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«Würden Sie die beiden wiedererkennen?«fragte Keeble.

Der Mann schüttelte ganz entschieden den Kopf.»Ausgeschlossen. Und wenn ich jetzt nicht gleich zu meiner Schleuse

zurückkehre, dann werden die da unten so nervös, daß wir wahrscheinlich noch einen rausfischen müssen.«

Er tippte sich an die Mütze — ein Abschiedsgruß für mich als einen der wenigen, die über sein Wehr gegangen waren und es überlebt hatten, dann schlenderte er ohne besondere Hast davon und begann sich wieder dem rückflutenden Sonntagsverkehr zu widmen.

«Wir nehmen den Flußkahn am besten mit zurück zum Bootsverleih«, sagte Keeble rücksichtsvoll.»Wir kommen ohnehin dort vorbei, und an einem so geschäftigen Wochenende haben die doch niemanden frei, der ihn abholen könnte. Vielleicht wissen sie, woher der Junge und das Mädchen kamen.«

Vielleicht auch nicht, dachte ich. Aber man muß auch der aussichtslosesten Spur nachgehen.

«Ich möchte mir den Pfahl noch ansehen«, sagte ich.

Keeble hatte nichts dagegen, aber Lynnie, Peter und ihre Mutter waren entsetzt, als sie hörten, was wir vorhatten. Sie wollten lieber am Ufer warten. In Reih und Glied bewachten sie den Kahn und sahen uns ängstlich zu, wie Keeble das Boot geschickt ein Stück flußaufwärts zwischen den entgegenkommenden Schiffen durchmanövrierte und es dann langsam auf den Pfahl zutreiben ließ. Ich stand im Heck und hielt mich an dem Brett mit der ominösen Warnung fest, während Keeble den Rückwärtsgang einlegte, um gegen die rasche Strömung anzugehen.

Sobald die Maschine rasch genug drehte, um das Boot gegen die Strömung zu halten, ließ die Spannung in meinen Armen nach; ich kniete mich auf den Sitz und rekonstruierte, was das Mädchen vorhin versucht hatte: eine Leine hinter dem Pfosten durchzuziehen. Die Neigung der zwei Tonnen schweren >Flying Linnet< abzutreiben, kann kaum weniger Schwierigkeiten bereitet haben als der leichte Kahn, aber ich konnte sie leicht festhalten, auch wenn ich berücksichtigte, daß meine Arme länger und kräftiger waren. Ich befestigte die Leine und gab Keeble ein Zeichen. Er stoppte die Maschine. Dann klemmte ich meine große Zehe fest unter eine Kante, schob die Ärmel des braunen Pullovers hoch und beugte mich weit über die Bordwand, um mir die Sache aus der Nähe anzusehen.

«Seien Sie um Himmels willen vorsichtig!«rief Keeble mir durch das Rauschen des Wehrs zu.

Ich drehte mich um und lachte ihn an.

«Ich habe sonst keine trockenen Sachen mehr«, knurrte er.»Jedenfalls nichts, was Ihnen paßt. Wenn Sie noch einmal ins Wasser fallen, fahren Sie naß nach Hause.«

Lächelnd wandte ich mich wieder dem Pfahl zu. Aber so sorgfältig ich ihn auch abtastete, an dem kräftigen, weißgestrichenen Balken war nichts Ungewöhnliches zu entdecken.

Achselzuckend meinte Keeble:»Hab’s Ihnen ja gleich gesagt. «Dann steuerte er das Schiff zurück ans Ufer.

«Sollen wir den Kahn nach Fingerabdrücken untersuchen?«fragte ich.

«Sie sind ein hartnäckiger Bursche.«

«Darüber sollten Sie doch froh sein.«

Wir beide erinnerten uns an eine lange Reihe von Fällen, in denen meine Hartnäckigkeit uns reiche Ernte eingetragen hatte. Ich merkte, wie er unsicher wurde.

«Schön, Gene, wenn Sie so sicher sind.«

«Lassen Sie Raben ran, er macht’s am besten.«

«Gut. Gleich morgen.«

«Und die Polizei?«

Er schob die Lippen vor.»Das ist nicht unser normales Betätigungsfeld. Schon eher ihres, das gebe ich zu. Aber sie werden unsere Theorie wahrscheinlich doch nicht ernst nehmen. Sie tun nur etwas, wenn wir ihnen sagen, wer wir sind, und sie damit beeindrucken. Nein, das gefällt mir gar nicht. Ich denke, wir behalten diese Sache vorerst für uns.«

«Damit wir uns nicht vor aller Welt blamieren, falls nichts dabei herauskommt?«

Seine Gesichtsmuskeln spannten sich eine Sekunde lang.»Sie werden nicht dafür bezahlt, Ihren sechsten Sinn gegen Ihren Chef einzusetzen.«

«Wahrscheinlich doch.«

«Gutes Argument.«

Das Boot scharrte sanft am Ufer entlang. Ich half Joan und Lynnie beim Einsteigen. Peter kletterte auf Anweisung seines Vaters in den Kahn und reichte ihm die Halteleine. Keeble machte sie in der Klampe im Heck der >Flying Linnet< fest. Dann glitten wir, mit dem Kahn im Schlepp, in die Schleuse, teilten dem Schleusenwärter unsere Absicht mit und fuhren stromabwärts zu dem Bootsverleih mit der benachbarten Wirtschaft.

Ein aufgeregter Bootswärter bemühte sich hier, mit den zurückkehrenden Familienausflüglern und ein paar Jungen und Mädchen fertig zu werden, die sich die halbe Stunde bis zur Öffnung der Wirtschaft um sieben Uhr vertreiben wollten. Die Nachmittagssonne schimmerte rötlich auf seiner spiegelnden Glatze. Wir mußten warten, bis er seine Fahrgäste behutsam in die Boote oder heraus bugsiert, ihr Geld entgegengenommen und die jungen Pärchen darauf aufmerksam gemacht hatte, daß man nach Einbruch der Dämmerung nicht mehr ohne Positionslichter auf der Themse fahren dürfe und daß der Bootsverleih ohnehin um 21.30 Uhr schließe.

Endlich fand Keeble Gelegenheit, sich bei dem Mann zu erkundigen, ob er ein blondes Mädchen und einen Jungen in einem gelb-rot karierten Hemd gesehen habe, die am Morgen einen flachen Flußkahn mieteten.

«Ob ich die gesehen hab’? Denk’ schon, war ja den ganzen Tag hier.«

«Erinnern Sie sich an die beiden?«fragte Keeble geduldig.

«Wo sind sie denn?«Der Bootsbesitzer schaute sich mißtrauisch um.

«Sie sind fort«, antwortete Keeble.

«Und wer bezahlt mich dann?«rief der Bootsverleiher in einem Ton, als wollte er sagen: Auch das noch! Jetzt ist es aber genug!

«Ich komme schon dafür auf«, beruhigte ihn Keeble und zog aus einer Gesäßtasche die wie üblich prall gefüllte Brieftasche. Keeble hatte es nicht nötig, von dem Gehalt zu leben, das Ihre Majestät ihm bezahlte. Er arbeitete aus Überzeugung und nicht, weil er mußte; sein Taschengeld war höher als mein Wochenlohn, und sein Schiff hätte mich ein Jahresgehalt gekostet.

«Was sind Ihnen die beiden denn schuldig?«Er bezahlte die geforderte Summe und legte noch fünf Pfund drauf.

«Ich möchte das Boot gerne bis morgen mieten. Haben Sie etwas dagegen?«

Der Bootsverleiher nahm ohne zu zögern das Geld an und tat, als müsse er sich das noch einmal überlegen.

«Wohin wollen Sie das Boot denn mitnehmen?«fragte er vorsichtig.

«Nach Henley.«

«Und Sie lassen auch nicht die Kissen draußen, falls es regnet?«

Keeble schüttelte den Kopf.

«Na schön. «Er hatte die Geldscheine bereits eingesteckt.»Und morgen bringen Sie es mir zurück?«

«Morgen nachmittag. Was die beiden jungen Leute von heute morgen betrifft…«

Unerwarteterweise leuchtete das Gesicht des Mannes plötzlich auf.»Jetzt fällt’s mir wieder ein!«rief er.»Das waren doch die beiden, die gar nicht miteinander wegfahren sollten!«

«Wie meinen Sie das?«fragte Keeble.

«Nun ja, das Mädchen sagte so etwas wie: Wenn ihr alter Herr ihnen nun Detektive nachgeschickt habe? Was würde er wohl sagen, wenn er hörte, daß sie den ganzen Tag in einem Kahn mit ihm weggefahren sei? Und sie wolle nur mitkommen, wenn man ihr daraus nicht für eine Scheidung etwas anhängen könne. Der Junge in dem gescheckten Hemd drehte sich um und sagte, der alte Geldsack, womit er wohl ihren alten Herrn meinte, der würde ja doch nie herausfinden, wo sie waren, schließlich sei er doch geschäftlich in Frankreich, oder irgendwo, nicht wahr? Da merkten sie, daß ich dicht danebenstand und ihnen zuhörte. Sie stießen sich an und waren still. Ich könnt’ mir denken, daß die beiden aufn kleinen Seitensprung aus waren, und keiner sollte sie dabei erwischen.«

«Genau!«sagte Keeble und nickte mir zu: Ich hab’s ja gleich gesagt!