Er füllte erneut unsere Gläser, rieb sich bedächtig mit dem Daumen über die Fingerkuppen und erzählte, daß Amy und die Kinder so gern hinter dem Haus einen Swimmingpool haben wollten. Amys Mutter sei so schwierig, seit Amys Vater im vergangenen Herbst starb. In der auslaufenden Saison sei er nicht bei einem einzigen Baseballspiel gewesen. Zuviel zu tun
Wir saßen über eine Stunde zusammen, ohne die Pferde auch nur einmal zu erwähnen. Dann gähnte er, und ich erhob mich aus dem bequemen Sessel. Ich stellte mein leeres Glas hin. Schläfrig und mit selbstverständlicher Freundlichkeit sagte er mir gute Nacht. Zum erstenmal sah ich ihn wirklich entspannt. Als ich mich in meinem Zimmer auszog, fragte ich mich, wie lange das wohl vorhalten würde. Wahrscheinlich bis zu meinem nächsten unerfreulichen Vorschlag. Ich wußte nicht recht, ob ich ihn wegen seines geborgenen Familienlebens beneiden sollte oder ob es mich erdrücken würde. Aber ich wußte, daß ich ihn trotz all seiner Launen mochte — als Mensch wie als Partner bei der Arbeit.
Der Agent der >Buttress<-Lebensversicherung in Jackson rief schon zwanzig Minuten nach Walts Anfrage zurück und teilte uns die Winteranschrift der Clives mit: 40159 Pittsville Boulevard, Las Vegas, Nevada.
Mir fiel wieder ein, wie Yola beim Gedanken an den Winter gelächelt hatte. Las Vegas war die Erklärung dafür. Yola spielte gern.
«Und was nun?«fragte Walt.
«Ich fahr’ hin und seh’ mich mal um.«
«Allein?«In seiner Stimme klang eine gewisse Unruhe mit. Ich interpretierte das so, daß er nicht allein mit Eunice in Santa Barbara zurückbleiben wollte.
«Sie werden hier gebraucht«, besänftigte ich ihn.»Sagen Sie auf keinen Fall, wohin ich gefahren bin.«
Er sah mich böse an.»Natürlich nicht.«
Wir fuhren mit dem Mietwagen zur Orpheus-Farm hinaus. Dort zeigte ich ihm, wo ich den Empfänger zwischen drei Steinen versteckt hatte. Die Antenne ragte aus dem dichten Gebüsch. Die nächste der sauber eingezäunten Koppeln war ein paar Schritte entfernt, bis zum Haus waren es ungefähr hundert Meter. Wir nahmen das Radio mit und parkten den Wagen in einiger Entfernung am Straßenrand.
«Und wenn er uns jetzt sieht?«Walt schaute mir zu, wie ich das Tonband zurücklaufen ließ.
«Dann wird er nur denken, daß wir routinemäßig die Farm beobachten, um einen günstigen Augenblick abzupassen, an dem wir Moviemaker holen können. Der Empfänger hier hat eine Reichweite von mindestens einer Viertelmeile, aber darüber hinaus wird der Empfang schlecht. Das Ding arbeitet mit Luftschwingungen. Da ist die Verstärkung nicht so gut wie bei einem elektronischen System. Kennen Sie sich damit aus?«
«Mit Abhörgeräten?«Er schüttelte den Kopf.»Damit haben wir nur selten zu tun. Telelinsen sind besser. Da erwischt man oft einen Klienten, der munter mit seinen gelähmten Beinen spazierengeht. «Seine Stimme klang zufrieden. Er war wie ich ein Vollblutjäger.
Lächelnd schaltete ich das Gerät ein. Mit allen Unterbrechungen dauerten Culham James’ Gespräche eine dreiviertel Stunde, aber es kam nichts Brauchbares dabei heraus. Ich ließ das Band wieder zurücklaufen, dann versteckten wir den Empfänger an seinem alten Platz. Walt erklärte sich bereit, nach Einbruch der Dämmerung herzufahren und abzuhören, was tagsüber aufgezeichnet worden war.
Danach fuhr er mich zum Flughafen nach Los Angeles. Ich erwischte die nächste Maschine nach Las Vegas und landete dort am frühen Nachmittag. Als die Türen der Maschine geöffnet wurden, schlug uns die Wüstenhitze wie aus einem Backofen entgegen. Der Autoverleiher am Flughafen versicherte mir, das sei schon eine recht ungewöhnliche Hitzewelle, aber im Juli müsse man eben mit so was rechnen. Er vermietete mir einen unauffälligen Pontiac, der diesmal allerdings Klimaanlage hatte. Ich fuhr eine Weile in der Gegend herum, dann sah ich mir den Pittsville Boulevard aus der Nähe an.
Die hohen Nummern reichten bis zwei Meilen außerhalb der Stadt. Es waren teuer aussehende Häuser an einer Betonstraße und mit der Wüste dicht im Rücken. Clives Haus hatte zu beiden Seiten Nachbarn, nicht gerade bedrängend, aber viel zu nahe, um hier ungesehen ein paar Pferde unterbringen zu können. Yola hatte schon recht: >Pitts< war nicht der geeignete Platz für die Hengste.
Das Haus selbst war niedrig und weiß gestrichen. Es hatte ein Flachdach und war von Palmen und Orangenbäumen flankiert. Moskitonetze und Fliegengitter ließen die Fenster blind erscheinen, und das Gras zu beiden Seiten hatte die Färbung von ausgetrocknetem Biskuit. Es war nicht frischgrün vom
Wasser wie bei den Nachbarn. Ich parkte den Wagen auf der anderen Straßenseite und schaute mich um. Unter der sengenden Sonne regte sich kein Blatt. Zehn Minuten krochen dahin, und nichts regte sich auf der ganzen Straße. Nachdem ich den Motor ausgeschaltet hatte, kletterte im Wagen die Temperatur in die Höhe wie die Preise vor Weihnachten. Ich ließ den Motor wieder an, atmete dankbar den ersten kühlen Atemzug der Klimaanlage ein und machte mich wieder auf den Weg.
Eine Meile hinter dem Clive-Haus endete die feste Straßendecke. Die Straße verlor sich als staubig-grauer Strich in der Wüste. Ich wendete und fuhr, tief in Gedanken versunken, zurück. Da es sich praktisch um eine Sackgasse handelte, ließ sich die Ruhe um das Haus der Clives erklären. Das bedeutete aber auch, daß ich nicht allzuoft vorbeifahren durfte, wenn ich nicht die Nachbarn mißtrauisch machen wollte. Allerdings brachte es mich auch nicht weiter, wenn ich ein scheinbar leerstehendes Haus überwachte.
Das fünfte Haus nach der Stadtmitte zu hatte genauso braunes Gras wie das der Clives. Ich verließ mich einfach darauf, daß die Bewohner weit weg waren, fuhr den Pontiac zielbewußt bis an die Haustür und stieg aus. Ich war von Walt mit einigen Fachausdrücken aus der Versicherungsbranche gewappnet und drückte gut zwanzig Sekunden lang auf die Klingel. Niemand kam. Alles war ruhig, heiß und tot.
Langsam schlenderte ich den Fahrweg zwischen den Palmen entlang bis vor zur Straße. Von dort aus schaute ich zurück. Den Wagen konnte man hinter den Büschen nicht sehen. Zu Fuß wanderte ich zu Clives Haus zurück und bemühte mich, wie ein Mensch auszusehen, der nichts weiter vor hat als der normalen Beschäftigung bei einer Hitzewelle nachzugehen: Spazierengehen. Schon nach wenigen Schritten war mir klar, warum das bei diesem Wetter eben nicht der normale Zeitvertreib war. Der Schweiß trocknete auf meiner Haut, ehe er sich zu Tropfen formen konnte.
Die Erkundung des Hauses nahm eine Stunde in Anspruch. Alles war verschlossen, es war offenbar niemand da. Auch die Fenstergitter waren fest verriegelt, das Glas war von innen mit Jalousien zusätzlich geschützt, und ich konnte nicht hineinsehen. An den Türen befanden sich Sicherheitsschlösser. Die Clives hatten streunenden Einbrechern das Eindringen in ihr Haus so gut wie unmöglich gemacht.
Vorsichtig durchstöberte ich den Morgen Land hinter dem Haus. Palmen und Büsche schützten den blattförmigen Swimmingpool vor den Blicken neugieriger Nachbarn, aber von einigen Stellen aus konnte man die Schwimmbecken der Nachbarhäuser in einer Entfernung von ungefähr siebzig oder achtzig Schritten erkennen. Neben einem der Swimmingpools lag regungslos eine Frau in gelbem Bikini, die mich an Eunice erinnerte. Sie riskierte einen Hitzschlag und zog sich eine so tiefe Bräune zu, daß man sie in Südafrika sicherlich in eine andere Bevölkerungsgruppe eingeordnet hätte. Nun bewegte ich mich noch vorsichtiger, aber sie bemerkte mich nicht.
Die hintere Begrenzung des Grundstücks war durch weißgestrichene Steine markiert. Wüstenbüsche und Kakteen wuchsen zu beiden Seiten der Grenze. Bruder und Schwester konnten aus ihren Fenstern einen weiten Landstrich überblicken, bis hinein in die Hügel der Wildnis. Zwei Meilen nach der anderen Seite zu wetteiferten Neonlichter mit der Mittagssonne, und der Lärm der Spielautomaten übertönte fast noch den Straßenverkehr. Ich fragte mich unwillkürlich, welcher Anteil von Onkel Barks dunklen Geschäften in die Taschen von Matt und Yola wanderte und wieviel davon wiederum in den gierigen Schlitzen der Automaten von Las Vegas verschwand. So kamen die Deckgebühren in Umlauf, und der einzige Geprellte war die >Buttress<-Versicherung.