Auf dem Rückweg zum Motel hielt ich an jedem Supermarkt an, den ich sah. Überall kaufte ich zwei Dreipfundtüten Mehl.
In einem Haushaltwarengeschäft erstand ich eine kurze
Leiter, einen weißen Overall, eine weiße Schildmütze, Bürsten und Pinsel und eine große Dose gelber, schnelltrocknender Farbe.
Kapitel 14
Als ich Walt von allem berichtet hatte, summte sein Schweigen beredter durch die Telefondrähte als viele Worte.
«Sie haben den Verstand verloren!«sagte er schließlich. Es klang, als meine er das wirklich ernst.
«Wissen Sie etwas Besseres?«
Nach einer langen Pause gab er widerwillig zu:»Jedenfalls nichts, was rascher geht.«
«Na gut. Dann bereite ich hier alles vor und rufe Sie morgen früh wieder an. Hoffen wir, daß es funktioniert.«
«Und wenn nicht?«
«Dann müssen wir uns etwas anderes ausdenken.«
Walt knurrte und legte auf.
Ich verbrachte eine Stunde auf dem Flughafen und kehrte danach ins Motel zurück. Der Abend kroch dahin. Ohne sonderliche Begeisterung spielte ich eine Runde Roulette und verlor auf Schwarz am laufenden Band, während eine Vierzehnerserie Rot lief. Beim Abendessen hörte ich einer Sängerin zu, deren Stimme genauso zweitklassig war wie ihr Aussehen. Dann lag ich eine Weile rauchend auf meinem Bett und hielt mir die düsteren Gedanken fern, indem ich so intensiv wie nur möglich über die bevorstehende Aufgabe nachdachte.
Um zwei Uhr nachts zog ich mein dunkelgrünes Baumwoll-hemd und die schwarzen Jeans an, ging nach unten, bestieg meinen Wagen und fuhr zum Pittsville Boulevard Nummer 40159. Die ganze Stadt war zum Leben erwacht, nur die Häuser am Pittsville Boulevard waren dunkel und schliefen. Mit abgeblendeten Scheinwerfern ließ ich den Wagen so leise wie möglich über Clives Fahrweg rollen und stapelte die
Mehltüten neben der Haustür. Dann hielt ich die Wagentür fest, ohne sie allerdings zu schließen, setzte langsam zurück und parkte den Pontiac hinter den Büschen an dem leeren Haus, an derselben Stelle wie schon am Nachmittag. Da ich nicht wollte, daß sich irgendwelche Nachbarn an schlagende Autotüren erinnerten, ließ ich sie wieder ein wenig offenstehen und ging zu Clives Haus zurück.
Die Nacht war lau und samten, der Himmel leuchtete in tiefem Marineblau, und die Sterne blitzten wie ein Punktmuster. In einer Entfernung von zwei Meilen schufen die Lichter von Las Vegas eine orangefarbene Lichtglocke, aber unter den Palmen herrschte dichte, sichere Dunkelheit.
Das war nicht das erste Haus, in das ich einbrach. Die Abkürzungen, die ich wählte, um an die Wahrheit heranzukommen, waren nach allen juristischen Maßstäben einfach skandalös, und zumeist fragte mich Keeble lieber nicht, auf welchem Wege ich meine Informationen erlangt hatte. Wenn ich einmal dabei geschnappt wurde, hatte ich ohnehin die Presse, die Polizei und die öffentliche Meinung gegen mich. Ein Eiertanz war nichts dagegen. Gesetzestreue Bürger erfuhren allerdings nie, daß ich sie heimlich besucht hatte. Für die beiden Clives sahen meine Pläne etwas anders aus.
Ich streifte mir Chirurgenhandschuhe über, schob meine Schuhe hinter den Gürtel gleich links von der Parabellum und bearbeitete das Schloß an der Hintertür. In Anbetracht des komplizierten Mechanismus schaffte ich es in recht guter Zeit. Die beiden Vorhaltungen gaben lautlos nach, und das Haus war meines.
Die Luft im Inneren des Hauses war abgestanden, die Möbel hatte man mit Überzügen vor dem Staub geschützt. Im blassen Schein meiner Taschenlampe sahen sie wie geisterhafte Felsen aus. Die Hintertür führte in einen geräumigen Flur und von da aus sofort nach vorn. Ich schloß die Haustür auf, schob die Riegel zurück, holte die Mehltüten herein und ließ die Tür ein wenig offenstehen. Wie wertvoll es sein kann, sich stets einen Fluchtweg offenzuhalten, war mir von einem ehemaligen Einbrecher eingehämmert worden. Er hatte diese Vorsichtsmaßnahme einmal versäumt.
Ich betrat die Schlafzimmer — wieder waren für Matt und Yola große, getrennte Zimmer vorhanden. Jeder hatte ein eigenes Bad. Ich zog alle Schutzhüllen von den Möbeln und warf den Inhalt aller Schubladen auf den Boden. Dann folgte der Inhalt der Schränke. Über das so entstandene Chaos schüttete ich pro Zimmer sechs Pfund erstklassiges Kuchenmehl.
In der Küche verschüttete ich ein großes Paket Seifenpulver, ein Paket Reis, eine ordentliche Portion Cornflakes und vier Pfund braunen Zucker. Alles fand ich griffbereit in den Schränken. Ich entriegelte das Fenster zum Vorrats schrank mitsamt dem Fliegengitter nach außen und ließ es offenstehen. Da ich schon so schön im Zuge war, stieß ich noch einige Dosen Obst von den Regalen, um glaubhaft zu machen, daß der Einbrecher hier eingedrungen war.
Auch in dem geräumigen Wohnzimmer zog ich alle Hüllen von den Möbeln, warf sämtliche beweglichen Gegenstände auf einen großen Haufen und schüttete Mehl darüber. Es flog im ganzen Zimmer umher. In einem gemütlichen kleinen Zimmer zur Straße hin fand ich einen Schreibtisch voller Papiere, zwei große Bücherregale und ein gut gefülltes Nähkästchen. Zuletzt war das hübsche Durcheinander auf dem Boden gut knöcheltief. Über alles ergoß sich wie Schnee pfundweise Kuchenmehl.
Als ich gerade die allerletzte Mehltüte aufreißen wollte, um sie im Flur zu verstreuen, hörte ich von fern die Polizeisirene. Ich erstarrte und wollte erst nicht glauben, daß das mir galt, aber dann überlegte ich, daß irgendein wachsamer Nachbar vielleicht durch die Jalousien den Schein meiner Lampe gesehen hatte oder daß die Sicherheitsschlösser vielleicht nicht die einzige Einbruchsicherung darstellten — es konnte gut sein, daß von Clives Haus eine direkte Alarmleitung zur Polizei führte. Rasch schloß ich die Haustür und verriegelte sie. Die letzte Tüte Mehl entleerte ich über die Plastikblumen im Flur. Danach schlüpfte ich durch die Hintertür hinaus und zog sie hinter mir ins Schloß. Die Lampe schob ich wieder in die Tasche.
Das Heulen hielt genau vor dem Haus. Türen klappten, Männerstimmen riefen, Stiefel knirschten im Sand. Eine Megaphonstimme forderte mich auf, mit erhobenen Händen das Haus zu verlassen. Die Ecken des Hauses waren plötzlich von Scheinwerfern grell beleuchtet.
Als gerade die erste Uniform an der Hausecke auftauchte, schlüpfte ich zwischen die Büsche am Swimmingpool. Meine Schritte spielten nun keine Rolle mehr, weil die Männer rings ums Haus einen ziemlichen Lärm machten. Schwieriger war es schon, unsichtbar zu bleiben. Sie brachten auf der Rückseite einen weiteren Scheinwerfer in Stellung und leuchteten das Haus ab. Die blinden Fenster erwiderten stumm den Blick der Lichtquelle und reflektierten ihn bis fast an mein Versteck heran. In den Nachbarhäusern wurde Licht eingeschaltet. Köpfe fuhren wie dunkle Baumstümpfe aus allen Fenstern. Vorsichtig schlich ich mich davon. Ich war dem Zirkus immer noch viel zu nahe und stand mit einem Bein schon im Gefängnis.
Ein Schrei von der Seite des Hauses ließ mich erkennen, daß sie das aufgebrochene Fenster der Speisekammer entdeckt hatten. Nach den Stimmen zu urteilen, waren es insgesamt vier Beamte, bis an die Zähne bewaffnet. Ich schnitt in der Dunkelheit eine Grimasse und entfernte mich, ohne noch allzusehr auf Deckung zu achten. Ich wollte ihnen möglichst keine Gelegenheit bieten, den Zeigefinger ein wenig zu üben, aber die Zeit wurde mir knapp.
Tapfer waren sie schon. Einer oder mehrere wagten sich ins
Haus und schalteten die Lampen ein. Ich rannte immer rascher durch den hinteren Teil des Gartens, sprang über die weißgestrichenen Steine weg und lief schnurstracks in die Wüste hinaus.
Schon nach fünf Schritten wurde mir klar, daß ich jetzt die Schuhe anziehen mußte. Nach zehn Schritten merkte ich, wie stachelig und noch dazu dicht verfilzt die Vegetation hier war. Die Dornen konnten mich glatt umbringen.