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»Ich habe mir schon ein paar Gedanken dazu gemacht«, gab Tabea zurück. »Wir sollten uns nächste Woche mal zusammensetzen. Ruf mich an.«

Ich nickte glücklich.

Lauenstein stand immer noch mit den Anzugträgern zusammen, nickte mir aber aufmunternd zu, als unsere Blicke sich trafen.

Greg zog mich mit einer Hand wieder in den Kollegenkreis zurück, ohne seine Erzählung zu unterbrechen. Er gab gerade eine Geschichte aus seinem unermüdlichen Vorrat der Kategorie »die dümmsten Kunden haben die dickste Kohle« zum Besten. Ich fühlte mich auf einmal fehl am Platz und empfand seine Vorstellung als peinlich, schlicht empörend. Dabei bemerkte ich, dass sich Gregs Hand wieder in meiner Taille eingefunden hatte, und es war mir – unangenehm.

Sue blickte betreten zu Boden.

In was war ich hier nur hineingeraten? Wieso flirtete er mit mir, während seine Freundin dabeistand? Und warum ließ Sue sich das einfach gefallen? Ich wollte so schnell wie möglich weg hier.

Unruhig ließ ich die Augen durch den Saal schweifen, begegnete Omas Blick und erwiderte ihr Zwinkern. Ich wand mich aus Gregs Umarmung und wollte zu ihr hinübergehen, als ich aus dem Augenwinkel Lauenstein sah, der mit dem Mantel über dem Arm den Saal verlassen wollte. Ich machte Oma ein Zeichen und lief Lauenstein hinterher.

»Ich hätte Ihnen den Oscar gegeben«, sagte ich, weil mir gerade nichts Besseres einfiel. Außerdem stimmte es.

»Danke, sehr freundlich.« Er lächelte wieder. Dieses Zopfpulloverlächeln, das mir schon an dem furchtbaren Sonntagmorgen an meinem Küchentisch so gut gefallen hatte. »Und Sie haben Ihren wirklich mehr als verdient. Sie haben etwas Großartiges geleistet und sogar diverse…«, er zögerte, lächelte schräg, spitzte die Lippen und fuhr dann fort »… Schwierigkeiten bravourös gemeistert.«

Ich spürte, wie ich rot wurde.

»Und außerdem sind Sie die bezauberndste Unternehmerin des Jahres, allein dafür hätten Sie schon eine besondere Auszeichnung verdient.«

Bezaubernd. Schon wieder dieses Wort. Aus seinem Mund klang es nicht lächerlich oder antiquiert, sondern schlicht – bezaubernd.

Fast hätte sein Kompliment dazu geführt, dass ich meine Frage vergessen hätte.

»Was ich Sie immer noch fragen wollte…«, sagte ich, hielt dann aber inne. Das war jetzt nicht der passende Moment dafür.

Aber Lauenstein hatte schon verstanden, was ich meinte. »Ich weiß, was Sie fragen wollen. Ja, es war mein Vater. Das war schon ein komisches Gefühl, den vermissten Vater wiederzufinden, um ihn sofort wieder zu verlieren«, er stockte, »na ja, dafür bin ich inzwischen offiziell Inhaber und Geschäftsführer der Lauenstein Bestattungs-GmbH, und meine Mutter hat ihren Hochzeitstermin festgelegt.«

»Herzlichen Glückwunsch.«

»Danke. Außerdem kann ich jetzt das Haus endlich verkaufen.«

»Wie schade«, entfuhr es mir.

Er blickte mich irritiert an. »Sagen Sie nicht, dass Ihnen das Haus gefällt. Es ist ein dunkler Kasten voller unangenehmer Erinnerungen und viel zu groß für mich allein.«

Ich schüttelte entschieden den Kopf. »Aber dann verliere ich ja einen guten Kunden.«

»Ich habe schon ein neues Objekt im Visier.« Er lächelte. »Nicht so groß wie das alte. Aber als Kunde bleibe ich Ihnen wohl erhalten.«

»Das sollten wir feiern. Am besten mit einem tollen Essen. Ich verhungere gleich.« Ich hatte die Worte hervorgesprudelt, ohne darüber nachzudenken, und stand jetzt perplex vor meinem Kunden. Ich wollte doch Geschäftliches und Privates strikt trennen. Abgesehen davon hatte ich noch nie einen praktisch wildfremden Mann angesprochen, um ihn zum Essen einzuladen. Lauensteins Gesicht zeigte deutlich, dass seine Überraschung so groß war wie meine. Dann lächelte er erfreut, runzelte aber gleich darauf die Stirn und warf einen raschen Blick zu Greg, der seine andächtigen Zuhörer immer noch mit Anekdoten aus der wilden, bunten Werbewelt unterhielt.

»Was wird denn Ihr Freund dazu sagen? Sie wollen doch sicher lieber mit ihm…?«

»Mein Exfreund«, warf ich blitzschnell ein, »und ich will ganz sicher nicht mit ihm…«

Aber dann fiel mir auf einmal Oma ein. Ich hatte für uns beide einen Tisch im Drehrestaurant des Fernsehturms reserviert – ganz kitschig, wie sie es sich gewünscht hatte. Nein, ich würde es nicht übers Herz bringen, diese Verabredung abzusagen. Wo war sie überhaupt? Ich hatte mich noch nicht ganz umgedreht, als ich schon ihre Hand an meinem Rücken spürte. »Alles Gute, mein Liebes«, raunte sie mir mit Verschwörermiene zu. »Mach dir keine Gedanken um mich, ich feiere mit den anderen. Und dir viel Spaß im Restaurant. Eine Tischreservierung hast du ja schon.«

Sie strahlte mich an, warf mir noch eine Kusshand zu und verschwand.

Völlig perplex drehte ich mich wieder zu Lauenstein um, der mich fragend anblickte.

»Meine Oma«, stammelte ich. »Die beste Oma der Welt!«

Er lachte. »Und klug scheint sie auch zu sein.«

Er hatte seine Hand auf meinen Unterarm gelegt und dirigierte mich sanft durch die Menge. Seine Nähe, die Wärme seiner Hand auf meinem Arm waren mir auf einmal so vertraut. Ich musterte ihn unauffällig von der Seite. Wenn mir das mal jemand prophezeit hätte, dass ich mit einem Bestattungsunternehmer…

»Wo wollen wir denn jetzt hingehen?«, unterbrach Lauensteins Stimme meine Gedanken.

Informationen zum Buch

Job weg, Freund weg und Wohnung so gut wie weg. Aber Corinna (31) wäre nicht die Enkelin ihrer patenten Oma aus der Eifel, wenn sie sich nicht umgehend an die Neugestaltung ihres Lebens machen würde, und zwar mit einer genialen Geschäftsidee: Sie gründet die »Schmutzengel« – ein Dienstleistungsunternehmen, das gestressten Managern und unbeholfenen Muttersöhnchen die Organisation des lästigen Haushalts und der anstrengenden Freizeit abnimmt. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten, die Aufträge purzeln nur so herein, alles läuft bestens. Bis zu dem Tag, an dem im Haus eines neuen und sehr peniblen Kunden plötzlich ein Toter liegt. Besorgt um das Image ihrer Firma, beschließt Corinna: Der muss weg! Doch wie und wohin?

Informationen zur Autorin

Jutta Profijt wurde 1967 in Ratingen geboren. Nach dem Abitur ging sie ins Ausland, arbeitete als Exportmanagerin im Anlagenbau und war selbstständige Unternehmerin. 2003 veröffentlichte sie ihren ersten Kriminalroman. Mit ihren Büchern über den vorlauten Geist Pascha und den schüchternen Rechtsmediziner Dr. Gänsewein (›Kühlfach 4‹, dtv 21129, und ›Im Kühlfach nebenan‹, dtv 21185) hat sie eine große Fan-Gemeinde erobert. Jutta Profijt lebt heute als freie Autorin in der niederrheinischen Provinz. Mehr über die Autorin: www.juttaprofijt.de.

Impressum

Originalausgabe 2010

© Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

eBook ISBN 978-3-423-40262-0 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-21206-9

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