kind, ist das deine Zielgruppe?«
Ich schüttelte entsetzt den Kopf.
»Also lassen wir die Formulierungen der Finanzbehörden schön beiseite und grenzen die Zielgruppe ein«, erklärte Troll.
»In Ordnung«, hauchte ich. Ich hatte den Boden unter den Füßen verloren und war jetzt ganz davon abhängig, dass Troll mich auf den rechten Weg leitete.
»Schlag ein paar andere Stichworte vor«, forderte sie mich auf.
Meine Stärke liegt eindeutig nicht in der Kreativität, daher überlegte ich eine ganze Weile, aber mir fiel nichts Vernünftiges ein. Schließlich sagte ich, nur um irgendetwas zu sagen: »Heinzelmännchen.«
Troll grinste. »War ja klar, dass das kommt. Wahrscheinliches Kundenproficlass="underline" Karrierefrau, die häusliche Arbeiten als notwendiges Übel und ideale Beschäftigung für illegale Einwanderer betrachtet und deshalb schlecht und ungern zahlt.«
»Miss Propper«, schlug ich vor.
»Mann mittleren Alters, der bisher bei Mutti wohnte und an Verstopfung sowie hormoneller Dysfunktion leidet.«
So, wie Troll meine potenziellen Kunden beschrieb, verlor ich die Lust an der Selbstständigkeit. Das gab ich ihr deutlich zu verstehen.
»Blödsinn«, entgegnete Troll hartherzig. »Diese Leute aus deinem Kundenkreis auszusortieren, ist ja der Sinn der Übung. Du musst dir genau überlegen, welche Kunden du ansprechen willst, und deine Werbung entsprechend aufbauen. Also bei der Zielgruppe anfangen und die Kommunikation empfängerorientiert gestalten. Dann hast du die besten Chancen, nachher nur solche Kunden zu haben, die dir in den Kram passen.«
»Aha«, sagte ich. Diese Anleitung hatte für mich keinerlei lebenspraktischen Nutzwert – ich hatte nicht den Schimmer einer Ahnung, wie wir jemals einen vernünftigen Werbeflyer erstellen sollten.
»Punkt eins: Zielgruppendefinition«, sagte Troll grinsend. »Für wen möchtest du arbeiten?«
»Männer«, antwortete ich umgehend. Die meisten Männer, die ich kenne, sind in Haushaltsdingen deutlich konzilianter als Frauen. Ob es um Schlieren auf der Fensterscheibe geht, die Bügelfalte am Hemdenärmel oder eine nicht ganz polierte Fersenkappe am Schuh – Männer regen sich deutlich weniger über solche kleinen Nachlässigkeiten auf als Frauen.
»Ein Anfang ist gemacht«, rief Troll und warf die Arme in die Luft wie jemand, der am Bohrloch steht und schreit: Öl! Es sprudelt! »Welche Männer?«, schob sie dann in nüchterner Professionalität hinterher. Der abrupte Wechsel des Tonfalls schockierte mich nicht mehr.
»Männer, die froh sind, nicht selbst putzen und bügeln zu müssen und für diese Dienstleistung genau so bereitwillig bezahlen, wie für die Inspektion ihres Autos.«
Sie blickte mich unverwandt und ernst an. »Weiter.«
»Männer, die genug Stil haben, sich im Dreck unwohl zu fühlen, aber zu wenig Pedanterie, um selbst sauber machen zu wollen. Geschäftsreisende, die nach vier anstrengenden Tagen auf Bahnhöfen, Flughäfen und in anonymen Hotels gern einen Fernsehabend zu Hause verbringen mit einem gekühlten Bier und einem Gericht wie von Mutti, das sie nur in der Mikrowelle warm machen müssen – ohne dass Mutti sie mit Fragen zu ihrem Job nervt.«
Troll zerkaute den Lolli, was mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Ich ließ mich aber nicht ablenken, kam gerade richtig in Fahrt.
»Männer, die nur von Berufs wegen vier Tage pro Woche in ihrer überteuerten Innenstadt-Wohnung fern der Familie verbringen und es satthaben, ihre schmutzige Wäsche hin und her zu schleppen oder sich Gedanken darüber zu machen, was noch im Kühlschrank ist und schlecht wird, wenn sie übers Wochenende nach Hause fahren, oder was alles fehlt, wenn sie am Montagabend in die Bude zurückkommen. Die keinen Bock auf Treppenhausputzdienst haben und die die Nachbarn nicht kennen, sodass jeder Besuch eines Handwerkers oder Heizröhrchenablesers zum Problem wird. Männer, die laut Hausordnung einen bepflanzten Balkonkasten an ihrem Geländer anbringen müssen, ihn aber nicht selbst pflegen wollen. Männer, die nur alle vier Wochen in der Stadt sind, dann aber eine gelüftete, staubfreie Wohnung mit Blumenschmuck und frischem, französischem Käse vorfinden wollen.«
Troll klatschte grinsend Beifall. »Ich wusste gar nicht, dass Männer so unterschiedlich sein können«, murmelte sie. »Für mich sind die alle irgendwie gleich.«
»Für mich auch«, antwortete ich im Brustton der Überzeugung.
Troll zuckte, ging dann aber doch nicht auf meine Bemerkung ein. »Warum wollen wir keine Frauen?«, fragte sie.
Ich grübelte. Dass ich lieber nicht für Frauen arbeiten wollte, war eine instinktive Entscheidung.
»Frauen sind grundsätzlich kritischer«, murmelte ich.
Troll grinste. »Du denkst nicht zufällig an Lösungslisbeth, oder?«
»Himmel, für die zu arbeiten muss die Hölle sein«, entgegnete ich. »Darum mache ich es ja auch andersherum!«
»Gute Entscheidung«, lobte Troll.
Ich dachte an meine Mutter. Sie hatte Hausarbeit immer gehasst, sie aber natürlich trotzdem gemacht. Warum natürlich? Weil frau nun eben die Hausarbeit macht. Sofern frau sich nicht eine Haushaltshilfe leistet. Aber kann frau wirklich damit leben? Ein Gedanke nahm langsam Gestalt an.
»Frauen, die die Hausarbeit nicht selbst machen, haben unterschwellig ein schlechtes Gewissen, das sie dann durch Kritik kompensieren«, schlug ich vor.
»Gute Idee«, sagte Troll. »Frauen ohne schlechtes Gewissen kannst du also nehmen.«
Mir schwirrte der Kopf. Wie sollte ich das in Erfahrung bringen? Ich konnte schlecht meine potenziellen Kunden nach ihrer persönlichen Einstellung zur Rolle der Frau befragen. Zu welcher Gruppe würde ich eigentlich gehören? Oder Troll? Ob es bei ihr zu Hause penibel sauber war? Oder chaotisch unordentlich? Wie lebte sie überhaupt? Ich hatte mal wieder keine Ahnung. Nachdem sie mir damals bei ihrem ersten Besuch angeboten hatte, bei ihr zu wohnen, hatte sie das Thema nie wieder angesprochen und mich auch nicht zu sich eingeladen. Und ich traute mich mal wieder nicht zu fragen. So hilfsbereit Troll auch immer war, blieb sie doch geheimnisvoll und fremd. Absichtlich?
»Wir haben Zielgruppen, nun lass uns texten«, sagte Troll in meine Gedanken hinein. Sie hatte sich einen Notizblock und einen Stift von meinem Schreibtisch genommen und begann zu kritzeln.