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»Leyendecker, hallo Herr Lauenstein.« Normalerweise bin ich etwas eloquenter.

»Haben Sie das Foto von der Internetseite genommen?«, fragte er ohne Umschweife und Begrüßungsfloskeln. Als Kunde durfte er das natürlich, aber es tat weh. Ich biss die Zähne zusammen.

»Äh, nein. Um das zu tun, benötige ich eine Information von Ihnen.«

»Was denn?«

Ich bemühte mich, weiterhin verbindlich zu bleiben. »Haben Sie weitere E-Mails bekommen?«

»Nein.«

»Könnten Sie mir wohl die Liste der Adressaten von der ersten E-Mail senden?«

»Natürlich.« Er stockte. »Ich habe gehört, dass Sie sehr krank waren.«

Seine Stimme klang plötzlich ganz anders. Wärmer. Besorgt. Das war grundsätzlich erfreulich, trotzdem war mir dieser Themenwechsel peinlich. Ich antwortete nur mit einem gemurmelten »Hm«.

»Lag das an Ihrem, ähem, Ausflug nach Belgien?«

Endlich hatte mal jemand Mitgefühl. Das war ein gutes Gefühl und ich konnte es mir nicht verkneifen, es mit einem klaren »Ja« noch ein wenig zu steigern.

»Das tut mir sehr leid«, stammelte Lauenstein. »Es war mir sehr peinlich, dass ich nicht mit Ihnen fahren konnte. Aber dieser Notfall…«

»Ist schon gut«, wiegelte ich schnell ab, bevor er auf die Idee kam, mir irgendwelche Details zu berichten. Ich hatte genug von Notfällen, Unfällen oder Zweifelsfällen. »Schicken Sie mir nur bitte die Adressatenliste, dann bin ich zuversichtlich, das Problem schnell zu lösen.«

»Natürlich«, bestätigte er schnell. Auch er hatte zu seinem geschäftsmäßigen Tonfall zurückgefunden. »Sobald ich wieder im Büro bin, es dauert ungefähr zwanzig Minuten. Und… gute Besserung.«

Ich wartete ungeduldig auf die Adressaten, die Tabea für ihre E-Mail benutzt hatte. Unterdessen formulierte ich meine E-Mail und schickte sie umgehend nach Erhalt der Liste von Lauenstein ab.

Meine E-Mail lautete:

Sehr geehrte Kunden,

leider ist meine Internetseite Ziel eines Hackerangriffs geworden. Der Hacker hat sich einen Spaß daraus gemacht, meinem Leistungskatalog das zusätzliche Angebot »Entsorgung« hinzuzufügen. Dieses Angebot wird von einem manipulierten Foto begleitet, das ein ortsansässiges Beerdigungsinstitut verunglimpft.

Ich distanziere mich hiermit ausdrücklich von diesen Inhalten.

Leider habe ich selbst aufgrund der Manipulation zurzeit keinen Zugriff auf meine Internetseite und kann sie weder korrigieren noch aus dem Netz nehmen.

Ich bitte Sie, eventuelle Unannehmlichkeiten zu entschuldigen und mir weiterhin die Treue zu halten. Ich arbeite mit Hochdruck daran, die unerfreuliche Situation schnellstens zu beenden.

Mit freundlichen Grüßen

Corinna Leyendecker

Lauenstein rief mich kurz nach Erhalt der E-Mail an.

»Das ist eine gute Idee«, sagte er. »Aber richtig aufatmen werde ich wohl erst, wenn das Bild wieder verschwunden ist.«

»Ich auch«, bestätigte ich. »Trotzdem hoffe ich, dass Ihnen bereits diese Richtigstellung nützlich ist.«

»Die Frau, die meinte, die Füße ihres vor fünf Tagen verstorbenen Mannes in dem Teppich erkannt zu haben, wird diese E-Mail ja leider nicht sehen.«

»Die Füße ihres Mannes?«, wiederholte ich entsetzt.

An Lauensteins Stimme hörte ich, dass er grinste. »Sie war sich ganz sicher und wollte mich verklagen.«

Das wurde ja immer besser. »Verklagen? Warum denn? Wegen Störung der Totenruhe?«

»Nein.« Lauenstein lachte. »Auf Urheberrechtsansprüche. Immerhin halte sie als Ehefrau beziehungsweise Witwe das Nutzungsrecht an seinen Füßen.«

Ich war mir zwar nicht sicher, ob ich das komisch oder einfach nur schrecklich finden sollte, aber ich lachte mit ihm. Gegen meinen Willen. Sein Lachen war ansteckend.

»Wenn es Ihnen hilft, dürfen Sie die E-Mail gern an Ihre Kunden weiterschicken«, sagte ich.

»Mal sehen«, sagte er. »Danke jedenfalls.«

14

Der zweite Teil des Plans, den Lisbeth und ich ausgeheckt hatten, fiel mir deutlich schwerer. Aber da musste ich durch.

»Kind«, hatte Lisbeth gesagt, »wir wissen nicht, wie viel Schaden die Manipulation deiner Internetseite schon angerichtet hat.«

Ich musste ihr recht geben. Es gab zwar eine Zählfunktion auf der Seite, aber die kontrollierte Tabea. Außerdem wusste ich nicht, ob sie meine Internetseite mit dem besonderen Angebot in einschlägigen Foren besonders angepriesen oder auf viel besuchte Seiten verlinkt hatte. Mit ein bisschen Glück hatte sie alles das nicht getan, aber es war sicherer, mit dem Schlimmsten zu rechnen.

»Was gedenkst du dagegen zu tun?«, fragte Lisbeth.

Ich zuckte mit den Schultern, aber das ließ sie nicht gelten.

»Denk nach«, forderte sie mich auf. »Dir muss einfach etwas einfallen, selbst wenn du keinen Zugriff auf die Internetseite hast.«

Gemeinsam grübelten wir eine Zeit lang vor uns hin, bis ich entnervt stöhnte: »Es gibt nur ein Medium, das die Breitenwirkung des Internets übertreffen kann. Das Fernsehen.«

»Na also«, rief Lisbeth zufrieden. »Da hast du doch deine Lösung.«

Auf die Idee, meine Kontakte zum Fernsehen zu nutzen, war ich vorher gar nicht gekommen, jetzt erschien Sie mir als die einzig logische. Ich rief also die Heidi an.

»Eine Folgesendung?«, fragte sie überrascht. »Aber die erste ist doch erst ein paar Tage her.«

»Es gibt aber einen sehr aktuellen Anlass«, erklärte ich ihr. »Ein Hacker versucht, mir das Geschäft kaputt zu machen.« Ich berichtete ihr möglichst detailgetreu, aber ohne Tabeas Namen zu erwähnen.

»Ist der Hacker durch unsere Sendung auf dein Unternehmen aufmerksam geworden?«, fragte Heidi, als ich geendet hatte.

Ich überlegte krampfhaft, ob ein Ja oder ein Nein die bessere Antwort war. Bestenfalls bestätigte ein Ja die Wichtigkeit der Sendung und ich hatte bei der Heidi ins Schwarze getroffen.

»Oh, das ist ein toller Aufhänger für eine Folgesendung. Wann geht es denn?«

Wir verabredeten uns für den morgigen Samstagvormittag, Heidi versprach, auch Samstag noch zu schneiden. Ich hatte berechtigte Hoffnung, dass mein Leben vielleicht schon am Montag wieder in Ordnung wäre – bis die Heidi sagte: »Mit diesem Beerdigungsunternehmer muss ich natürlich auch sprechen.«

Verdammt, auch das noch.

»Ich weiß nicht, ob das geht«, stammelte ich, »da muss ich erst mal nachfragen.«

Ich rief Lauenstein an und redete anscheinend so wirr durcheinander, dass er mich irgendwann unterbrach: »Also, Sie meinen, da kommt ein Fernsehteam, das mich interviewen will wegen des gefälschten Fotos auf Ihrer Internetseite?«

»Ja«, murmelte ich.

»Das ist doch die beste Werbung, die ich kriegen kann«, jubelte er. »Wann kommt die gute Frau denn?«

Manchmal kann das Leben so einfach sein.

Die Heidi kam diesmal mit einem anderen Team. Kameramann und Tontechnikerin waren weniger künstlerisch ambitioniert, dafür aber gute Handwerker. Sie filmten meinen Internetauftritt ab, ich durfte einige Statements abgeben, dann zog die Karawane weiter.

Niemand hatte mich eingeladen, bei der Aufzeichnung im Beerdigungsinstitut dabei zu sein, also blieb ich zu Hause. Doch meine Gedanken kreisten unentwegt um Lauenstein und sein Unternehmen. Ob er wieder seinen schwarzen Anzug trug? Vermutlich schon, denn das gehörte zu seinem Job ja dazu. Ob er vor der Kamera eine gute Figur machte? Ob er sich wohl dekorativ vor einem offenen Sarg filmen ließe? Und wie ging die Sache mit seinem Vater weiter? War er denn überhaupt sein Vater? Eigentlich ging mich das Ganze nichts mehr an. Oder doch? Wäre es nicht nur recht und billig, wenn ich das Ergebnis meines Ausflugs ins belgische Güterbahndepot erführe?