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Meine Brieftasche lag auf dem Tisch — also hatten sie mich durchsucht. Außer ihrem Foto gab es da aber nichts zu entdecken, und das hatten sie mitgenommen. Aber sehr gründlich war ihre Suche nicht, die Parabellum steckte immer noch in der Hüfttasche unter meinem über die Hose hängenden Hemd. Ich überprüfte das Magazin. Es war noch voll. Dann schob ich die Waffe wieder in die Tasche.

Außer meinem Radio wollte ich eigentlich nichts mitnehmen. Ich schob die extra lange Antenne zusammen und legte das Radio in meinen Koffer, auch die anderen Dinge, die ich vor dem Frühstück schon gepackt hatte. Dann griff ich nach dem Koffer, kämpfte gegen das Chaos an, das diese Bewegung in meinem Gehirn verursachte, und öffnete die Gittertür. Die Hütte hinter mir bot ein Bild der Verwüstung. Der verhältnismäßig kurze Weg bis hin zu meinem Wagen kam mir vor wie ein Marathonlauf.

Beinahe hätte ich ihn in einem Stück geschafft, aber als ich das Ende des Waldpfades erreichte und nur noch den Parkplatz zu überqueren brauchte, überfiel mich eine Schwächewelle, die mir den Schweiß aus den Poren trieb. Ich ließ den Koffer fallen und lehnte mich an einen Baum, um abzuwarten, bis ich mich wieder regen konnte.

Yola trat aus der Küchentür und erblickte mich. Der Mund blieb ihr offen stehen, dann drehte sie sich um und rannte ins Ranchhaus. Vielleicht wollte sie ihr Gewehr holen oder Matt. Meine Hand schloß sich um die Pistole, aber ich hatte absolut keine Lust, sie zu gebrauchen. Ich hätte den Behörden zuviel erklären müssen, und das wollte ich in diesem Stadium vermeiden.

«Hallo«, sagte eine fröhliche Stimme hinter mir.»Wir dachten, du wärst schon längst weg.«

Ich drehte meinen geschwollenen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam, und nahm die Hand von der Waffe. Mickey und Samantha kamen den Pfad von der Blockhütte entlang, in der die Wilkersons wohnten.

«Und ich dachte, ihr wolltet ausreiten«, sagte ich.

«Die Burschen haben nicht genug Pferde heruntergebracht«, erklärte Mickey betrübt.

«Bist du krank, oder was hast du?«fragte seine Schwester, blieb stehen und sah mir besorgt ins Gesicht.

«Mir ist nicht gut«, gab ich zu.»Ich wäre euch schrecklich dankbar, wenn ihr mir meinen Koffer dort drüben zu dem schwarzen Wagen tragen könntet.«

«Klar«, sagte Mickey, und Samantha führte mich mit mütterlicher Besorgnis an der Hand. Zwischen den beiden Kindern legte ich den letzten Teil des Weges zurück.

Yola hatte ihr Gewehr geholt. Sie hielt es erstarrt in den Händen und schaute zu, wie die Kinder meinen Koffer in den Wagen schoben und neben meinem Fenster warteten, bis ich den Motor angelassen hatte. Einen Unfall durch Ertrinken oder Ersticken, das konnte sie arrangieren, aber in aller Öffentlichkeit drei Morde begehen, das schaffte sie nicht. Wenn sie das Gewehr gegen die Kinder erhoben hätte, hätte ich sie erschossen.

Die beiden winkten mir zu. Goodbye! Nette Kinder.

Goodbye!

Ich löste die Handbremse und ließ den Wagen in einer Staubwolke den Weg entlangrollen. Sobald ich die befestigte Straße erreicht hatte, gab ich Gas und bog dann auf die Hauptstraße nach Jackson ein. Falls Yola wirklich der Gedanke gekommen war, mich mit dem Kombi zu verfolgen, so hatte sie wohl zu lange überlegt. Keiner der beiden Clives tauchte in meinem Rückspiegel auf. Nur hatte ich dauernd tanzende Punkte vor den Augen.

Ich fuhr durch Jackson und nahm von da aus die Straße, die in vielen Windungen nach Idaho Falls führte. Der Snake River und der Pallisades-Stausee waren mit ihrem klarblauen Wasser vor den dunklen Nadelwäldern von atemberaubender Schönheit. Ich hielt einige Male an, aber nicht wegen der Landschaft, sondern weil mich in regelmäßigen Abständen die Schwäche überfiel. Ich fuhr ganz langsam, blieb dicht am Straßenrand, überholte niemanden und war jederzeit bereit, auf die Bremse zu treten. Wenn es mir nicht darauf angekommen wäre, ein paar hundert Meilen zwischen mich und die beiden Clives zu legen, so wäre ich gleich in Jackson geblieben. Ich wünschte mir fast, ich hätte es getan.

Als ich endlich um 17.30 Uhr landete, wanderte Walt wie ein nervöser Filmproduzent in der Halle des Motels auf und ab.

«Sie haben sich um viereinhalb Stunden verspätet«, begann er vorwurfsvoll.»Sie sagten.«

«Ich weiß«, unterbrach ich ihn.»Reservieren Sie uns zwei Zimmer, wir bleiben hier.«

Er klappte den Mund auf und preßte dann die Lippen zusammen.

«Tut mir leid«, fügte ich freundlicher hinzu,»aber mir ist scheußlich übel.«

«Was ist denn los?«

«Gehirnerschütterung.«

Walt betrachtete mich prüfend, besorgte die Zimmer und trug sogar meinen Koffer. Ich streckte mich auf meinem Bett aus, und er setzte sich fingerreibend in den Sessel.

«Soll ich einen Arzt verständigen?«fragte er.

«Ich glaube, das ist nicht nötig. Es wird jedenfalls nicht schlimmer.«

«Also, was ist denn geschehen?«

«Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf — lassen Sie Matt Clive nie in Reichweite Ihres Schädels kommen.«

Wenn ich lag, fühlte ich mich ganz wohl.

«Wollen Sie etwas zu trinken?«fragte er.

«Nein, hören wir uns lieber mal das Tonband an. «Ich erklärte ihm, wie er die Rückseite des Radios abnehmen und das Band zurückspulen konnte.

«Hübsches Ding«, meinte er.»Woher haben Sie das?«

«Ich habe es mir vor zwei oder drei Jahren anfertigen lassen.«

Walt brummte etwas vor sich hin und schaltete ein. Ich hörte den Stallmeister an Yolas Tür klopfen und berichten, daß die Stuten und Hengste ausgebrochen seien. Walts Gesicht verzog sich zu einem leisen Lächeln.

Nach jeder Aufnahme lief das Band zwanzig Sekunden weiter, dann kam die nächste. Aufnahme Nummer zwei war sehr kurz.

«Yola?«Eine sehr laute Männerstimme.»Yola! Zum Teufel, ist denn keiner da?«Eine Tür krachte. Dann wieder zwanzig Sekunden Stille.

«Das war Matt Clive«, erklärte ich Walt.»Er kam vor dem Frühstück zurück.«

Die Stimmen setzten wieder ein. Yola trat ein und sagte:

«… behaupten, die Spuren führten geradewegs ins Gebirge hinauf, aber er ist oben an dem Geröllhang umgekehrt und wieder heruntergekommen.«

Das war Glück.

«Sie müssen einfach weitersuchen«, sagte Matt.»Um Himmels willen, Yola, das Pferd dürfen wir nicht verlieren.«

Seine Stimme klang gepreßt und zornig.»Ich gehe mal ins Haus hinüber und sehe nach, ob eines von den Kindern die Hand im Spiel hatte.«

«Das glaube ich nicht. Nicht eines von ihnen macht einen nervösen Eindruck.«

«Ich versuche es trotzdem. «Seine Schritte verklangen.

Yola telefonierte.

«Bist du das, Jim? Hast du seit gestern abend irgendeinen Pferdetransporter gesehen, der durch Pikelet kam?«

«Nein, ich wollte nur wissen, ob du einen gesehen hast. Auch nicht heute früh?«

«Nein, es wäre nur eine Möglichkeit gewesen. Sicher, ja. Recht vielen Dank. «Sie legte den Hörer hart auf die Gabel.

Walt hob die Augenbrauen.»Pikelet?«

«Das sind ein paar Läden und eine Tankstelle, wo die Privatstraße der Clives in die Hauptstraße nach Jackson mündet.«

«Gut, daß wir nicht…«, begann er, dann formulierte er den Satz um:»Haben Sie deshalb darauf bestanden, daß wir den Umweg machen?«

«Zum Teil«, sagte ich.»Es sollte so aussehen, als sei Chrysalis allein ausgebrochen. Sie sollten nicht wissen, daß das Pferd gestohlen wurde. Solange sie herumrätseln, haben wir Zeit, uns aus dem Staub zu machen.«

Das Tonband setzte wieder ein. Matt kam zurück.