Hinter mir, im Haus der Clives, hatte das Gejammer über die Unordnung vorübergehend aufgehört. Man suchte jetzt den Boden nach Spuren ab. Auch an den Nachbarhäusern bewegten sich Taschenlampen. Wenn sie fünf Häuser weitergingen und den Wagen entdeckten, dann konnte es ausgesprochen ungemütlich werden.
Eigentlich hatte ich vor, rechtzeitig ins Motel zurückzukehren und dann früh am Morgen die Polizei anzurufen und zu sagen, ich sei ein verantwortungsbewußter Bürger und hätte gerade einen Einbrecher aus Clives Haus kommen sehen…
Als ich merkte, daß sich ein paar Scheinwerfer in die Wüste hinausrichteten, legte ich mich flach auf den Boden und lauschte meinem Herzklopfen. Der Lichtstrahl huschte bleich über das Gebüsch und enthüllte die scharfen, dolchartigen Dornen. Ich konnte aus der Entfernung nicht viel anders aussehen als einer der Schatten, den die Büsche warfen. Hinter mir wurde eine ganze Weile schreiend darüber diskutiert, ob man in der Wüste nachsehen sollte oder nicht, doch zu meiner großen Erleichterung kamen sie nur bis an die weißgestrichenen Grenzsteine heran. Allmählich erstarb der Lärm, sie zogen sich enttäuscht zurück.
Auch im Haus gingen die Lichter aus. Der Streifenwagen fuhr weg. Die Nachbarn gingen wieder schlafen. Ich erhob mich und klopfte mir den überflüssigen Wüstenstaub aus der Kleidung. Wenn man mich so gefunden hätte, noch mit den
Mehlspuren behaftet, so wäre es nicht schwer gewesen, mir das Vergehen anzuhängen.
Viel vorsichtiger als vorhin schlich ich mich zu den Häusern zurück, aber in einem Winkel, von dem ich hoffte, daß er mich in die Nähe des Wagens führen würde. Je eher ich dieser hübschen Gegend den Rücken kehren konnte, um so besser!
Dann blieb ich stocksteif stehen.
Wie fängt man einen herumschleichenden Einbrecher? Indem man so tut, als verließe man den Tatort. In einiger Entfernung wartet man ab, bis der Bursche unvorsichtig wird und sich hervorwagt, dann schnappt die Falle zu.
Ich beschloß, für den Rückweg aus dieser stillen Sackgasse nicht den Wagen zu benutzen. Sicher ist sicher.
Im fünften Haus vor den Clives war alles still. Ich schlich auf leisen Pfoten ums Haus und sah mir den Wagen aus der Ferne an. Er war noch vorhanden. Kein Polizist in der Nähe. Länger, als wahrscheinlich nötig war, stand ich abwartend im Dunkeln, dann wagte ich es. Ich trat an den Wagen heran und schaute hinein. Leer. Vorsichtshalber durchsuchte ich rasch noch die stacheligen, niedrigen Palmen, die ihn zur Straße hin deckten.
Nichts. Keine zornigen Schreie. Alles still. Den Wagen hatten sie nicht entdeckt. Erleichtert seufzte ich auf und verscheuchte die Vorstellung eines erbosten Matt Clive, der wutschnaubend meine Fährte verfolgte. Ich öffnete die angelehnte Tür und ließ mich wie ein halbleerer Sack auf den Sitz sinken. Fünf Minuten lang konnte ich nichts weiter tun als aufatmen. Ausgiebig.
Blieb noch das Problem des Telefongesprächs mit Walt. Während ich darüber nachdachte, zog ich mir gedankenverloren Stacheln aus den Füßen.
Ich verstand es recht gut, Leitungen anzuzapfen, wenn ich das nötige Werkzeug dazu hatte, doch das war in Putney. Zweifellos befand sich in dem leeren Haus auch ein Telefon.
Aber ich war nicht sicher, ob dieses Haus nicht genau wie das der Clives irgendeine direkte Leitung zur Polizei hatte. Andererseits befand ich mich schon zwanzig Minuten in Clives Haus, ehe die Streife auftauchte. Beim zweiten derartigen Alarm konnten sie natürlich schneller sein.
Nach einer halben Stunde zog ich mir wieder die Gummihandschuhe über, stieg aus dem Wagen und öffnete die Haustür. Mit dem Schloß wurde ich wohl fertig, aber die vorsichtigen Hausbesitzer hatten leider zusätzliche Riegel angebracht. Also mußte ich wieder von der Rückseite her eindringen. Auf einem Tisch im Flur stand ein Telefon. Ich ging darauf zu, dann denselben Weg wieder zurück, ließ die Tür einen Spaltbreit offen, kehrte zum Wagen zurück und fuhr so leise wie möglich zum toten Ende der Straße, bis ich die Betonpiste hinter mir hatte und hinter einigen Kurven in der Wüste verschwunden war. Dann schaltete ich die Scheinwerfer aus und rauchte eine Zigarette.
Eine weitere halbe Stunde verstrich. Keine Lichter gingen an, keine Polizeisirenen heulten, nichts rührte sich. Vorsichtig fuhr ich zurück, parkte an derselben Stelle wie zuvor, ging ins Haus und rief Walt an.
Er zeigte sich wenig erfreut darüber, daß ich ihn morgens um fünf Uhr weckte.
«Nur eine geringfügige Änderung im Zeitplan«, besänftigte ich ihn.»Die Polizei hat den Schlamassel schon entdeckt.«
Er holte tief Luft.»Aber Sie hat man nicht erwischt!«
«Nein. «Es war sinnlos, ihm auf die Nase zu binden, wie knapp ich entkommen war. Er war mit meinem Plan von Anfang an nicht einverstanden.
«Dann soll ich also kommen, wie?«fragte er resigniert.
«Ja, bitte. Sobald Sie können. Lassen Sie die Wagenschlüssel am Auskunftsschalter des Flughafens Los Angeles, ich hole sie mir dort ab. Der Hubschrauberpilot, den ich in Las Vegas engagiert habe, heißt Michael King. Er erwartet Sie, fragen Sie nur nach ihm. Das Funkgerät im Hubschrauber nimmt die Wellenlänge des Senders auf, den ich bei mir trage. Sie brauchen also das Bandgerät nicht mitzubringen. War heute etwas auf dem Band?«
«Gestern«, verbesserte Walt.»Nicht viel. Ich war gestern abend nach dem Dinner drüben und hab’ abgehört. Offen hatte einen Freund bei sich — zwei Stunden ganz gewöhnliches Getratsch. Um eins war ich wieder im Bett.«
«Wenn das alles vorbei ist, können Sie vierzehn Tage lang ausschlafen.«
«So, wirklich?«fragte er ironisch.»Das müssen Sie mal meinem Chef sagen.«
Er legte sanfter als sonst auf. Lächelnd zog ich eine Fünfdollarnote heraus und schob sie unter das Telefon, dann verließ ich das Haus wieder, schloß die Tür hinter mir ab und ging zum Wagen zurück.
Drei Stunden lang passierte gar nichts. Aus der Nacht wurde allmählich Tag. Die Temperatur begann wie jeden Morgen zu steigen. Einige besonders energische Vögel begannen zu zwitschern. Und ich zündete mir noch eine Zigarette an.
Kurz nach acht Uhr kam ein Streifenwagen mit laut heulender Sirene die Straße entlang. Der Pittsville Boulevard erwachte. Ich schob mich aus dem Wagen, ging vorsichtig bis an die Straße und duckte mich unsichtbar zwischen eine Palme und einen Busch. Von hier aus konnte ich alle sehen, die zu Clives Haus fuhren.
Von der Straße her vernahm ich mehrere aufgeregte Stimmen, zumeist von Kindern. Ein kleiner Junge und ein Mädchen kamen auf Fahrrädern an mir vorbeigeschossen, als wollten sie die Rekorde von Indianapolis brechen.
Von den Nachbarhäusern fuhren mehrere Wagen vorbei, alle nur mit Männern besetzt, dann kam eine Frau. Aus der anderen
Richtung, von der Stadt her, kamen drei Frauen mit gespannter Miene. Um 9.30 Uhr erschienen aus Richtung Las Vegas zwei Männer, von denen einer eine riesige Kamera umhängen hatte: die hiesige Presse.
Eine Stunde später glitt ein Hubschrauber mit leisem Motorengeräusch über mich hinweg und landete irgendwo draußen zwischen zwei Hügeln.
Um 10.50 Uhr zog der Köder endlich das richtige Wild an.
Ein offenes, himmelblaues Cabriolet mit Matt am Steuer — er kochte vor Wut. Seine Jugend, seine Kraft und die Wut ballten sich zusammen und veranlaßten ihn zu einer rücksichtslosen Geschwindigkeit. Ich spürte förmlich die Schockwelle, die von dem Wagen ausging. Im letzten Augenblick trat er auf die Bremse und hielt mit kreischenden Reifen vor seinem Haus. Die Kinder flatterten auf und davon wie die Tauben.
Zufrieden und steifbeinig richtete ich mich wieder auf und ging zurück zu meinem Wagen. Ich entnahm dem Kofferraum den weißen Overall, die Baumwollhandschuhe und die Kappe, zog mich um und setzte noch eine Sonnenbrille auf. Mit einem Schraubenzieher aus dem Werkzeugkasten öffnete ich die Farbdose und rührte das ölige Zeug um. Dann säuberte ich den Schraubenzieher, legte ihn an seinen Platz zurück und drückte den Deckel nur leicht auf die Dose. Mit der Rechten nahm ich sie beim Henkel, die Pinsel und die Leiter packte ich mit der Linken und schlenderte gemächlich auf die Straße hinaus, hinauf zum Haus der Clives.