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«Und was werden Sie in dieser Zeit tun?«

Sachlich antwortete ich:»Auf einer Ferienranch macht man Urlaub.«

Ich ging zum Postamt und schickte ihm per Eilboten sechs Haare von der Mähne des Sardinenpferdes, dann kehrte ich zu der aufreibenden Aufgabe zurück, die ich von Anfang an gefürchtet hatte: den Urlauber spielen.

Die drei Tage kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Die Vormittage und einen Teil der Nachmittage brachte ich im Sattel zu; das war noch der erträglichste Teil. Die Mahlzeiten waren nach wie vor grausam anstrengend. Die Nächte wurden mir lang. Ich wünschte mir Lynnie herbei, denn in ihrer Gegenwart schien meine niedergedrückte Stimmung zu verfliegen, aber die war als Eunices Stütze und nicht als meine hergekommen. Und bei allem Vertrauen hätte ihr Vater es mir kaum geglaubt, daß ich nur am Tage ihre Nähe suchte. Vielleicht hätte ich es auch nicht geschafft. Also gab es für mich keine Stütze. Überhaupt keine.

Yola betrieb die Ranch mit spielerischer, dafür aber um so erstaunlicherer Tüchtigkeit. Sie schaffte es, daß Personal und Gäste pausenlos zufrieden waren, ohne sich dabei zu verausgaben oder aggressiv zu werden. Das blonde Haar trug sie auch weiterhin in einem Schopf zusammengebunden. Ihre Kleidung bestand tagaus, tagein aus Jeans, Hemd und flachen Schuhen. Keine Stiefel — sie gab sich nie einen männlichen Anstrich. Sie strahlte Freundlichkeit und Selbstbewußtsein aus, aber ihr Lächeln erreichte nicht ein einziges Mal die Augen.

Ihre Fragen beantwortete ich mit halbwahren Gemeinplätzen, aber sie hörte mir ohnehin nur mit halbem Ohr zu.

«Für die Besitzerin einer so großen Ranch sind Sie noch sehr jung«, sagte ich einmal mit ausgesuchter Höflichkeit.

Diese kleine Fangfrage beantwortete sie entwaffnend offen:»Die Ranch gehörte erst meinem Großvater und danach meiner Mutter. Sie ist vor zwei Jahren gestorben.«

«War das schon immer eine Gästeranch? Ich meine, für Rinder ist das Gelände doch etwas zu hügelig — «

«Es war von Anfang an eine Gästeranch«, antwortete sie.»Großvater hat sie vor vierzig Jahren zu diesem Zweck gebaut.

— Wie sind Sie eigentlich auf uns gestoßen?«

Ich streifte sie mit einem prüfenden Blick, aber sie war nur neugierig, nicht mißtrauisch.

«Ich habe mich in Jackson nach einem schönen, ruhigen, abgelegenen Plätzchen irgendwo in den Bergen erkundigt.«

«Und wer hat uns empfohlen?«

«Ich hab’ einfach auf der Straße einen Mann angesprochen.«

Sie nickte zufrieden.

«Was machen Sie eigentlich im Winter?«fragte ich.

In ihren Augen blitzte es auf, und ein rasches Lächeln glitt um ihre Mundwinkel. Was sie im Winter tat, schien ihr jedenfalls mehr Spaß zu machen, als ein Hotel zu führen.

«Wir ziehen dann nach Süden. Dieses Tal ist von November bis März völlig zugeschneit. In den meisten Jahren können wir erst im Mai wieder zurückkommen. Für gewöhnlich öffnen wir in der zweiten Juniwoche, aber selbst dann sind manche

Canyons meist noch unpassierbar.«

«Und was tun Sie in dieser Zeit mit den Pferden?«

«Ach, die bringen wir in die Ebene hinunter, auf die Ranch von Freunden.«

Ihre Stimme klang genauso kraftvoll und selbstsicher, wie sie war. Ich beobachtete, wie ihr Blick hinüberglitt zu der Koppel mit den Stuten und Fohlen und dann wieder zu mir zurückkehrte. Ausdruckslos.

Ich schenkte ihr ein Lächeln Marke >Nur für Erwachsene Stufe fünf, und erkundigte mich, ob es ihr hier, so weit draußen in der Wildnis, nicht manchmal sehr einsam vorkäme. Dieser behutsame, aber unmißverständliche Vorstoß trug mir nichts weiter ein als ein knappes Kopfschütteln. Ich war hier der einzige Mann, der nicht von einer wachsamen Frau beaufsichtigt wurde. Yola zeigte sich dennoch nicht im geringsten interessiert.

Ich machte ihr Komplimente wegen des hervorragenden Essens und der Hilfsbereitschaft der Stallburschen. Sie bedankte sich höflich. Dann gähnte ich dezent, entschuldigte mich und sagte, das müsse wohl an der vielen frischen Luft liegen. Auch das hatte sie jedes Jahr dutzendmal zu hören bekommen, und sie kannte jede Antwort auswendig, ohne erst nachdenken zu müssen. Es hatte keinen Sinn, einen Versuch zu unternehmen, ihr mittels raffinierter Technik eine unbedachte Bemerkung zu entlocken. Ich hatte auch keine Lust, mit ihr grob zu werden.

Nach einer Weile erhob ich mich müde und sagte, ich wolle schlafen gehen. Sie sah mich mit ihrem gewohnten, nichtssagenden halben Lächeln an. Eigentlich sah sie mich nicht. In einem Monat würde sie sich nicht mehr an mich erinnern. Es sei denn, ich gab ihr unbeabsichtigt einen Anlaß dazu.

Die drei Abhörmikrofone in ihrer Kabine waren mit Audio-schaltern versehen: Sobald sich in der Kabine etwas rührte, sobald auch nur ein Wort fiel, schalteten sie automatisch das mit dem Empfänger gekoppelte Tonbandgerät ein, das die hintere Hälfte des ganz normal aussehenden Transistorradios neben meinem Bett einnahm. Aber es gab nicht viel zu belauschen. Yola schlief allein, und abgesehen von einem Abend, an dem sie vier der Gäste zu einem Schlummertrunk einlud, fing der Empfänger aus der Kabine keine Unterhaltung auf, sondern nur Telefongespräche.

Jeden Abend saß ich nun in meiner Kabine, den Rücken zum schönen warmen Ofen, und hörte das Tagespensum ab. Fast alle Telefongespräche hatten mit ihrem Geschäft zu tun: Lebensmittel, Wäscherei, Schmied, Reservierungen. Aber am Freitagabend fing ich ein Telefongespräch ein, das all die Mühe lohnte.

«Onkel Bark?«fragte Yolas Stimme leise und deutlich.

Eins der Mikrofone steckte hinter einem Bild mit Hängerosen an der Wand hinter dem Telefontisch.

«Sicher, hier ist alles in Ordnung«, sagte sie. Von ihrem Gesprächspartner hörte ich nur hin und wieder ein Wort. Sie schien den Hörer dicht ans Ohr zu pressen.»Keinerlei Schwierigkeiten.«

«Matt?«

«Deshalb rufe ich ja an, Onkel Bark. Matt hat mir geschrieben, daß er in Europa aufgeben muß. Er kommt nicht an Du-weißt-schon heran, weil er bewacht wird wie Fort Knox. Ich glaube, wir müssen einfach die ganze Geschichte noch für eine Weile unter Verschluß halten.«

Was die andere Seite sagte, konnte ich nicht hören.

«Sicher ist das ärgerlich, klar. Aber wenn wir ihn nur zu dir schaffen können, bevor der Schnee kommt…«

«— «

«Wie soll das denn gehen? Du weißt doch, das Ding ist nicht danach gebaut.«

«— bleiben — «

«Wir können ihn doch nicht zusammen mit den anderen zu Clint schicken. Damit verlieren wir ein ganzes Jahr. Und er kann sich ein Bein brechen, oder sonst etwas.«

«— Wüste.«

«Nach Pitts soll er auch nicht, das ist dafür nicht geeignet. Aber Matt hat ja schließlich noch jede Menge Zeit, etwas zu arrangieren.«

«— nicht anfangen.«

«Ja, ich war sicher, daß du das tust. Aber es ist nun zu spät. Woher sollten wir auch ahnen, daß uns so etwas Blödsinniges dazwischenkommen könnte? Matt kommt vermutlich morgen im Laufe des Tages zurück. Er wird dich dann gleich anrufen.«

Bald danach legte sie auf. Ich ließ das Band zurücklaufen und hörte mir das ganze Gespräch noch einmal an. Zwei unklare Punkte schälten sich dabei heraus. Wäre Dave Teller zu auffällig abgeschirmt worden, dann hätte Matt gemerkt, daß die Episode auf dem Fluß nicht für einen Unfall gehalten wurde. Das >Blödsinnige<, das den Clives dazwischengekommen war, konnte der Umstand sein, daß ich Dave aus dem Wasser gefischt hatte. Es konnte sich aber auch um etwas ganz anderes handeln — etwas, das Daves Beseitigung überhaupt erst notwendig machte. Der Hengst war am Dienstag, dem 15. Juni, gestohlen worden, und am Samstag, dem 19. Juni, hatte sich Yola in London nach Daves Wochenendanschrift erkundigt. Was also — wenn überhaupt — hatte sich in diesen vier Tagen abgespielt? Irgend etwas >Blödsinniges< jedenfalls.

Am Sonntagmorgen nach dem Frühstück sagte ich Yola, daß ich meinen Aufenthalt auf der Ranch sehr genossen habe und morgen abreisen wolle. Sie setzte ihr vorschriftsmäßiges, verschwommenes Lächeln auf und bedankte sich für die Mitteilung.