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Falls Matt noch auf ein Spielchen in Las Vegas blieb, dauerte es mindestens eine Stunde länger bis zu seiner Rückkehr. Seine Kleidung ließ darauf schließen. Aber es war dann schwer zu sagen, ob er eine oder sechs Stunden später kommen würde.

«Wechseln Sie die Dichtung aus«, sagte ich,»dann sehen wir weiter.«

Sam nickte gelassen. Das hätte er ohnehin getan, auch wenn der Transporter woanders zusammengebrochen wäre. In aller Ruhe suchte er sein Werkzeug zusammen und begann ein paar Schrauben zu lösen.

«Kann ich Ihnen helfen?«fragte ich.

Er schüttelte den Kopf und klemmte die Taschenlampe so fest, daß er bequem arbeiten konnte. Er tat keine hastige Handbewegung, aber er zögerte auch nicht, und jede Bewegung verriet Erfahrung. Auf der ausgebreiteten Zeltbahn neben ihm wuchs der Haufen abgeschraubter Teile.

Ich ging ein paar Schritte zur Seite und tastete nach den Zigaretten. Noch zwei übrig. Ich hatte vergessen, neue zu kaufen. Bei der Entscheidung, ob ich weiterfahren oder umkehren sollte, half mir die Zigarette auch nicht weiter.

Ich mußte mich ohnehin schon darauf verlassen, daß Matt noch zum Spielen ging. Hätte es sich um Yola gehandelt, so wäre ich ziemlich sicher gewesen, daß sie für den Rest der Nacht in Las Vegas blieb. Aber ihr Bruder war vielleicht kein so leidenschaftlicher Spieler, und alles, was er suchte, war wohl eine Abwechslung vom täglichen Einerlei mit den Pferden. Aber wie lang oder wie kurz?

Der Entschluß, den ich dann faßte, war eigentlich gar keiner: Ich wollte erst einmal abwarten, um welche Zeit Sam fertig war.

Abgesehen von dem Lichtfleck rings um den Pferdetransporter war diese Nacht genauso schwarz wie die vergangene. Die Sterne glitzerten fern und klein, und deutlicher als sonst zeigte der riesige amerikanische Kontinent, wie gleichgültig ihm die Menschen waren. Welche Rolle spielt ein Mensch schon in dieser Größenordnung? Man brauchte nur in die Wüste hinauszugehen…

Ich drückte sorgfältig die Zigarette aus und schob den Stummel in die Tasche. Ein guter Verbrecher, dachte ich ironisch. Das war ich immer schon. Ich hatte einen Auftrag zu erledigen, und auch wenn das geschafft war, blieb mir keine Zeit für Spaziergänge in der Wüste. Ich würde nach Santa Barbara zurückfahren, mit Walt, Eunice und Lynnie frühstücken. Diese Aussicht kam mir im Augenblick völlig unwirklich vor, denn die Berge Arizonas waren so weit weg vom Luxus der Küste, und ich stand wieder ganz allein mit der riesigen Wüste meiner Seele.

Ich ging zu Sam zurück und erkundigte mich, wie er vorankäme. Er kratzte gerade die schadhafte Dichtung vom Zylinderblock.

«Es geht«, sagte er ruhig.»Ich breche wahrscheinlich jeden Rekord.«

Ich versuchte zu lächeln. Er knurrte und meinte, jetzt könne er eine Tasse Kaffee gebrauchen. Mir war auch danach, doch wir hatten keinen mitgebracht.

Er arbeitete weiter. Die Luft war trotz der Nacht immer noch viel wärmer als in England, und er wischte sich immer wieder mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Das Licht der Lampe schimmerte auf seinen kräftigen Fingern, und das Klappern des Schraubenschlüssels hallte durch die Wüste.

Langsam bewegten sich die Zeiger meiner Uhr weiter. Wegen der Zylinderblockdichtung ging ein guter Teil der Nacht drauf!

Und wo war Matt?

Nach zwei Stunden rutschte Sam mit seinem Schraubenschlüssel ab und fluchte. Trotz seiner äußeren Ruhe schien er einer Explosion nahe zu sein. Er hielt in der Arbeit inne, reckte sich, holte dreimal tief Luft und starrte zum Nachthimmel hinauf. Offensichtlich wartete er darauf, daß ich etwas sagte.

«Sie kommen großartig voran«, sagte ich.

Er schnaubte.»Und was geschieht, wenn sie uns hier erwischen?«

«Dann kriegen wir die Pferde nicht.«

Bei dieser Antwort verzog er nur das Gesicht und machte sich wieder an die Arbeit.

«Was haben Sie den ganzen Tag getrieben?«

«Nichts. Herumgesessen.«

«Sie sehen halbtot aus«, meinte er.»Reichen Sie mir mal bitte die beiden Unterlegscheiben rüber.«

Ich gab ihm die Scheiben.

«Wie lange noch?«

«Kann ich nicht sagen.«

Ich unterdrückte den Impuls, ihn anzutreiben. Er arbeitete ohnehin schon so schnell es ging. Aber die Zeit tickte dahin, und ich konnte die Entscheidung nicht länger aufschieben. Die Wüste wirkte wie ein Magnet. Ich kehrte ihr den Rücken zu und kletterte in die Kabine. 23.20 Uhr. Möglich, daß Matt nur noch eine knappe Viertelstunde von Kingman entfernt war. Vielleicht klebte er aber auch an irgendeinem Spieltisch in Las Vegas.

Wo war er nun?

Eine halbe Stunde lang schaute ich aus dem Rückfenster, aber von dort empfing ich keine nützlichen, telepathischen Botschaften. Also ein Glücksspiel, dachte ich. Man muß nur überlegen, ob der Gewinn das Risiko lohnt.

Die Entscheidung wäre mir leichter gefallen, wenn ich allein hergekommen wäre. Aber dann hätte ich auch die Dichtung nicht reparieren können.

Um 23.40 Uhr erklärte Sam mir mit düsterer Miene, er müsse auch die Wasserpumpe reparieren, sie hinge fest.

«Wie lange?«

«Noch einmal zwanzig Minuten.«

Wir tauschten einen finsteren Blick, dann sagte ich schließlich:»Machen Sie weiter. «Was sollte ich sonst sagen?

Ich stieg aus der Kabine und ging unruhig ein Stück die Straße entlang; dabei fürchtete ich jeden Augenblick, Matts Schweinwerferpaar kommen zu sehen. Ich überlegte, wie wir am besten mit ihm fertig werden könnten, wenn es schon sein mußte. Ich war wohl bereit, ihm etwas zu stehlen, was ihm nicht gehörte, aber ich wollte ihm nicht ans Leder. Seine Einstellung war eine ganz andere. Er hatte keine Hemmungen, und es würde auf jeden Fall Blut fließen. Sams Blut durfte es aber nicht sein. Das wäre unfair.

Zwei Minuten nach Mitternacht rief er mir zu, er sei fertig. Ich ging rasch zum Wagen zurück. Er schüttete Wasser in den Kühler, dann schraubte er die Kappe zu.

«Jetzt muß er in Ordnung sein«, sagte er. Seine Hände glänzten ölverschmiert, müde ließ er die Schultern hängen.

«In welche Richtung fahren wir?«

«Geradeaus weiter.«

Er nickte mit breitem Grinsen.»Habe ich mir gedacht. Nun, ich habe nichts dagegen.«

Er schwang sich auf den Fahrersitz, und ich kletterte ebenfalls in die Kabine. Die Maschine sprang beim ersten

Versuch an, er schaltete die Scheinwerfer ein, löste die Bremse, und wir rollten davon.

«Wenn uns jetzt jemand erwischt«, sagte ich,»gehen Sie in Deckung.«

«So?«

«Ja.«

«Will Ihnen mal was sagen«, brummte er gemütlich.

«Ich hab’ ‘nen guten linken Haken.«

«Damit gibt sich der Kerl nicht zufrieden, hinter dem wir her sind. Der haut einem gleich den Schädel ein.«

«Sind aber nette Menschen, mit denen Sie es zu tun haben«, sagte er.»Das werde ich mir merken.«

Wir legten die restliche Strecke schweigend in kurzer Zeit zurück. Dann kroch der Pferdetransporter um die letzte Kurve, und die Scheinwerfer tasteten sich über die Farmgebäude vor uns.

Ich legte Sam die Hand auf den Arm, er blieb ein Stück vor dem Hof stehen.

«Bitte ausschalten, auch die Lichter«, sagte ich. Dann sprang ich rasch aus der Kabine und mußte wieder ein paar kostbare Sekunden vergeuden, bis meine Augen sich an die Dunkelheit und meine Ohren sich an die Stille gewöhnt hatten.

Kein Licht im ganzen Haus, nirgendwo ein Geräusch, bis auf das fast unhörbare leise Singen und Vibrieren in der endlosen Atmosphäre. Die Kälber und Hühner schliefen. Auch die Pferde waren still. Ich klopfte an die Fahrerkabine, und Sam schaltete wieder die Scheinwerfer ein, bevor er zu mir herunterkletterte. Die hellen Lichtbündel trafen die Rückseite des Hauses und würden die Pferde wenigstens nicht blenden, wenn ich sie aus dem Stall führte. Drüben auf der dunklen Seite des Hofs gähnte das offene Tor des Autoschuppens, den Matt unverschlossen gelassen hatte, wie ein schwarzes Loch.