Matts himmelblauer Ford stand schräg hinter dem Polizeiwagen. Eine Menge Leute standen noch herum, glotzten und tratschten in der warmen Sonne. Ich schlängelte mich langsam zwischen ihnen hindurch und schob mich näher an den blauen Wagen heran. Dann zog ich mich diskret an den Rand des Geschehens zurück.
Ich zog den winzigen Sender aus der Tasche und rief Walt.
Ich konnte nur hoffen, daß er mich hörte, denn antworten konnte er nicht. Die Minisender arbeiten nur in eine Richtung.
«Hören Sie mich, Walt? Hier ist Gene. Unser junger Freund ist mit seinem eigenen Wagen gekommen, nicht mit einem Taxi oder Mietwagen. Sein Name steht vorn drin auf der Zulassungskarte. Blaßblaues Ford Cabrio mit grauer Polsterung, zur Zeit mit aufgeklapptem Verdeck. Kennzeichen aus Nevada, Nummer 3711-42. Wenn möglich, bringe ich einen Farbfleck an, aber den kriegt er vielleicht weg. Auf jeden Fall mogle ich ihm einen kleinen Sender in den Wagen. Sie werden ihn hören, wenn er startet. Viel Glück! Und lassen Sie ihn um Himmels willen nicht aus den Augen.«
Auf einem Umweg schob ich mich wieder an den Wagen heran. Niemand kümmerte sich um mich. Ich war nur einer der lästigen Zuschauer, ein Arbeiter, der eigentlich arbeiten sollte. Manche von den Kindern und ein paar von den Müttern hatten die Räume in ihrem gepuderten Zustand gesehen und schimpften darüber. Ich lehnte meine Leiter an das Cabrio, stellte lässig Farbtopf und Pinsel auf dem Kofferraumdeckel ab und wischte mir den Schweiß vom Gesicht.
An dem Haus waren einige Jalousien hochgezogen, so daß man an einigen Stellen ins Haus blicken konnte. Niemand schaute heraus. Ich schob meine Hand mit dem Abhörgerät darin über die Seite des Wagens und spürte, wie der Saugnapf unter dem Handschuhfach festklebte.
Immer noch kein Gesicht am Fenster.
Ich sagte zum nächststehenden Jungen:»Jemand hat mir erzählt, der Einbrecher ist durch das Fenster in die Speisekammer eingestiegen, gleich da um die Ecke.«
«Wirklich?«fragte er mit großen Augen.
«Ganz bestimmt.«
Er sagte es seiner Mutter. Sie gingen nachschauen. Fast alle anderen folgten ihnen, und jemand gab den Presseleuten einen
Tip. Sie wollten das fragliche Fenster fotografieren.
Ich warf noch einen raschen Blick auf die Fenster, dann wandte ich mich zum Gehen. Mit der Hand stieß ich rasch noch den Farbtopf auf dem Kofferraum um. Der Deckel sprang ab. Die Dose rollte langsam über den Kofferraumdeckel und klapperte laut auf den Boden. Das Ergebnis war ein leuchtendgelber Farbstreifen auf dem hellen Blau und eine Pfütze auf der Straße.
Ich war schon auf der Straße, als einer der Jungen es bemerkte und mir nachgelaufen kam.
«Mister, Sie haben Ihren Farbtopf umgeworfen.«
«Ja, ich weiß. Nichts anrühren! Niemand darf das anrühren, hörst du? Ich hol nur das Zeug, mit dem man’s wegmachen kann.«
Der Junge nickte ernsthaft und rannte zurück. Ich erreichte sicher meinen Mietwagen, fuhr ungehindert nach Las Vegas hinein und zog unterwegs Kappe und Handschuhe aus. Sie hatten ihre Dienste getan. Im Motel duschte ich, zog mich um, packte und bezahlte meine Rechnung. Dann fuhr ich zum Flughafen und gab den Mietwagen zurück. Ich hielt die Augen offen für den Fall, daß auch Matt Clive sich zum Fliegen entschlossen hatte. Ich aß endlich ein Sandwich, was äußerst nötig war, dann nahm ich die nächste Maschine nach Los Angeles.
Als ich die Wagenschlüssel am Empfang abholte, lag eine Notiz von Walt dabei.
Sie sind mir vielleicht ein verrückter Kerl! Glauben Sie ja nicht, ich wüßte nicht, was Sie dabei riskiert haben. Wenn Sie diese Zeilen lesen, dürften Sie es wahrscheinlich geschafft haben und nicht hinter Gittern sitzen. Mein Freund beim CIA sagte mir, bei Ihnen müßte man mit den verrücktesten Sachen rechnen, und er hatte recht. Haben Sie eigentlich keine
Nerven? Das nächstemal bin ich nicht dabei, bestimmt nicht.
Walt
Überrascht und erfreut, daß er sich diese Mühe gemacht hatte, schob ich den Brief in die Tasche und fuhr in die Stadt, um mir ein Fachgeschäft für Bandgeräte zu suchen. Es gelang mir, für eine Woche ein erstklassiges Gerät zu mieten, mit dem man auch Bänder überlangsam ablaufen lassen konnte, wie bei meinem eigenen Gerät. Ich stellte es neben mich und lenkte meinen Wagen in Richtung Orpheus-Farm in Los Caillos. Ich nahm das volle Band von dem Gerät in meinem Radio und ersetzte es durch ein neues. Niemand schien das Versteck im Gebüsch, zwischen den drei Steinen, gefunden zu haben. Anscheinend war auch mein Besuch unbemerkt geblieben.
Als ich ins Motel >Vacationer< zurückkam, spazierten Eunice und Lynnie gerade vom Strand herauf. Sie grüßten mich beide gleich frostig und gingen an mir vorbei. Dabei murmelten sie, wir würden uns vielleicht beim Dinner sehen.
Leicht erstaunt zuckte ich die Achseln, nahm meine Tasche und das neue Bandgerät und ging in mein Zimmer hinauf. Dort spulte ich das gebrauchte Band zurück und ließ es abspielen, während ich meinen Stadtanzug ablegte und die Klimaanlage voll aufdrehte.
Yola rief in höchster Aufregung an. Der Hausboy hob ab und ging dann Offen holen, der noch im Bett lag. Ich hatte Glück: Offen sprach von seinem Nebenapparat im Schlafzimmer aus, aber der Boy vergaß, den Hörer im Erdgeschoß aufzulegen. So konnte mein Empfänger die ganze Unterhaltung aufnehmen.
«Die Polizei in Las Vegas hat mich angerufen…«
«Schrei nicht so, Yola, ich bin doch nicht taub.«
Sie hörte nicht zu.»Ein paar Vandalen haben das Haus am Pitts ruiniert. «Es schien ihr tatsächlich nahezugehen. In ihrer Stimme klang ebensoviel Leid wie Ärger mit.
«Was soll das heißen — ruiniert?«
«Angeblich wurde alles im Haus auf den Fußboden geworfen und mit Mehl, Zucker und allem möglichen überschüttet. Sie wollen wissen, was gestohlen wurde. Matt oder ich sollen hinkommen und uns darum kümmern. Ich kann doch nicht, Onkel Bark, ich kann einfach nicht. Wir haben zweiunddreißig Leute hier, da kann ich unmöglich weg. Matt wird hinfahren müssen.«
«Aber Matt…«
«Klar«, jammerte sie.»Als ob ich das nicht wüßte! Aber er muß. Die Pferde werden schon nicht eingehen, wenn er sie für ein paar Stunden allein läßt. Ich hab’s viel weiter, ich wäre mindestens zwei Tage weg. Das ist aussichtslos. Seit wir den verdammten Chrysalis geschnappt haben, geht alles schief.«
«Vielleicht erinnerst du dich daran, daß diese Idee von dir und Matt stammt«, sagte Culham James ungehalten.
«Ich habe immer gesagt, es ist zu kurz nach dem anderen. Aber du und Matt, ihr beiden seid zu geldgierig, seit ihr auf den Geschmack.«
«Unter Verwandten sollte man die guten Dinge teilen, sie nicht für sich behalten.«
«Das sagst du immer.«
Nichts hält eine Familie enger zusammen als eine kleine Erpressung, dachte ich belustigt. Offen war anscheinend mit seiner halben Million pro Jahr zufrieden gewesen, aber dann stolperten Matt und Yola über die Goldgrube, und sie wollten immer mehr. Immer handelten sie unter Zwang, diese genialen, raffgierigen Clives. Wenn sie sich mit Allyx und Showman begnügt hätten, wäre Offen nie aufgefallen.
Yola ging über den alten Streit hinweg und kam auf das neue Unglück zurück:»Ich habe Matts Nummer nicht. Sag sie mir bitte.«
«Ich hab’ sie nicht hier. Sie muß unten in meinem Buch stehen.«
«Hör mal, rufst du ihn bitte an? Sag ihm, er soll sofort hinfahren, die Polizei wartet auf ihn. Er soll mich von dort aus anrufen und mir sagen, was los ist. Es wäre mir unerträglich, wenn diese Bestien meine Nerzstola gestohlen hätten. Außerdem ist doch noch Geld im Safe.«