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«Verschieben Sie’s um eine Woche«, empfahl ich.

«Ich hab’s Ihretwegen schon zweimal verschoben.«

«Ach…«

Nach einer Weile sagte er:»Also dann bis morgen, so gegen sechs Uhr Ortszeit.«

«Ja, das müßte reichen.«

«Bis dann«, murmelte er und legte auf. Ich legte den Hörer sanft auf die Gabel und sah mich in dem grün-tomatenroten Raum der Tellers um.

Nichts zu machen.

Ich mixte mir umständlich einen Drink und kippte ihn hinunter. Dann schlenderte ich zum Schwimmbad, überlegte mir, ob ich noch ein bißchen schwimmen sollte, aber mir war das Ausziehen zu umständlich. Ich ging ins Haus zurück und ließ mir von Eva etwas zu essen richten. Sie freute sich so sehr, mit jemandem in ihrer Muttersprache reden zu können, daß ich bald bedauerte, ihr etwas davon gesagt zu haben. Ich wünschte mir nichts weiter, als daß sie den Mund halten und abhauen sollte, und als sie es schließlich tat, nutzte das auch nichts.

Ich versuchte zu lesen, blätterte achtmal um, nahm aber nicht eine Seite davon wirklich auf. Ruhelos ging ich wieder in den Garten hinaus, in die aus schwarzem Samt und tiefgrünem Rasen bestehende Nacht, setzte mich an den Swimmingpool und betrachtete die Finsternis drinnen und draußen. Es widersprach aller Vernunft, daß ich mich nicht ganz normal von Carolines Verlust erholt hatte, daß ich mich nicht der Freiheit erfreute, um die mich andere Männer beneideten, daß ich mit dem, was ich hatte, nicht zufrieden sein konnte. Grausam, daß diese niedergeschlagene Stimmung keinerlei Respekt vor Rang und Leistung hatte und mich so tief traf, daß kein Erfolg der Welt etwas dagegen vermochte.

Großer Ruhm, Ehrungen, Scharen von Freunden hatten es nicht vermocht, viele Genies aus den Klauen dieser Depression zu reißen, und jedes Jahr packte sie Tausende von Menschen meines Schlages, über die nichts in der Zeitung stand und die das auch nicht wollten. Wahrscheinlich war diese Depression eine Krankheit wie die Gelbsucht, und eines Tages würde man die Menschen sicher im Kindesalter dagegen impfen. Ich mußte wohl noch froh sein, daß sie bei mir nicht in ihrer akuten Form ausgebrochen war; dann streckt sie wie ein Tintenfisch die Tentakel aus und saugt das letzte Restchen Geist und Mut aus dem Körper, bis das Leben buchstäblich unerträglich geworden ist und einem der letzte Sprung plötzlich als der einzige logische, erlösende Ausweg bleibt.

Das wollte ich nicht erleben, wenn ich es verhindern konnte. Nein, das nicht!

Das Motel >Vacationer< lag gleich am Strand. Das leise Rauschen des Pazifiks untermalte die Geräuschkulisse aus Transistorradios, Klimaanlage, gedämpftem Geplauder, Kinderlachen und Autolärm. Zum Meer hin waren keine Zimmer mehr frei. Walt und ich wohnten nebeneinander und blickten auf den Parkplatz hinaus.

Als ich ankam, waren Eunice und Lynnie ausgegangen, und als Walt etwa um sechs Uhr ankam, waren sie immer noch nicht zurück. Ich ging mit ihm hinunter in die Bar, um vor dem Abendessen noch ein Glas zu trinken. Für Eunice hatte ich eine Nachricht beim Empfang hinterlassen, aber ich hatte Walt nichts davon verraten, daß sie auch hier war. Als er sie mit Lynnie dasitzen sah, blieb er wie vor den Kopf geschlagen stehen. Dann warf er mir einen bösen Blick des Abscheus und des Ärgers zu. Wenn ich ihm gesagt hätte, daß sie bei uns sein würde, wäre er nicht gekommen. Er wußte, daß ich das wußte. Sein Zorn war also berechtigt.

Aber immerhin war Eunice die Frau eines sehr guten Kunden seiner Firma. Er schluckte seine Gefühle wie eine Pille herunter und spülte ein Glas Whisky hinterher. Eunice und Lynnie schlürften mit Wohlbehagen geeiste Rumcocktails. Mit ihrer honigbraunen Haut und der warmen Sonne in allen ihren Bewegungen sahen die beiden großartig aus. Eunice trug ein fluoreszierendes Grün mit einem bißchen Gold an strategisch wichtigen Punkten wie Ohrläppchen, Arm- und Fußgelenken. Lynnie hatte sich hier eine flotte orangefarbene Tunika gekauft. Die wenigen Riemen ihrer Sandalen schienen aus geschliffenen Halbedelsteinen zu bestehen. Selbst Walt gelang es nicht, seinen Blick ganz von den beiden abzuwenden.

Das Abendessen nahmen wir draußen unter einem Spalier ungezählter kleiner, bunter Lampen ein, auf einer flachen Terrasse, die unmittelbar in den Strand überging. Eunices Ausdrucksweise war ausnahmsweise so sanft wie das Rieseln des weichen Sandes. Daher wurde der gesellige Abend einigermaßen zu einem Erfolg.

Beim Kaffee fragte ich Eunice so gleichgültig, daß Walt mir einen durchdringenden Blick zuwarf:»Haben Sie zufällig schon einmal von einem Pferdezüchter namens Culham James Offen gehört?«

«Gehört?«wiederholte sie.»Natürlich hab’ ich das. Alle Welt kennt ihn.«

«Ich zum Beispiel nicht«, knurrte Walt. Man konnte von ihm nicht verlangen, daß er sofort kapitulierte. Er gab sich schon allergrößte Mühe.

«Ich meine, die ganze Züchterwelt kennt ihn«, verdeutlichte Eunice ein wenig ungeduldig.»Er ist der Besitzer eines unerhört erfolgreichen Hengstes namens Moviemaker. Dave meint, man sollte seine Stuten noch von einem anderen seiner Hengste decken lassen — Centigrade. Die ersten Fohlen von ihm gewinnen überall die Rennen der Zweijährigen. «Sie lächelte freundlich.»Aber ganz abgesehen davon werden wir ihn wahrscheinlich von jetzt an sehr häufig sehen.«

«Wir — wie bitte?«fragte ich.

«Wir wohnen gleich Tür an Tür — in unserer neuen Farm.«

Walt blieb der Mund offenstehen, und ich hörte unwillkürlich auf, in meinem Kaffee zu rühren.

«Was sagen Sie da?«fragte ich und merkte, wie ausdruckslos meine Miene wurde. Das passiert mir immer im Zustand des Schocks.

«Offen wohnt genau unserer neuen Farm gegenüber. Von unseren Schlafzimmerfenstern aus können wir seine Koppeln überblicken. «Ich starrte Eunice fasziniert an, während sie mir so harmlos die Gründe für den Mordversuch an ihrem Mann darlegte. Er selbst hatte mir erklärt, daß die Nachlaßverwalter von Davis L. Davis sein Angebot für den Besitz erst kürzlich angenommen hatten, eine Woche vor seiner denkwürdigen Fahrt auf der Themse. Das, was Matt und Yola Clive >dazwischengekommen< war, mußte die Entdeckung sein, daß ausgerechnet Dave Teller in Offens unmittelbare Nähe übersiedeln wollte. Das hatten sie herausgefunden, nachdem sie das Pferd geraubt hatten, sonst wären sie von dem Plan sicher wieder abgekommen.

«Warum lachen Sie?«fragte Eunice.»Was ist komisch daran?«

«Komisch ist das gar nicht«, antwortete ich und wurde wieder ernst.»Ganz und gar nicht. Kennen Sie Culham James persönlich?«

«Noch nicht. Ist das wichtig?«Sie sah mich immer noch verständnislos an.

«Es könnte ratsam sein, sich nicht so rasch mit ihm näher anzufreunden.«

«Warum nicht?«

«Vielleicht ist er eine Rose mit Dornen. «Ich stellte mir unwillkürlich vor, wie Dave Teller Tag für Tag aus seinem Schlafzimmerfenster hinaus auf die Koppel schaute, auf der Allyx und Chrysalis weiden sollten. Vielleicht hätte er die beiden Hengste nicht wiedererkannt. Vielleicht aber doch. Culham James durfte dieses Risiko auf keinen Fall eingehen. Deshalb waren Matt und Yola sofort nach England geflogen, um Dave weit weg vom eigentlichen Ort der Gefahr zu erledigen. Wenn Allyx noch auf der Orpheus-Farm stand und Dave sich von dem Plan der Übersiedlung nicht abbringen ließ, blieb die Gefahr weiterbestehen. Matt Clive hatte vielleicht vorübergehend seine Absicht zurückgestellt, aber ich konnte nur hoffen, daß die Detektivagentur Radnor-Halley in ihrer Wachsamkeit nicht für eine Sekunde nachließ. Es wäre richtig, Keeble anzurufen — selbst von Kalifornien aus, überlegte ich.

«Ich mache einen Spaziergang am Strand«, sagte Lynnie und streifte die Sandalen ab.»Wer kommt mit?«

Ich war eine Idee schneller als Walt und handelte mir einen grimmigen Blick von ihm ein, weil ich ihn nun mit Eunice allein ließ. Spöttisch lächelnd meinte Lynnie dazu, als wir uns ein Stück entfernt hatten:»Das paßt ihm gar nicht.«