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«Wie Sie schon sagten, stammt das Taschentuch aus Japan. «Nach einem kräftigen Schluck von seinem zweiten Whisky lebte er etwas auf.»Einige der Firmen riefen mir zu Gefallen ihre Niederlassungen an der Westküste an. Nichts zu machen. Anscheinend stammen mindestens die Hälfte aller im Westen der Staaten verkauften Souvenirs aus Japan, aber alle Lizenzträger für >Yogi-Bären< sagten übereinstimmend, er ist es nicht. Die Kopfform stimmt nicht.«

Aus dem reichlich abgegriffenen Umschlag zog er ein kläglich aussehendes, einstmals weißes Taschentuch heraus und streifte es mit einem haßerfüllten Blick.

«Wenn das Ding da im Yellowstone Park oder in der Nähe verkauft wurde, kann es aus jeder Waschküchenfirma stammen. Da es nicht der >Yogi-Bär< ist, braucht auch niemand Lizenzgebühren dafür zu bezahlen. Es ist demnach nicht möglich, herauszufinden, wer es ins Land eingeschleppt hat und wo es an wen verkauft wurde.«

Ich überlegte zehn Sekunden lang und schlug gleichmütig vor:»Wir könnten es einmal vom anderen Ende her versuchen.«

Er starrte mich ungläubig an.»Sind Sie übergeschnappt? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«

Die Eisstücke in meinem Whisky waren zu kleinen Plättchen zusammengeschmolzen. Ich nippte an dem ertrunkenen Whisky und stellte das Glas rasch wieder hin.

Ich fuhr fort:»Einer der Möbelwagen wurde in Rock Springs im Bundesstaat Wyoming abgegeben und befindet sich auch noch dort. Es hat sich dafür noch kein anderer geeigneter Kunde gefunden. Ich habe die Firma gebeten, den Wagen festzuhalten, bis ich ihn mir angesehen habe.«

«Warum denn? Warum ausgerechnet der?«fragte Walt. Er gab sich kaum noch Mühe, den gereizten Ton seiner Stimme zu unterdrücken.

«Weil’s einer von den dreien ohne Telefonnummer ist. Weil im gleichen Staat der Yellowstone Park liegt. Und weil’s mich einfach dabei juckt.«

«Der Yellowstone Park liegt doch genau am entgegengesetzten Ende von Wyoming. Müssen mindestens vierhundert Meilen dazwischen sein.«

«Dreihundert. Ich habe auf der Landkarte nachgesehen.«

Er trank einen Schluck und rieb sich viel schneller als gewöhnlich mit dem Daumen über die Fingerkuppen. Rings um seine Augen tauchten winzige Fältchen auf.

«Ich halte das für unnütze Zeitvergeudung«, sagte er.

«Ich habe genügend Zeit.«

«Aber ich nicht.«

Er stellte das Glas hart auf die Theke, griff in die Innentasche und holte ein weißes Päckchen heraus. Er warf es mir hin.

«Ihre Fotos.«

«Danke.«

Der Blick, mit dem er mich bedachte, hatte mit dem Lächeln von heute morgen nicht mehr viel gemein. Ich fragte mich, ob ich ihn wohl losgeschickt hätte, wenn ich gewußt hätte, daß er so wenig Ausdauer besaß. Wahrscheinlich hätte ich es trotzdem getan. Schließlich hatte er nicht auf halbem Wege aufgegeben, sondern erst ganz am Schluß.

Lynnie tauchte in ihrem orangefarbenen Kleid in der Tür zur Bar auf. Sofort strafften sich die müden Männergestalten. Sie wollte nicht hereinkommen. Ich zog Walt mit mir über den dicken Teppich und machte die beiden miteinander bekannt. Wir standen draußen in der Hotelhalle. Er machte ein paar gleichgültige Bemerkungen und verabschiedete sich. Seine Miene war düster, sein Rücken drückte Ablehnung aus.

«Was ist denn dem für eine Laus über die Leber gelaufen?«fragte Lynnie.

«Er hat einen anstrengenden Tag hinter sich und muß nach Hause zu seiner Frau.«

Sie warf mir einen raschen belustigten Blick zu.»Wissen Sie eigentlich immer, was Sie daherreden?«

«Häufig.«

Sie kicherte.»Sie jedenfalls sehen viel müder aus als er.«

Wir gingen zum Empfang, um unsere Schlüssel zu holen.

«Sehr ermutigend.«

«Was machen wir heute abend? Oder wollen Sie lieber schlafen?«Sie war selbstlos genug, diese Frage ohne einen Unterton von Besorgnis zu stellen, aber als ich antwortete, ich würde sie überallhin führen, wohin sie auch wolle, da bekam ihr Schritt eine ganz besondere Elastizität. Sie entschied sich für eine zweistündige Taxifahrt zu allen Stellen der Stadt, von denen sie gehört, die sie aber am Nachmittag nicht geschafft hatte. Danach Dinner in einem Restaurant im zweiten Stock mit Glaswänden, durch die man auf die Lichter des Broadway und des Times Square hinunterschauen konnte. Um 23.30 Uhr waren wir wieder im >Biltmore<, und sie zeigte sich immer noch hellwach.

«Was für ein phantastischer, herrlicher Tag!«rief sie im Lift.

«Fein.«

«Ich werde ihn mein Leben lang nicht vergessen.«

Ich mußte über ihre kindliche Begeisterung lächeln. Es war tausend Jahre her, seit ich das letztemal so glücklich war, aber manchmal erinnerte ich mich noch daran, wie das ist. Diesen Abend fiel mir das nicht schwer.

«Sie sind ganz und gar nicht miesepetrig«, sagte sie mit breitem, zufriedenem Lachen.

«Sie wären auch nicht gerade langweilig, wenn der Lift jetzt steckenbliebe.«

Aber dem Lift fehlte die Phantasie. Er hielt vorschriftsmäßig im achten Stock, und wir gingen zu unseren Zimmern. Ihre Tür lag der meinen genau gegenüber.

Ich gab ihr einen Kuß auf die Wange.»Gute Nacht, kleine Lynnie.«

Ihre braunen Augen strahlten mich heiter an.»Gute Nacht, Gene. Schlafen Sie gut.«

«Sie auch«, sagte ich.»Morgen früh heißt unsere nächste Station Kentucky.«

Ich brauchte vier Tage, um das Mädchen auf dem Foto zu finden. Ohne Lynnie hätte ich es vielleicht in zwei Tagen geschafft. Mir war insgeheim zwar klar, daß mich nichts dazu verpflichtete, aber ich erfand triftige Gründe dafür, daß ich sie persönlich nach Lexington begleiten müsse. Wir flogen via Washington hin; in der Hauptstadt überbrückten wir die Wartezeit mit einer weiteren ausgedehnten Stadtrundfahrt per Taxi. Lynnie wollte nichts versäumen.

Eunice holte uns am Flughafen von Lexington ab und fuhr uns nach Midway. Nach einem raschen Mittagessen lieh sie mir ihren Wagen. Ich bestach Chrysalis’ ehemaligen Pfleger mit zwanzig Dollar, mich zu Sam Hengelman zu begleiten. Sam saß vor einem Farbfernseher, schaute sich einen uralten Film an und erklärte aus dem Mundwinkel, der Pferdetransporter sei von der Polizei noch nicht freigegeben. Wenn ich ihn mir ansehen wolle, so solle ich mich an die Polizei wenden.

Im Polizeirevier hörte sich ein Beamter der Staatspolizei meine Geschichte an, murmelte ein paarmal» Yeah!«, beriet sich mit seinem Vorgesetzten und förderte sodann ein paar Schlüssel zutage. Der Vorgesetzte entpuppte sich als ein gut aussehender Kriminalbeamter von Mitte zwanzig. Zu viert begaben wir uns auf den Parkplatz hinter dem Polizeirevier. Dort stand der Transporter in einer Ecke.

Chrysalis’ Betreuer zeigte mir die Box, in der das Pferd gestanden hatte, und der Polizeibeamte steuerte den Beweis bei: vier lange, glänzende Pferdehaare.

«Aus seiner Mähne«, erklärte der Pfleger selbstsicher.

Der Kriminalist behielt zwei Haare für seine Akten und schickte die beiden anderen per Eilboten an Walt bei der >Buttress<-Versicherung, dann fuhren der Pferdepfleger und ich wieder nach Midway zurück.

Eunice und Lynnie aalten sich im Swimmingpool. Der Rest des Tages und der Abend entwickelten sich fast so, wie ich es mir in meinem Tagtraum im Flugzeug vorgestellt hatte, nur daß die sechzehn Stunden Schlaf auf sechs zusammenschrumpften. Aber für mich war selbst das recht zufriedenstellend.

Als Lynnie mir am nächsten Morgen beim Frühstück sagte, ihr wäre es lieber, wenn ich nicht fort müßte, da wäre ich um ein Haar geblieben. In diesem Falle hätte >Buttress< die Versicherungssumme auszahlen müssen, und uns wäre eine Menge Kummer erspart geblieben. Aber wenn ich heute noch einmal vor dieser Entscheidung stünde, so würde ich mich wieder genauso entscheiden. Die Katze läßt das Mausen nicht. Der innere Zwang ließ mich nicht los. Ich hatte etwas an mir, weswegen sie mich aus der Armee weggeholt hatten, und diese Eigenschaft lag tief in meiner Natur verankert. Mir war es einfach nicht möglich, die Jagd jetzt aufzugeben. Das wußte Keeble, wie ich mir eingestehen mußte. Er brauchte nichts weiter zu tun als mich anbeißen lassen.