Выбрать главу

Keeble seufzte unterdrückt und machte eine unbestimmte Handbewegung.»Jedenfalls niemand außer Ihnen.«

Er holte ein Kleiderbündel aus einem Schrank.

«Notausstattung für Reingefallene«, erklärte er, als er mir das Bündel reichte.»Wahrscheinlich wird Ihnen nichts davon passen.«

Da es sich um eine Sammlung zu großer abgelegter Sachen von ihm und zu kleiner von Lynnie handelte, hatte er recht. Außerdem war mir alles viel zu kurz.

Er fuhr fort:»Noch etwas: Woher wollten der Junge und das Mädchen überhaupt wissen, daß wir auf dem Fluß waren und durch die Schleuse von Harbour zurückkommen würden? Was glauben Sie wohl, wie lange die sich an den Pfahl geklammert und so auf uns gewartet haben? Wie sollten sie wissen, welches Boot sie anrufen sollten, und daß sie nicht von einem falschen Fahrzeug gerettet würden?«

«Die besten Unfälle sehen immer danach aus, als seien sie tatsächlich nichts weiter als echte Unfälle.«

«Das will ich zugeben«, sagte er und nickte.»Ich meine nur, daß gerade dieser Unfall wirklich nicht gestellt sein konnte.«

«Doch. Und zwar mit einer sicheren Hintertür, die darin bestand, daß sie die Szene mit dem Hilferuf gar nicht zu spielen brauchten, wenn etwas nicht nach Plan verlief, wenn zum Beispiel Peter im Bug stand und nicht Dave. Natürlich warteten sie mit ihrer Szene, bis sie ganz sicher waren, daß wir es auch wirklich waren.«

«Sie schwebten doch wirklich in Gefahr«, protestierte Keeble.

«Möglich. Ich möchte mir den Pfosten gerne aus der Nähe ansehen.«

«Außerdem konnten doch noch andere Boote in der Nähe sein und ihnen zu Hilfe kommen. Oder die Sache zumindest beobachten.«

«Wenn Dave nicht in die Reichweite der Stange gelangte, so hatten sie nichts verloren außer einer Gelegenheit. Wenn noch andere Boote in der Nähe waren, so bedeutete das nicht mehr als nur eben noch ein paar Leute, die um Hilfe schrieen. Das Mädchen kreischte und plantschte herum und ließ so gekonnt das Seil ins Wasser klatschen, während der Junge Dave niederschlug. Wir alle haben nur sie beobachtet und nicht ihn. Alle anderen hätten das genauso gemacht.«

«Und woher wollten die beiden überhaupt wissen, wo sich Dave an diesem Sonntag aufhalten würde? Weshalb sollte ihn jemand umbringen wollen?«

Ich stieg in eine betagte graue Hose von Keeble, die für mich um die Taille mehr als reichlich bemessen war. Mein Chef hielt mir wortlos einen kurzen, gestreiften, elastischen Schuljungengürtel hin, der dieses Problem löste, indem er wie eine Knebelkompresse einschnitt.

«Gene, das war wirklich ganz einfach ein Unfall. Anders ist das gar nicht möglich.«

Die Hose hörte eine Handbreit oberhalb meiner Knöchel auf, und die Socken, in die ich mich zwängte, gaben sich auch keine Mühe, die Kluft zu überbrücken.

«Gene!«rief Keeble. Er verlor die Geduld.

Ich seufzte.»Sie müssen doch zugeben, daß ich im Arrangieren von Unfällen eine Art Spezialist bin? Es geht nur darum, die Ereignisse ganz allgemein so einzurichten, daß der Betroffene sie für reines Pech hält.«

Keeble lächelte.»Auf diese Weise haben Sie so manchen…«

«Na also«, sagte ich nüchtern.»Ich sollte eine gestellte Situation doch erkennen.«

Sein Lächeln verblaßte und machte einem nachdenklichen Ausdruck Platz.

«Falsch«, fuhr ich fort.»Bei der Bootspartie habe ich weder eine Gehirnerschütterung erlitten noch Wasser ins Gehirn bekommen.«

«Behalten Sie Ihre telepathischen Fähigkeiten für sich«, sagte er ungemütlich.»Trotzdem glaube ich, daß Sie sich irren.«

«Schön. Dann verbringe ich meine Ferien eben in Putney.«

Sein» Nein!«kam so vehement, so explosiv, daß der letzte Rest von zartfühlendem Drumherumgerede dahin war. Seinem unverhohlenen Erschrecken merkte ich an, wieviel er über meinen niedergeschlagenen Geisteszustand wußte und wie fest er davon überzeugt war, daß ich drei Wochen Alleinsein nicht überleben würde. Ich erschrak bei dem Gedanken, woher seine Erleichterung rührte, als ich am Morgen seinen Anruf beantwortete. Es ging nicht darum, daß er mich zu Hause, sondern daß er mich lebend angetroffen hatte. Er hatte mich zu der Bootsfahrt mitgeschleppt, um mich im Auge zu behalten, und er war bereit, mich sinnlos hinter irgend etwas herjagen zu lassen, solange ich nur beschäftigt war. Vielleicht hoffte er, daß ich es auf diese Weise überwinden würde.

«Die Stimmung habe ich schon lange«, sagte ich sanft.

«Aber nicht so.«

Darauf wußte ich keine Antwort.

Nach einer Weile meinte er beschwörend:»Wenn drei Weltklassehengste nacheinander verschwinden — glauben Sie dann noch an Zufall?«

«Nein. Besonders dann nicht, wenn jemand den Mann

beseitigen will, dem zwei davon gehören.«

Er machte den Mund auf und klappte ihn wieder zu. Ich mußte fast lächeln.

«Es war ein höchst gekonnter Unfall«, sagte ich.»Besser ließ sich das kaum machen. Sie konnten nur nicht damit rechnen, daß ihnen jemand von meiner Sorte dazwischenfunken würde.«

Er glaubte mir immer noch nicht. Aber es stimmte ihn froh, daß wenigstens ich daran glaubte, weil ich dann in die USA reisen würde, und so erhob er keine weiteren Einwände mehr. Achselzuckend und mit bekümmertem Lächeln warf er mir einen unmöglichen Pullover zu, der wie ein Zelt an mir hing. Ich griff nach meinen nassen Sachen und folgte ihm hinaus in die Sonne.

Peter und Lynnie kicherten beim Anblick meines schlackernden Kostüms. Der überstandene Nervenschock ließ ihre Stimmen noch scharf klingen, besonders die Lynnies. Ich feixte sie an und fuhr ihr mit der Hand durchs Haar, dann tat ich, als wollte ich Peter über Bord werfen. Die Spannung in ihrem Blick löste sich ein wenig. Noch eine halbe Stunde, dann würden sie das Stadium erreichen, in dem sie unbedingt über die Sache reden mußten, und nach einer weiteren Stunde waren sie sicher wieder normal. Nette, normale Kinder mit netten, ganz normalen Reaktionen.

Müde kletterte ich aufs Kabinendach und legte meine Sachen zum Trocknen in die Sonne. Meine Schuhe standen noch da, wo ich vorhin aus ihnen herausgeschlüpft war. Gedankenverloren zog ich sie wieder an. Dann richtete ich mich auf und blickte zum Wehr hinüber. Drüben ragte der solide Pfosten mit dem Schild GEFAHR auf. Harmlos schwoite der Flußkahn hinter der >Flying Linnetc. Ich mußte unwillkürlich an die Sage von den Sirenen denken, den Seenymphen, die auf einem Felsen in der Nähe der Strudel saßen und mit ihrem schönen Gesang die vorbeifahrenden Seeleute in den Tod lockten.

Kapitel 3

Der Name des Eigentümers stand auf einem kleinen Metallschild, das im Heck des Kahns angeschraubt war. Der Schleusenwärter erklärte auf unsere Frage, der Kahn stamme von einem Bootsverleih etwa eine Meile flußabwärts, gleich neben einer Wirtschaft, man könne es nicht übersehen.

«Das war da, wo wir heute morgen die Rast einlegten«, raunte ich Keeble zu.

Er blinzelte rasch, dann sagte er zu dem Schleusenwärter:»Vermutlich passieren eine Menge Kähne von dort Ihre Schleuse.«

«Klar, ganz besonders an einem so schönen Sonntag.«

«Ist Ihnen dieser hier zufällig aufgefallen? Mit einem Jungen und einem Mädchen drin? Das Mädchen hatte langes, blondes Haar, eine weiße Hose und ein rosa Hemd, der Junge trug enge, blaßblaue Jeans und ein gelb-rot kariertes Hemd.«

«Ich glaube, die sind vor der Mittagspause vorbeigekommen. Jedenfalls erinnere ich mich nicht daran, daß ich sie am Nachmittag gesehen hätte.«

Der Schleusenwärter schob sich die weiße Mütze in den Nacken und betrachtete die Boote, die sich vor der Schleuse anstellten. Er war noch ein ziemlich junger Mann mit einer Geduld wie ein Maultier. Das rührte wohl daher, daß er tagein, tagaus mit einer endlosen Kette von Anfängern zu tun hatte. Er hatte ganz sachlich erklärt, daß an jedem Tag Leute in seine Schleuse purzelten. Beinahe Ertrunkene interessierten ihn nicht sonderlich, dafür hatte er zu oft mit den Nichtgeretteten zu tun.