«Die >Buttress<-Leute denken an einen Versicherungsschwindel.«
«Dann können sie suchen, bis sie schwarz werden. «Sie griff nach ihrem Glas, nahm einen großen Schluck und verzog das Gesicht.»Der Whisky ist genauso warm wie das Wasser da, und er schmeckt auch entsprechend. Würden Sie mir einen frischen holen?«Sie hielt mir das Glas hin. Ich erhob mich mühsam von dem Liegebett und ging mit den beiden Gläsern ins Haus. Für sie mixte ich einen ähnlichen Drink wie zuvor, einen schwächeren für mich. Dann ging ich mit den beiden Gläsern wieder nach draußen. Die Eiswürfel klickten kühl an die Wand der Gläser.
«Danke. «Sie trank fast das halbe Glas leer.»Jetzt geht’s mir besser.«
Ich trat neben das Schwimmbecken und hielt eine Zehe ins Wasser. Es war gut körperwarm.
«Was ist denn mit Ihren Beinen passiert?«fragte sie.
«Dasselbe wie mit denen Ihres Mannes, nur daß meine dabei nicht gebrochen sind.«
«Und was steckt noch unter dem Hemd?«
«Die Sonne brennt mir zu heiß. Ich halte nicht viel von einem Sonnenbrand.«
«Aha. «Sie legte sich wieder hin.»Käsig-weiß.«
Lächelnd setzte ich mich an den Rand des Beckens, ließ die Beine ins Wasser hängen und wandte ihr den Rücken zu. Eigentlich wäre es besser, dachte ich, wenn ich ginge und etwas Nützlicheres täte, beispielsweise mit Sam Hengelman reden. Aber daran hatte zweifellos Walt bereits gedacht. Seine beginnende Migräne hielt bestimmt nur so lange vor, bis unser Mietwagen mit mir außer Sicht war. Walt und Daves Frau hielten offenbar nicht viel voneinander.
«Mr. Hawkins?«fragte sie hinter mir.
«Ja?«
«Wovon leben Sie eigentlich?«
«Ich bin Beamter.«»Mit dem Ding da?«
Hinter meinem Rücken hörte ich ein scharfes, metallisches Klicken, genau das Geräusch, das mir garantiert die Haare im Nacken hochstehen ließ, als hätte ich den Urwald niemals verlassen.
«Können Sie denn überhaupt mit dem Ding umgehen?«fragte ich so lässig wie möglich.
«Allerdings.«
«Dann schieben Sie die Sicherung vor.«
Sie gab mir keine Antwort. Ich stand auf und drehte mich um. Dabei blickte ich geradewegs in die Mündung meiner eigenen Pistole.
Ich hab’s nicht besser verdient, dachte ich. Langsam, leichtsinnig, dumm. Das alles war ich, und noch mehr.
Sie hatte die Beine untergeschlagen und hielt meine Parabellum in der Faust, ohne zu zucken. Da zwischen uns fünf Schritte lagen, zuviel, um etwas zu unternehmen, blieb ich einfach ruhig stehen.
«Sie sind recht kaltschnäuzig; das muß man Ihnen lassen.«
«Sie werden mich nicht erschießen«, sagte ich lächelnd.
«Und warum nicht?«
«Weil ich nicht für eineinhalb Millionen versichert bin.«
Ihre Augen wurden groß.»Soll das heißen, daß Sie glauben… daß…. ich… ich Chrysalis erschossen…?«:
«Möglich.«
Sie starrte mich an.»Sie sind ein verdammter Narr.«
«Sie ebenfalls, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf. Dieses Schießeisen geht sehr leicht los.«
Sie betrachtete die Pistole mit einem gleichgültigen Blick und warf sie mit einer raschen Bewegung auf die Steinplatten, ehe ich sie daran hindern konnte. Der Ruck mußte einen Schuß auslösen. Ein Mündungsblitz schoß aus dem Lauf, und die Kugel zerschmetterte das Whiskyglas, das genau unter ihrem Liegebett stand.
Sie brauchte eine Sekunde, ehe sie kapierte, was geschehen war. Dann zitterte sie und schlug die Hände vors Gesicht. Ich holte die Pistole, sicherte sie und hockte mich dann zu ihr auf den Rand der Liege.
«Spiele«, murmelte sie mit unsteter Stimme.»Was hab’ ich schon außer Spielen? Bridge und Golf. Alles nur Spielereien.«
«Das hier auch?«Ich schob die Parabellum ins Schulterhalfter und befestigte sie mit dem Gurt.
«Ich wollte Ihnen nur ein bißchen Angst machen!«
«Warum?«
«Verdammt gute Frage. Wirklich — eine verdammt gute Frage. Alles Spielerei. Das ganze Leben ist nichts als ein verdammtes Spiel.«
«Und wir alle verlieren dabei«, sagte ich ironisch.
Sie ließ die Hände sinken und sah mich an. Ihre Augen waren trocken, aber sie wirkte nur noch halb so selbstsicher wie zuvor.
«Es war nur ein Spiel. Ich wollte Ihnen nichts antun.«
Sie glaubte wahrscheinlich, die Wahrheit zu sagen, aber ich hatte schon zu oft erlebt, wie einem das Unterbewußtsein Streiche spielen kann. In ihr war unbezweifelbar ein Drang, mich zu vernichten — vielleicht, weil ich ihren Mann gerettet hatte, oder weil ich nach seinem Pferd suchte, oder auch nur, weil ich eine obskure Art von männlicher Herausforderung für sie darstellte. Oder ihre Sorgen waren viel vordergründigerer Art.
«Geben Sie mir Ihr Glas«, bat sie plötzlich.
«Ich hol’ Ihnen noch einen Whisky.«
«Ihrer ist mir schon recht.«
Ich gab ihr das Glas, aber ein kleiner Schluck genügte ihr. Es war Ginger Ale mit Eis.
«Müssen Sie denn auf der ganzen Linie schwindeln?«
«Nur dann, wenn’s menschenfreundlicher ist, oder sicherer, oder wenn ich mir bessere Ergebnisse davon verspreche.«
Ich ging über den Rasen und holte ihr ein frisches Glas.
Sie nahm einen bescheidenen Schluck und stellte es dann zwischen die Überreste des ersten Glases.
«Bleiben Sie zum Essen hier«, sagte sie. Es sollte mehr wie ein gleichgültiger Vorschlag klingen und nicht wie eine warme Einladung. Ich ging nicht auf ihren Ton ein, sondern auf das, was ich dahinter spürte.
«Gut.«
Sie nickte kurz und legte sich auf den Bauch. Ich schob einen Arm über das Gesicht, um die Augen vor der Sonne zu schützen, und dachte über all die Fragen nach, die sie nicht gestellt hatte. Wie es Dave ging? Ob seine gebrochene Hüfte schlimm war?
Nach einer Weile nahm sie den Faden wieder auf.
«Kommen Sie doch ins Wasser!«rief sie vom Schwimmbek-ken her.
Ich schüttelte den Kopf.
«Seien Sie doch nicht so verschämt, ich bin keine Jungfer, die leicht in Ohnmacht fällt. Ihr Körper dürfte so ähnlich aussehen wie Ihre Beine. Also ziehen Sie schon das verdammte Hemd aus und erfrischen Sie sich.«
Es war tatsächlich sehr heiß, und das klare blaue Wasser sah einladend aus. Seufzend erhob ich mich, zog das Hemd aus und glitt ins Wasser. Die laue Wärme löste Verkrampfungen, die mir zuvor nicht einmal zu Bewußtsein gekommen waren. Die Nervenanspannung ließ nach. Ich paddelte fast eine Stunde lang gemächlich hin und her. Als ich mich schließlich wieder auf die Kante des Beckens emporzog, legte sie gerade eine neue Schicht Öl auf. Ihr Whiskyglas war leer.
«Sieht Dave ähnlich aus?«fragte sie.
«Ziemlich.«
Sie schnitt eine Grimasse und sagte nichts, als ich wieder das Hemd überzog.
Allmählich neigte sich die Sonne, und die Bäume warfen längere Schatten. Ein goldener Schimmer lag auf dem großen Haus im Kolonialstil jenseits der grünen Rasenfläche. Der Wasserspiegel lag wieder unberührt und regungslos da, und die Stille ringsum kroch mir heimlich in die Glieder.
«Schön haben Sie’s hier«, sagte ich. Eine recht banale Phrase für die friedliche Ruhe.
Sie schaute sich gleichgültig um.»Wahrscheinlich. Aber wir ziehen natürlich wieder um.«
«Umziehen?«
«Ja. Nach Kalifornien.«
«Mit dem ganzen Gestüt? Mit Pferden und allem?«
«Genau. Dave hat kürzlich eine Farm bei Santa Barbara gekauft. Im Herbst übersiedeln wir.«
«Und ich dachte, Sie hätten sich hier für den Rest Ihres Lebens eingerichtet. War das nicht die Farm von Daves Vater?«
«Ach, nein. Wir sind erst vor zehn Jahren hierhergekommen. Die alte Farm lag auf der anderen Seite von Lexington, an der Versailles Road.«
«Kalifornien ist weit weg«, bemerkte ich, aber sie tat mir den Gefallen nicht und gab mir keinerlei Hinweis für den Grund der Übersiedlung. Nach einer Weile fuhr ich fort: