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«Wenn’s Ihnen nichts ausmacht, hätte ich mir gern die Pferde und die Stallungen angesehen.«

Ihre Augen wurden eng.»Beruflich oder privat?«

«Beides«, gab ich lächelnd zu.

Sie zuckte die Achseln.»Wie Sie wollen. Aber vorher holen Sie mir noch etwas zu trinken.«

Ein tragbarer Kühlschrank würde hier viele Wege sparen, dachte ich, aber vielleicht brauchte sie die Illusion, am Nachmittag noch nichts zu trinken. Ich füllte ihr Glas und ging mich anziehen. Als ich aus der Kabine trat, lag sie immer noch im Bikini da, das Gesicht nach unten.

«Sagen Sie einfach, ich hätte Sie geschickt«, murmelte sie.

In diesem Augenblick rief jedoch Dave aus England an. Eva brachte das Telefon heraus und stöpselte die lange Schnur an der Umkleidekabine ein. Daves Frau stellte zwei oder drei wenig besorgte Fragen nach seiner Gesundheit, dann sagte sie:»Ja, er ist gerade hier. «Sie hielt mir den Hörer hin.»Er will Sie sprechen.«

«Gene?«Seine Stimme klang so deutlich, als riefe er hier aus Lexington an, außerdem viel kräftiger als gestern morgen.

«Hallo!«sagte ich.

«Hören Sie, Sim und ich brauchen Sie morgen zu einer Besprechung. Können Sie eine Maschine erwischen?«

«Aber die Kosten…«:, wandte ich bescheiden ein.

«Zum Teufel mit den Kosten. Sie haben doch einen Rückflug.«

«Das stimmt.«

«Das Pferd haben Sie noch nicht gefunden?«

«Nein.«

«Glauben Sie, daß Sie es finden werden?«

«Das kann ich noch nicht sagen.«

Er seufzte.»Dann bis Donnerstag. «Damit war die Leitung tot.

Die Stallungen lagen auf der anderen Seite des Hauses. Ich ging um das Haus herum und unterhielt mich kurz mit dem Oberpfleger Chub Lodovsky, einem kräftigen, gutmütigen Mann mit kleinem Vogelkopf und mächtigen Schaufelhänden. Er sprach langsam und bedächtig, zeigte mir in unendlicher Geduld die gesamte Anlage und war offenbar sehr stolz auf seinen Job. Mit Recht. Der Zustand des Gestüts sprach für ihn. Die Stuten und Fohlen standen friedlich kauend in einer Reihe kleiner Verschläge, die man über makellose Fahrwege mit sauber geschnittenen Graskanten erreichte. Die Hengste bewohnten eine kurze Reihe von sechs großen, luftigen Boxen in einem geräumigen Stallgebäude mit einem abgetrennten Auslauf davor. Daneben lagen hinter hohen Mauern zwei Beschälplätze.

Nur fünf der Boxen waren besetzt. Der freie Platz war für Chrysalis bestimmt.

«Hat hier auch Allyx gestanden?«fragte ich.

«Ja, in der zweitletzten Box. Aber er war nur vier Tage hier.«

«Und wo brach das Feuer aus?«

Er runzelte die Stirn.»Es muß nachts in einem Strohhaufen angefangen haben, etwa hier. «Wir standen ziemlich in der Mitte.»War nicht schlimm. Hauptsächlich Rauch.«

«Sie haben die Hengste dann vorn in den Auslauf getrieben?«

«Richtig. War nur ‘ne Vorsichtsmaßnahme. Aber eins von den verflixten Biestern hat gescheut und drüben auf der anderen Seite eine Planke zertrampelt. Danach sind sie alle ausgebrochen, über die Wiese da hinüber zu dem Schotterweg. Allyx haben wir nicht mehr gefunden. Seitdem ist er spurlos verschwunden.«

Wir unterhielten uns eine Weile über die Suchaktion, die sie am folgenden Morgen eingeleitet hatten. Lodovsky erklärte allerdings, in Kentucky wimmle es von Pferden, und niemand denke sich viel dabei, wenn er eins frei herumlaufen sehe.

Obgleich eine hohe Belohnung ausgesetzt war und die Leute von der Versicherung wie die Bluthunde herum schwärmten, wurde er nicht gefunden.

«Und jetzt auch noch Chrysalis!«Ich seufzte mitfühlend.

«Klar. Dabei sagt man, der Blitz schlägt niemals zweimal an derselben Stelle ein.«

Es schien ihn ein wenig zu kränken, daß sein Gestüt damit eine weitere Attraktion eingebüßt hatte, aber es war schließlich nicht sein Geld, und außerdem war er auch auf die noch verbliebenen Hengste mächtig stolz. Ich fragte ihn, ob er schon einmal in Kalifornien gewesen sei.

«Wir übersiedeln mit Sack und Pack dorthin, wußten Sie das nicht?«fragte er.

«Gehen Sie auch mit?«

«Vielleicht, vielleicht auch nicht. Hängt von meiner besseren Hälfte ab, und die kann sich einfach nicht entscheiden. «Er grinste und nahm würdevoll den Geldschein entgegen, den ich ihm reichte.

Als ich zum Schwimmbecken zurückkam, hatte Daves Frau sich das Kleid übergezogen. Eva fegte die Glassplitter zusammen und trug sie vorsichtig über den Rasen weg.

«Na, wie gefällt’s Ihnen?«

«Die Pferde sehen prächtig aus, insbesondere die Hengste.«

«Würden Sie auch, wenn Sie nichts weiter zu tun hätten, als…«Sie hielt inne und verbesserte sich achselzuckend:

«Würden Sie auch.«

Abgesehen von einem gelegentlichen» Verdammt«, das ihr aus alter Gewohnheit unterlief, war das für heute die letzte Entgleisung. Obgleich ich nicht entsetzt reagierte, trank sie den Rest des Nachmittags und Abends in gleichmäßigem Tempo weiter. Ihre geistigen Bremsen blieben, genau wie schon zuvor, halb angezogen.

Bei einer dicken Scheibe rohen Beefsteaks fragte sie:

«Sind Sie verheiratet?«

«Nein. «Ich schüttelte den Kopf.

«Geschieden?«

«Nein. Ich war nie verheiratet.«

«Sind Sie andersrum?«fragte sie im gleichen Ton, als hätte sie gefragt:»Sitzen Sie bequem?«

Ich lächelte leise.»Nein.«

«Und warum haben Sie dann nicht geheiratet?«

«Ich hab’ keine gefunden, die mich hätte heiraten wollen.«

«Das ist doch lächerlich! Die Frauen müssen Ihnen doch in Trauben am Hals hängen.«

«Das ist nicht dasselbe.«

Sie betrachtete mich sinnend über den Rand ihres Glases hinweg.»Sie leben also ganz für sich allein?«

«Stimmt.«

«Keine Eltern?«

«Die sind beide tot. Ich habe auch keine Geschwister, keine Onkels, Tanten oder Vettern und Cousinen. Sonst noch etwas?«Ich lächelte.

«Bleiben Sie über Nacht.«

Das kam so plötzlich heraus, als stammte diese Aufforderung aus einer Schicht tief unter der seichten Oberfläche ihrer harmlosen Befragung. Sie schien sogar selbst ein wenig erschrocken zu sein.

«Tut mir leid«, antwortete ich nüchtern.»Es geht nicht.«

Sie sah mir etwa zehn Sekunden lang ausdruckslos ins Gesicht.

«Ich habe noch eine Mutter«, sagte sie schließlich.

«Auch Brüder und Schwestern und Dutzende von

Verwandten. Dazu einen Mann, einen Sohn und all das hier.«

Ihre Handbewegung umfaßte den gesamten Millionenbesitz.»Ich habe alles. «Ihre Augen füllten sich mit Tränen, aber sie sah mir weiter ohne zu blinzeln direkt ins Gesicht.

«Verdammt — ich hab’ alles, was man sich wünschen kann.«

Kapitel 6

In meinem Zimmer fand ich einen Umschlag von Walt vor, der eine kurze Notiz und eine Liste enthielt.

Gene, mehr habe ich aus den Fahrern nicht herausbekommen. Man darf wohl mit Sicherheit annehmen, daß sie diese Wagen wirklich gesehen haben. An die ersten drei erinnern sich alle beide. An die übrigen erinnert sich nur einer von ihnen. Keine Pferdetransporter dabei. Walt

Die Liste lautete:

Impala, lila, 2 Jahre alt, Zulassung aus Kalifornien. Zu den Insassen gehörte ein dickes Kind, das aus dem Rückfenster Grimassen schnitt. An beiden Tagen.

Grauer Kombi mit einer Ladung Möbeln. An beiden Tagen. Ford Mustang, dunkelgrün, Zulassung aus Nevada. Junges Paar, keine nähere Beschreibung. Die Fahrer erinnern sich an diesen Wagen, weil sie sich darüber unterhielten, ob der Mustang ein guter Wagen sei. Nur am zweiten Tag.

Armeegrüner Kleinlaster mit weißer Aufschrift an den Türen. Nur am zweiten Tag. Die Fahrer meinen, sie hätten ihn wahrscheinlich auf der Bundesstraße 70 gesehen, hinter Zanesville und bevor sie nach Süden abbogen. Keine genaue Erinnerung.