«Ich wünschte mir nur, es könnte immer so sein«, sagte sie.
«Ich auch.«
Eunice lag auf der anderen Seite von Lynnie. Sie stützte sich auf einen Ellbogen.»Ich gehe schwimmen«, sagte sie.
«Wer kommt mit?«
«Gleich«, antwortete Lynnie faul. Eunice ging allein weg.
Wir schauten ihrer straffen, gutgeformten Gestalt nach, wie sie zum Strand hinunterging. Lynnie sprach dann aus, was ich dachte:»Sie trinkt kaum noch.«
«Ihre Gesellschaft tut ihr gut.«
«Und ob!«Sie lachte leise und räkelte sich wie eine Katze.»Ist diese Wärme nicht einfach herrlich?«
«Mhm.«
«Woher haben Sie eigentlich all die Narben?«
«Löwen, Tiger und Blinddarm.«
Sie schnaubte.»Wollen wir auch schwimmen?«
«Gleich. Worüber haben Sie und Eunice mit Offen geredet, bevor ich dazukam?«
«Ach…«Es klang gelangweilt.»Er wollte wissen, was Sie treiben. Eunice erzählte ihm, Sie und Walt brüteten etwas aus, aber sie wisse nicht, was. Und — ach ja! — er wollte noch wissen, ob Walt wirklich ein Versicherungsagent sei, und Eunice bestätigte es ihm. Er hat noch mehr über Sie gefragt. Worin Ihre Aufgabe besteht, was Sie hier bei uns zu suchen haben und so weiter.«
«Hat Eunice ihm gesagt, daß ich sie gebeten habe, ihm das Foto absichtlich zu zeigen? Hat sie ihm gesagt, daß ich sicher bin, die beiden Pferde auf der Orpheus-Ranch seien wirklich Moviemaker und Centigrade?«
Lynnie schüttelte den Kopf.
«Ganz sicher?«
«Völlig sicher. Wäre das schlimm gewesen?«
«Nein, aber katastrophal.«
«Dann machen Sie sich keine Sorgen. Er war nur etwa eine Viertelstunde da, ehe Sie dazukamen. Eunice hat ihm nur gesagt, Sie seien — hm, es waren tatsächlich ihre eigenen Worte
— ein verdammter kleiner Büroangestellter auf Urlaub. «Lynnie lachte.»Sie sagte, ihr Mann habe Ihnen sein Leben zu verdanken, und deshalb bezahle er Ihre Rechnung hier. Ansonsten interessierten Sie sich für nichts anderes als für ein bestimmtes Mädchen in San Francisco.«
Ich schaute zur Brandung hinunter, wo immer wieder Eunices Kopf auftauchte. Dabei fragte ich mich, ob sie ihm diese gerissenen Antworten bedacht, aus Überlegung oder nur aus Gemeinheit gegeben hatte.
«Wie sieht sie eigentlich aus?«fragte Lynnie.
«Wer?«
«Das Mädchen in San Francisco?«
«Da fragen Sie lieber Walt. «Ich drehte mich zu ihr um.
«Er hat sie erfunden.«
Es verschlug ihr den Atem, dann lachte sie laut auf.»Du liebe Zeit! Dann… ich meine, was haben Sie denn in Wirklichkeit dort gemacht?«
«Hm, das ist etwas, was Eunice dem lieben Culham Offen besser nicht erzählen sollte.«
Sie sah mich sekundenlang unverwandt an. Um wieviel selbstsicherer ist sie doch als damals bei jenem Ausflug auf der Themse, dachte ich. Damals war sie noch ein Kind.
«Ist das der Grund, warum Sie uns praktisch überhaupt nichts verraten haben? Vertrauen Sie ihr nicht?«
«Sie wollte die Pferde nicht wiederhaben.«
Lynnie blinzelte.»Aber sie wird doch nicht — sie wird Ihnen doch nicht absichtlich einen Strich durch die Rechnung machen. Schließlich tun Sie doch alles für ihren Mann.«
Ich lächelte. Sie setzte sich plötzlich auf und schlang die Hände um die Knie.»Neben Ihnen komme ich mir so naiv vor.«
«Ich bewundere Sie«, sagte ich.
«Und jetzt machen Sie sich auch noch über mich lustig.«
Ich wollte ihr ganz spontan sagen, daß ich sie liebte, aber ich war nicht sicher, ob das auch wirklich stimmte. Vielleicht wollte ich nichts weiter als ein Gegenmittel, das mir half, meine Depression zu bekämpfen. Sie war die beste Medizin, die ich finden konnte.
«Ich muß morgen früh wieder fort«, sagte ich,»San Francisco?«
«Ungefähr diese Gegend.«
«Für wie lange?«
«Zwei Nächte.«
«Es ist Ihre letzte Woche«, sagte sie und schaute aufs Meer hinaus.
Unwillkürlich kam mir der Gedanke: Wenn’s doch nur so wäre! Aber ich schüttelte heftig den Kopf, als könnte man damit einen bösen Gedanken verjagen. Dann stand ich gemächlich auf.
«Heute sind wir jedenfalls noch hier«, sagte ich lächelnd.»Kommen Sie, wozu ist das Wasser denn da?«
Walt kam um sieben Uhr abends zurück. Er konnte die Beine kaum noch heben und brachte einen furchtbaren Durst mit.
«Die Herren in der Staatsanwaltschaft skalpieren mich, wenn sie dahinterkommen, daß wir sie nur ausnutzen«, sagte er düster, nachdem er sich in meinem Zimmer niedergelassen hatte.»Zwei waren bereit, morgen zur Orpheus-Farm hinauszufahren. Ich treffe mich mit ihnen an der Ausfallstraße und zeige ihnen den Weg. Übermorgen fährt jemand vom Amt hin, bei dem die Zuchtpferde registriert sind. Die Staatsanwaltschaft hat das für mich vereinbart.«
«Ausgezeichnet!«
Walt lud seine leergelaufenen Batterien mit Whisky auf und fragte:»Und was gibt’s bei Ihnen Neues?«
«Offen hat hier herumgeschnüffelt.«
«Was hat er?«
«Er kam her und stellte verschiedene Fragen. Eunice hat ihm ein paar prächtige Antworten verpaßt, die ihm auch nicht weiterhelfen. Er ging in dem festen Glauben wieder weg, daß wir in Kürze erneut bei ihm auf der Matte stehen werden.«
«Wahrscheinlich wollte er herausfinden, ob wir die ganze Sache abblasen und nach Hause fahren«, vermutete Walt,»und ob er es wagen konnte, die Pferde wieder zurückzuholen. Er hat seit Tagen nichts mehr von uns gespürt. Das muß für ihn ein Gefühl sein, wie wenn er auf einer tickenden Wasserstoffbombe sitzt. «Er nahm einen kräftigen Schluck und fuhr sich genießerisch mit der Zunge über die Lippen.»Morgen kriegt er, was er haben will.«
Als er sich müde wegschleppte, um vor dem Dinner noch zu duschen, rief ich Jeff Roots an.
«Wie war’s in Miami?«fragte ich.
«Heiß und scheußlich. Ich hab’ vier Pfund zugenommen.«
Ich bedauerte ihn, bedankte mich für seine Hilfe bei der Zeitung und berichtete ihm, daß Miss Britts Scharfsinn die beiden Hengste aufgespürt habe.
«Am liebsten war’s mir, wenn ich das nicht glauben müßte. Sind Sie auch ganz sicher?«
«Ja.«
Sein Seufzer kam aus tiefstem Herzen.»Dann leiten wir lieber gleich die erforderlichen Maßnahmen.«
«Ich habe schon alles Nötige veranlaßt«, unterbrach ich ihn.»In ein oder zwei Tagen werden wir zwei Pferde in Besitz haben, die bei einer angesehenen Persönlichkeit untergebracht werden müssen, bis ihre Identität einwandfrei geklärt ist. Da sie so lange Zeit verschollen waren, dürfte es ein bis zwei
Monate dauern, bis sie ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden können. Wo könnte man sie nach Ihrer Meinung unterstellen?«
Nach einer Pause fragte er:»Wahrscheinlich wollen Sie damit anfragen, ob Sie die Hengste zu mir stellen können?«
«Eigentlich nicht«, erklärte ich.»Nach der Sache mit Chrysalis wäre das wohl zuviel des Zufalls. Ich dachte mehr an eine offizielle Stelle — ich weiß nicht, was es in dieser Richtung gibt.«
«Mir wird schon etwas einfallen. «Er hüstelte.»Im Zusammenhang mit der Wiederbeschaffung wird es doch wohl zu keinen Ungesetzlichkeiten kommen?«
«Nicht mehr als bei Chrysalis auch.«
«Das ist keine Antwort.«
«Es dürfte eigentlich keinen Ärger mit der Polizei geben«, sagte ich.
«Damit muß ich mich wohl zufriedengeben. «Er seufzte.»Wann kann ich mit den Hengsten rechnen?«
«Wenn alles glattgeht, werden sie am Sonntag in Lexington eintreffen.«
«Und wenn nicht alles glattgeht?«
«Dann sind Sie allen Ärger los.«