«Das ist mir genauso angenehm, wie wenn mich ein Muli in den Magen getreten hätte.«
Sie lachte.»Man kann nicht gerade behaupten, daß Sie sonst übertrieben hübsch wären.«
«Nein, das bin ich wirklich nicht«, gab ich wahrheitsgemäß zu.
Ich glaubte schon, sie wollte noch mehr sagen, aber dann überlegte sie es sich anders. Ich hakte ein, während sie sich noch in dieser halb flirtenden, wissenden, und dieses Wissen verachtenden Stimmung befand; jetzt bestand eher die Aussicht, daß sie meinen Wunsch erfüllen würde.
«Hat Lynnie noch diese Fotos von mir?«
«Keine Sorge«, sagte sie sarkastisch.»Wenn’s brennt, dann wird sie die Bilder zuallererst retten.«
«Ich möchte, daß Culham James Offen sie zu sehen bekommt.«
«Wie bitte? Wovon reden Sie eigentlich?«
«Ich möchte, daß Sie heute nachmittag mit Lynnie hinfahren und Culham James einen nachbarlichen Besuch abstatten. So ganz nebenbei, meine liebe Eunice, könnten Sie ihm erzählen, daß ich Dave aus der Themse gezogen habe. Lynnie soll ihm dann ein Foto von mir zeigen. Besonders das Bild, auf dem wir vor der Wirtschaft an dem kleinen runden Tisch sitzen. Das Gruppenbild.«
Sie schnappte aufgeregt nach Luft, dann setzte bei ihr wieder der Denkprozeß ein.
«So eitel kann man doch eigentlich nicht sein, daß… Du liebe Zeit, wofür soll das gut sein?«
«Es ist ein Experiment.«
«Das ist keine Antwort.«
«Ich möchte mir meinen Aufenthalt im >Vacationer< verdienen.«
Ein Ausdruck von Abscheu zog ihre Mundwinkel nach unten.
«Sie wollen das verdammte Pferd finden?«
«Ich fürchte ja.«
«Sie wollen damit doch nicht etwa sagen — daß Offen vielleicht etwas damit zu tun haben könnte?«
«Ich möchte sichergehen, daß er wirklich nichts damit zu tun hat.«
«Ah, jetzt verstehe ich. Nun, ich denke, das ist nicht zuviel
verlangt. Gut. Ich werde Lynnie bitten, mitzukommen.«
«Und sagen Sie ihm auch, daß ich Allyx suche.«
Sie sah mich gerade und prüfend an, dann fragte sie:
«Und was ist mit Chrysalis?«
«Wie Sie wollen. Sagen Sie ruhig, daß Dave mich beauftragt hat, die Pferde wiederzubeschaffen.«
«Ich weiß gar nicht, warum ich das überhaupt mache.«»Interessieren Sie sich mehr für Golf?«fragte ich.
«Soll das vielleicht ein Spiel sein?«Es klang skeptisch.
«Nun — so ähnlich wie eine Bärenjagd. «Ich lächelte sie an.»Ach so. «Sie nickte ironisch.»Also ein Sport.«
Kapitel 13
Ich parkte meinen Mietwagen zwischen den Büschen neben der Straße, die zur Orpheus-Farm führte, und genoß eine Zigarette. Die glühende Nachmittagssonne brannte aufs Metalldach des Autos, und über der Straße flimmerte eine Fata Morgana. Ein Tag, an dem auch die Eidechsen den Schatten suchen. Den Autoverleihern waren die Wagen mit Klimaanlagen ausgegangen. Ich mußte mich mit einer von den altmodischen Kisten begnügen, bei denen man das Fenster aufmachen muß, wenn man frische Luft schnappen will. Diese Luft war allerdings genauso frisch wie eine Zeitung von vergangener Woche. Nur viel heißer.
Fünf Minuten nach vier fuhren Eunice und Lynnie, ohne mich zu bemerken, an meinem Kühler vorbei, zurück in Richtung Santa Barbara. Ich drückte meine Zigarette sorgfältig in dem verchromten, fleckigen Aschenbecher aus. Zehn Minuten lang betrachtete ich meine Fingernägel. Mir kam aber keine Erleuchtung. Um halb fünf ließ ich den Motor an, lenkte meinen Wagen in Richtung Orpheus-Farm und ging Onkel Bark besuchen.
Diesmal fuhr ich gleich am Haus vor und läutete an der schön verzierten Türklingel. Ein Hausboy erschien in derselben Aufmachung wie bei Jeff Roots. Als er Culham James suchen ging, schlich ich ihm leise nach. Auf diese Weise konnte sich mein Gastgeber, selbst wenn er gewollt hätte, nicht vor meinem Besuch drücken. Der Hausboy öffnete eine Tür, die zu einem viereckigen, gemütlich eingerichteten Raum führte, halb Wohnzimmer und halb Büro. Culham James saß an seinem Schreibtisch und hatte einen grünen Telefonhörer am Ohr.
Sowohl den Hausboy als auch mich traf ein mordlustiger Blick, dann hatte er sich wieder in der Gewalt und wurde
betont liebenswürdig.»Ich rufe später wieder an«, sagte er ins Telefon.»Da ist gerade ein gewisser Mr. Hawkins gekommen
— ja, richtig. Bis später also. «Er legte auf und hob die Augenbrauen.
«Ist Ihnen heute morgen etwas entgangen?«fragte er.
«Nein. Sollten wir etwas übersehen haben?«
Er schüttelte leicht verärgert den Kopf.»Ich wollte nur wissen, weshalb Sie mich noch einmal besuchen.«
«Mein Kollege und ich hätten gern noch zwei oder drei Fragen wegen der Vorkehrungen, die Sie gegen Feuer treffen, gestellt, insbesondere, was die kostbaren Hengste betrifft — äh
— Moviemaker und Centigrade.«
Die ganze Sache schien Culham James Offen plötzlich riesigen Spaß zu machen. Ich merkte es seinem gebräunten Gesicht an, seinen weißen Augenbrauen, dem Blitzen der blaßblauen Augen, dem leisen Glucksen in seiner Kehle. Er mußte sich mühsam zusammennehmen, um mich nicht an dem Spaß teilhaben zu lassen. Mit einiger Mühe zwang er sich wieder zu einem ernsten, gefaßten Gesicht. In sachlichem Eifer spielten wir miteinander die Farce mit der Überschrift >Feuerverhü-tungc. Ich lehnte an seinem Schreibtisch und stellte die durchaus treffend klingenden Fragen, die Walt erfunden hatte. Zumeist ging es darum, in welcher Weise die Stallungen der Hengste nachts überwacht wurden. Regelmäßige Kontrollgän-ge? Frei laufende Wachhunde? Vielleicht Selenzellen, die jeden Lichtschimmer auffingen? Oder Vorrichtungen, die Rauchentwicklung meldeten?
Offen räusperte sich und beantwortete alle Fragen mit einem ruhigen Nein.
«Wir haben, wie Sie heute morgen selbst gesehen haben, eine äußerst wirksame und kostspielige Berieselungsanlage«, erklärte er.»Sie wird alle drei Monate gründlich überprüft. Aber das habe ich Ihnen alles schon erzählt.«»Ja. Dann möchte ich Ihnen danken. Ich glaube, das wäre alles. «Ich klappte mein Notizbuch zu.»Sie waren sehr hilfsbereit, Mr. Offen.«
«Gern geschehen«, murmelte er. Wieder gluckste es in seiner Kehle, aber in den Spaß mischte sich diesmal unmißverständlich Boshaftigkeit. Für mich wurde es höchste Zeit zu gehen.
Als ich später ins >Vacationer< zurückkehrte, sah ich Walt, Eunice und Lynnie trübsinnig hinter leeren Gläsern sitzen. Ich warf mich ihnen gegenüber in einen Sessel und fragte:»Warum so niedergeschlagen?«
«Sie haben sich verspätet«, antwortete Walt.
«Ich hab’ euch doch gleich gesagt, ihr sollt nicht mit dem Essen auf mich warten. «Ich erwischte einen Kellner und bestellte eine neue Runde.
«Wir dachten schon an eine Suchaktion«, sagte Eunice.
Ich sah mir die drei genauer an. Dann sagte ich resigniert:»Also habt ihr großen Kriegsrat gehalten.«
«Ich finde, das ist nicht schön von Ihnen — gemein ist das!«platzte Lynnie heraus.»Mich mitgehen lassen und sich selbst dann absichtlich — ja, absichtlich! — in solche Gefahr zu begeben!«
«Lynnie, hören Sie doch damit auf. Es war nicht gefährlich für mich. Schließlich sitze ich doch hier, oder?«
«Aber Walt sagte.«
«Walt muß bald mal zu einem Psychiater.«
Walt blitzte mich an und preßte die Lippen zu einer geraden Linie zusammen.»Sie haben mir nichts davon gesagt, daß Offen erfahren sollte, daß Sie der Mann waren, der Chrysalis geholt hat. Und Sie haben mir nicht verraten, daß es die Clives waren, die Dave Teller umbringen wollten.«
«Und mir haben Sie verschwiegen«, fügte Eunice heftig hinzu,»daß auf dem Foto im Hintergrund die beiden Clives zu sehen waren und daß die beiden auch Sie umbringen wollten.«
«Sie hätten dann wohl nie zugelassen, daß Lynnie ihm das Foto zeigte, was?«