«Wir hören wieder voneinander«, sagte Dave.
«Klar«, antwortete ich noch einmal und meinte eigentlich gar nichts damit. Wir legten auf.
Eunice hockte mit untergeschlagenen Beinen mir gegenüber auf ihrem tomatenroten Sofa und sagte düster:
«Also haben wir anscheinend doch diesen verdammten Allyx auf dem Hals.«
«Nur, wenn wir ihn wiederfinden.«
«Wie ich Sie kenne, schaffen Sie das. Zum Teufel. «Das klang so verbittert, daß Lynnie ihr einen verwunderten Blick zuwarf. Sie war zu jung, um das zu begreifen. Eunice wollte mich nicht verletzen, ihre Bitterkeit richtete sich gegen das Leben ganz allgemein.
Kurz darauf gingen die beiden nach oben und entschuldigten sich mit Vorbereitungen wegen der Reise morgen nach Kalifornien. Ich schaltete das Licht aus und saß beinahe im
Dunkeln; beim vierten Glas von Eunices knallharten Spezialdrinks überlegte ich mir, welche Fragen ich morgen stellen mußte. Wenn ich Glück hatte, konnte ich Allyx auf dem Papier wohl finden, aber es war kaum einzurichten, daß er nach drei Jahren plötzlich wieder auftauchte. Drei Wochen waren da entschieden die äußerste Grenze. Die ganze Geschichte mußte also mehr nach der üblichen Masche aufgezäumt werden. Außerdem hatte ich nicht die Absicht, mich noch einmal den gestellten Unfällen des mörderischen Geschwisterpaars Clive auszusetzen.
Nach einer Weile ließ ich den Rest meines Whiskys stehen und ging nach oben in das geräumige Zimmer mit Klimaanlage, das Eunice mir zugewiesen hatte. Müde schaltete ich das Licht ein, und die braunen, goldenen und weißen Möbel strahlten angenehm gelb im Licht der Lampe. Ein rosa Fleck leuchtete allerdings dazwischen, und zwar Eunice selbst. Sie lag in einem flauschigen Bademantel mitten auf meinem Bett.
Langsam ging ich über den dicken weißen Teppich und setzte mich auf die Kante der weißen, gepunkteten Decke.
«Was wollen Sie eigentlich?«fragte ich leise.
«Dreimal darfst du raten.«
Ich schüttelte den Kopf.
«Soll das >Nein< heißen?«Ihre Stimme klang plötzlich nüchtern und sachlich.
«Ich fürchte schon«, sagte ich.
«Sie haben doch behauptet, nicht schwul zu sein.«
«Bin ich auch nicht. «Ich lächelte sie an.»Aber für mich gibt es eine unumstößliche Regel.«
«Und die wäre?«
«Nie mit den Frauen oder Töchtern der Männer zu schlafen, für die ich arbeite.«
Sie richtete sich mit einem Ruck auf. Ihr Gesicht war meinem sehr nahe. Die Pupillen waren klein, wie meistens bei Leuten, die zu einem Viertel betrunken sind.
«Das bezieht sich auf Lynnie auch«, sagte sie.
«Ja, stimmt.«
«Der Teufel soll mich holen. Wollen Sie damit sagen, daß Sie in New York eine Nacht mit ihr verbracht haben, ohne auch nur zu versuchen…«
«Es hätte auch nicht viel genützt, wenn ich es versucht hätte«, sagte ich lachend.
«Nicht zu fassen. Sie läßt Sie nie aus den Augen, und als Sie weg waren, hat sie von nichts anderem geredet.«
Ich sah sie mit echter Überraschung an.»Sie müssen sich irren.«
«Ich bin doch nicht von gestern«, murmelte sie betrübt.
«Sie hat auch zwei Fotos von Ihnen.«
«Fotos?«Ich war wie vor den Kopf geschlagen.
«Ihr Bruder hat Sie geknipst. Bei dem Ausflug auf der Themse.«
«Aber sie sollte doch nicht.«
«Vielleicht sollte sie nicht«, unterbrach mich Eunice trocken.»Aber sie tut es. «Sie schwang ihre Beine über die Bettkante und saß nun neben mir. Für eine Frau, die eine Verführung plant, war sie ziemlich vollständig bekleidet.
«Sie haben von mir ein >Nein< erwartet«, sagte ich.
Sie verzog das Gesicht.»Ich habe zumindest damit gerechnet. Aber es war einen Versuch wert.«
«Eunice, Sie haben den Verstand verloren.«
«Ich langweile mich«, brach es aus ihr hervor. Und das war zweifellos die Wahrheit.
«Dann reihen Sie mich in dieselbe Kategorie ein wie Golf und Bridge.«
Sie spielte wohl immer.
«Sie sind wenigstens verdammt menschlich«, sagte sie und verzog ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln.»Bei den meisten Männern kann man das nicht behaupten.«
«Worauf freuen Sie sich am meisten in Kalifornien?«fragte ich.
Sie machte große Augen.»Ihr Verstand funktioniert verdammt sprunghaft. Was hat das mit Sex zu tun?«
«Beantworten Sie meine Frage, dann sage ich es Ihnen.«
«Du liebe Zeit…«Aber sie gab sich keine Mühe mehr, sich zu konzentrieren, und am Schluß antwortete sie genau das, was ich wohl erwartet hatte.
«Ich glaube, ich freue mich am meisten darauf, das Haus einzurichten.«
«Sie haben das alles selbst gemacht?«fragte ich mit einer umfassenden Handbewegung.
«Ja. Und?«
«Warum fangen Sie nicht ein Geschäft an? Warum tun Sie das nicht für andere Leute?«
Sie versuchte ein spöttisches Lachen, aber der Haken saß. Sie mußte selbst schon daran gedacht haben, weil mein Vorschlag sie gar nicht in Erstaunen setzte.
«Ich bin doch kein verdammtes Genie.«
«Sie haben ein Gefühl für Farben, mehr noch: für Stimmungen. Dies ist das gemütlichste Haus, das ich jemals betreten habe.«
«Gemütlich?«fragte sie erstaunt.
«Ja. Lache Bajazzo, so ungefähr. Sie bringen es fertig, anderen Menschen etwas zu geben, auch wenn Sie sich selbst inwendig leer vorkommen.«
Ihr stiegen Tränen in die graugrünen Augen und sie senkte die Lider. Ihre Stimme klang aber ganz normal.
«Woher wissen Sie das?«
«Ich weiß es eben.«
Nach einer Pause sagte sie:»Mit Sex hat das wahrscheinlich insofern etwas zu tun, als Innendekorateurin der passende Ausgleich für eine Frau in mittleren Jahren ist, deren Anziehungskraft rascher nachläßt als ihr Appetit…«Ihr bitterer Ton verriet eine lange Bekanntschaft mit diesem Jargon und Freudschen Ansichten.
«Nein«, sagte ich sanft.»Genau das Gegenteil.«
«Wie?«Sie machte die Augen wieder auf. Sie schimmerten feucht.
«Spielen ist leichter als arbeiten.«
«Sagen Sie das deutlicher«, bat sie.»Sie reden in Rätseln.«
«Sex, besonders in dieser zufälligen Form. «Ich klopfte mit der Hand auf die Stelle, wo sie gelegen hatte.
«Sex kann auch eine Form des Davonlaufens vor wirklichen Aufgaben sein. Ein Liebhaber dient manchmal als Ersatz für ein tieferes Bedürfnis. Leute, die sich den Forderungen des einen nicht stellen mögen, vertreiben sich manchmal die Zeit mit dem anderen.«
«Um Himmels willen — ich verstehe kein einziges verdammtes Wort davon. «Sie schloß die Augen und legte sich auf den Rücken.
«Tausende von Menschen haben nie etwas ernsthaft versucht, weil sie Angst haben zu versagen«, sagte ich.
Sie schluckte. Nach einer Weile meinte sie:»Und was, zum Teufel, tut man, wenn man wirklich versagt?«
Ich gab ihr keine Antwort. Nach einer Weile wiederholte sie ihre Frage nachdrücklicher.
«Sagen Sie mir, was Sie tun, wenn Sie versagen.«
«Das Problem habe ich selbst noch nicht gelöst.«
«Ach!«Sie ließ ein mattes Lachen hören.»Ach Gott. Ein Blinder führt einen anderen Blinden. Das ist genau wie überall bei dieser verdammten Menschenrasse.«
«Ja. «Ich seufzte und stand auf.»Wir alle stolpern im Dunkeln dahin. So ist das nun mal.«
«Ich weiß nicht, ob Sie es mir glauben werden, aber ich war Dave immer vollkommen treu, bis auf jetzt.«