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Stirnrunzeln, Lauschen, Augenverdrehen, Fingertrommeln.

»Dann holen Sie Ihren Sohn vom Kindergarten und gehen noch mal zurück.«

Lauschen.

»Gut, dann versuche ich, einen anderen Installateur zu bekommen. Bleiben Sie dran.«

Erneutes Telefonat mit der Sekretärin.

»Entschuldigung«, den Körper leicht zu mir gewandt, mit Schweißperlen auf der Stirn und die Augen fest auf das Telefon geheftet. »Meine Putzfrau sagt, dass die Waschmaschine kein Wasser zieht, der Installateur kann erst um zwei, aber sie muss ihren Sohn vom Kindergarten abholen und hat danach einen Termin beim Kinderarzt und dann kommt der Installateur nicht herein, deshalb muss ich jetzt noch einen anderen suchen.«

In dem Moment geschah es. Ich hatte einen Geistesblitz.

Mir stand meine berufliche Zukunft so klar vor Augen, als würde sie auf der großen Bühne des Schauspielhauses gezeigt und ich säße in der ersten Reihe.

Mein Blick muss starr geworden sein, denn Herr Thyssen sah mich mit besorgtem Blick an und fragte mit leichter Panik in der Stimme: »Ist Ihnen nicht gut?«

»Doch, mir geht es bestens, danke«, sagte ich und hätte fast laut gelacht.

Herr Thyssen nahm das Bewerbungsgespräch wieder auf, indem er mit leicht glasigem Blick fragte: »Äh, wo waren wir?«

Ich erläuterte meinem sehr unkonzentrierten Zuhörer meine Fähigkeiten, Kenntnisse und beruflichen Erfahrungen – allerdings nicht, weil ich hoffte, diese Stelle zu bekommen, sondern weil ich nicht wusste, wie ich ihm schonend beibringen sollte, dass ich in seiner Agentur gar keinen Job mehr haben wollte. Ja, dass ich überhaupt nicht mehr in meinem erlernten Beruf als Werbekauffrau arbeiten wollte. Weder in seiner noch einer beliebigen anderen Agentur voller selbstverliebter Pfaue und elfenhafter Schönheiten.

Ich sprach daher routiniert aber lustlos, er hörte kaum zu und so verabschiedeten wir uns bald in friedlichem Einvernehmen voneinander.

3

»Ich möchte mich selbstständig machen«, erklärte ich meiner Arbeitsberaterin am nächsten Morgen.

Sie nickte. Händigte mir Formulare aus. Schweigend. Ich nahm sie entgegen, steckte sie in meine Handtasche, dankte artig, verließ das Gebäude und stellte mich an die Straßenbahnhaltestelle. Trat von einem Fuß auf den anderen, ging auf den zwei Quadratmetern verfügbarer Fläche auf und ab. Es half nichts.

Ich war zu aufgedreht, um irgendwo auf irgendetwas zu warten, und beschloss, zu Fuß zu gehen.

Ich trug die falschen Schuhe, es war kalt, außerdem begann es zu nieseln, aber ich genoss meinen Fußmarsch. Erinnerungen an lange Spaziergänge erschienen vor meinem geistigen Auge. Angefangen hatte ich damit zu Hause in der Eifel, obwohl die wenigsten Eifler wandern. Aber Oma liebte es und ich liebte es, weil sie es liebte. Wir machten jeden Sonntag eine ausgedehnte Wanderung, im Frühjahr zu den wilden Narzissen, im Herbst zum Pilzesammeln, im Sommer frühmorgens und im Winter durch den Schnee. Auch in den ersten Jahren in Düsseldorf ging ich viel zu Fuß, verzichtete häufig auf die Straßenbahn und benutzte stattdessen die eigenen Beine. An den Wochenenden bin ich oft den ganzen Tag am Rhein entlanggegangen, bis es dunkel wurde.

Diese Freizeitbeschäftigung hatte ich aufgegeben, als ich Greg kennenlernte. Greg hielt Spazierengehen oder Wandern für Alte-Leute-Kram. Er joggte. Wenn auch unregelmäßig. Ich stellte nun fest, wie sehr mir das schnelle Gehen an der frischen Luft gefehlt hatte, und nahm mir vor, wieder mehr Wege zu Fuß zurückzulegen.

Ich hatte keine Lust, nach Hause zu gehen, sondern setzte mich in ein Café und bestellte mir eine Apfelschorle. So ein Marsch über etliche Kilometer macht ganz schön durstig.

Ich studierte die Formulare und verstand kein Wort. Zum Glück hatte die Beraterin noch fünf Broschüren zwischen die Formulare geschmuggelt, deren eng bedruckte Seiten Hunderte von Voraussetzungen, Wahlmöglichkeiten, rechtliche Grundlagen, Richtlinien, Checklisten und wichtige Hinweise für Existenzgründer enthielten.

Existenzgründer. Was für ein Wort.

Ich arbeitete mich gewissenhaft durch jede Broschüre, jedes Gesetz, jede Richtlinie, jede Checkliste und drei Tassen Milchkaffee. Himmel, war das kompliziert! Traute ich mir das wirklich zu? Ich war mir ganz und gar nicht sicher.

Ich rief Troll an, erreichte ihre Mailbox und sagte, sie solle sich melden. Es gebe eine wichtige Entwicklung in Sachen beruflicher Zukunft, die ich unbedingt mit ihr besprechen müsse. Es dauerte Stunden, bis sie zurückrief und dann noch einmal eine, bis sie endlich kam. Wir hockten in meinem Arbeits-Wohn-Schlafzimmer, futterten Möhren, und ich erzählte ihr von meiner Idee, mich selbstständig zu machen.

»Und was willst du als Selbstständige tun?«, fragte sie.

Ich erzählte ihr von dem unterbrochenen Vorstellungsgespräch und erklärte ihr kurz meine Idee.

»Du willst Putzfrau werden?«, fragte sie entgeistert. »Aus der coolsten Branche der Welt mit einem Kopfsprung ins Klo? Hast du was geraucht?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Getrunken?«

»Nein.«

Sie schwieg mehrere Minuten, in denen sie ihre Möhre mit aggressiven Kaubewegungen atomisierte und ich unsicher auf eine Reaktion wartete.

Endlich kam sie zurück zum Thema. »Also, Klofrau, was genau willst du tun?«

»Ich will einen Wohnungsrundumbetreuungsservice gründen«, entgegnete ich.

»Allein das Wort ist eine Bankrotterklärung jeglicher Ausbildungsbemühungen, die AIQ in dich investiert hat«, mokierte sie sich.

»Den Firmennamen habe ich ja noch nicht festgelegt«, erwiderte ich mit etwas angestrengter Sachlichkeit. »Du darfst mir gern dabei helfen, o Wortgewaltige.«

Die Wortgewaltige hatte heute schlohweißes Haar, nachdem wir in den letzten Wochen fast die ganze Palette des Regenbogens durchgegangen waren. Sie grinste spöttisch und sagte huldvolclass="underline" »Dann erkläre mir, worum es geht und ich sage dir, wie du dich nennen darfst.«

Ich überlegte einen Moment, denn so ganz genau hatte ich das Leistungsspektrum, das ich anbieten wollte, noch nicht definiert. »Ich will Menschen, die keine Zeit haben, sich um ihren Haushalt zu kümmern, genau das abnehmen. Das Kümmern.«

»Corinnas Kümmerkasten«, sagte Troll.

Ich verkniff mir eine Reaktion.

»Ich biete die Vermittlung von Putzpersonal, Handwerkern und Teppichreinigern an, ich organisiere den Wocheneinkauf oder liefere Häppchen und Bier für die Party. Ich beauftrage und überwache den Gärtner, sorge dafür, dass der Schornsteinfeger aufs Dach und an die Rußklappe kommt und nehme Lieferungen entgegen.«

»So eine Art Butler, Concierge und Catering-Service in einem«, sagte Troll.

»Genau.«

»Also BuCoCa«, murmelte Troll mit geschlossenen Augen. »Oder CaBuCo, CoCaBu oder…«

»Sehr hilfreich«, warf ich leicht verärgert ein. Für mich war das hier kein Spaß, ich meinte es verdammt ernst. Todernst – aber das konnte ich damals ja noch nicht wissen.

»Du bekommst den Schlüssel?«, fragte Troll.

»Ja.«

»Und fährst morgens zur Bude, um die Putzfrau reinzulassen, nachmittags noch mal, weil der Handwerker kommt, zwischendurch für den Schornsteinfeger und abends für die Leute vom Zeltverleih, Getränkemarkt und Catering-Service.«

»Na ja. Ja.« Das kam schon etwas kleinlauter.

»Und du meinst, wenn du einen Handwerker anrufst, dann kommt der sofort gesprungen, während normale Leute eine Woche auf ihn warten müssen?«

»Hm.«

»Und natürlich wirst du nur etwa drei Kunden haben, denn wenn du denen die Rundumsorgloskümmerkastentantenbetreuung gibst, hast du null Zeit für die Akquise weiterer Auftraggeber.«