»Das Zentrum scheint nur über die Ergebnisse in der Klinik besorgt zu sein, nicht im Raumflughafenkomplex als solchem. Und wenn Ihre sechs Raumfahrer ihre Alpträume während ihrer Reise hatten, spricht nichts dafür, daß ihre Symptome Eingang finden in — «
»Das ist es ja eben!« sagte Mookherji. »Sie hatten ihre Alpträume im Weltraum. Seit heute vormittag schlafen sie hier, und Nakadai berichtet, daß sie ungestört schlummern. Inzwischen sind hier Halluzinationen ausgebrochen. Das bedeutet, daß in der Klinik das zu wirken scheint, was sie im Raumschiff belästigt hat — eine Art Wesenheit, die in der Lage ist, solche Träume hervorzurufen, daß erfahrene Raumfahrer an den Rand eines Nervenzusammenbruchs geraten und Kranke schwer geschädigt oder gar getötet werden.« Er bemerkte, daß Bailey ihn seltsam ansah und dabei nicht der einzige war. Etwas zurückhaltender fuhr Mookherji fort: »Es tut mir leid, wenn Ihnen das phantastisch vorkommt. Ich habe mich den ganzen Tag damit befaßt und habe mich also an die Vorstellung gewöhnen können. Das Bild hat sich aber eben jetzt erst für mich zusammengefügt. Ich behaupte nicht, daß meine Idee wirklich zutreffen muß. Ich sage nur, daß es eine vernünftige Vermutung ist, daß sie mit den eigenen Gedanken der Raumfahrer und mit der ganzen Situation vereinbar ist — und daß sie eine gründliche Untersuchung verdient, wenn wir der Sache ein Ende machen wollen, bevor wir noch mehr Patienten verlieren.«
»Na schön, Doktor«, sagte Bailey. »Wie wollen Sie die Untersuchung anpacken?«
Mookherji sah ihn betroffen an. Er war den ganzen Tag auf den Beinen und der Erschöpfung nahe. Und Bailey beauftragte ihn einfach mit der Leitung dieser Jagd nach dem Ungreifbaren, ohne ihn auch nur zu fragen! Aber er sah ein, daß er sich nicht weigern konnte. Er war der einzige Telepath hier. Wenn das angeblich existierende Wesen wirklich im Krankenhaus herumlief, wer konnte es dann entdecken, außer einem Telepathen?
Mookherji kämpfte gegen seine Erschöpfung an und sagte: »Nun, ich brauche zunächst eine Liste aller Alptraum-Fälle, eine Liste darüber, wo die Opfer sich befinden, und die Zeitangaben für das Auftreten der Halluzinationen — «
Jetzt würde man sich auf das Fest der Verwandlung vorbereiten, den Höhepunkt des Winters. Tausende von Vsiirs in der Metamorphose würden unterwegs sein zum Tal des Sandes, zu dem riesigen Natur-Amphitheater, wo die heiligsten Riten vollzogen wurden. Inzwischen würden die ersten ihre Plätze eingenommen haben, nach Westen gewandt, der aufgehenden Sonne zu. Mit der Zeit würden sich die Ränge füllen, wenn die Vsiirs von allen Teilen des Planeten kamen, bis das goldene Tal von ihnen wimmelte. Vsiirs, die ständig ihr Energieniveau wechselten, die Dimensionen und inneren Resonanzen, glorreich die letzten freudigen Augenblicke der Jahreszeit der Metamorphose durchlebend, miteinander auf sanfte Weise im Wettbewerb, die größte Vielfalt der Form, den dynamischsten Zyklus physischer Veränderung zu zeigen — und wenn die ersten roten Strahlen der Sonne an der Nadel vorbeiglitten, würden die Feiernden immer wilder werden, tanzen und springen und sich ohne jede Hemmung verwandeln, um von der Auffälligkeit des Winters gereinigt zu sein, während die Jahreszeit der Stabilität über den Planeten zog. Und schließlich würden sie im grellen Sonnenlicht sich einander in erneuerter Verwandtschaft zuwenden, einander umarmen und —
Der Vsiir bemühte sich, nicht darüber nachzudenken. Aber es fiel schwer, dieses Gefühl des Verlustes, diesen Stich des Heimwehs zu unterdrücken. Der Schmerz nahm mit jedem Augenblick zu. Kein vorstellbares Wunder würde den Vsiir rechtzeitig zum Fest der Verwandlung nach Hause bringen, das wußte er, und trotzdem konnte er nicht wirklich glauben, daß er von einer solchen Kalamität befallen worden war.
Der Versuch, mit Menschen geistigen Kontakt aufzunehmen, war nutzlos. Vielleicht, wenn er eine für sie sichtbare Gestalt annahm und wartete, bis er bemerkt wurde, um dann zu versuchen, Sprechkontakt aufzunehmen…
Aber der Vsiir war so klein, und diese Menschen waren so groß. Die Gefahren waren enorm. Der Vsiir klebte an einer Wand, hielt seine Wellenlänge sorgfältig weit über dem Ultravioletten, wog ein Risiko gegen das andere ab und tat im Augenblick nichts.
»Also gut«, sagte Mookherji dumpf. Es war kurz vor Mitternacht. »Ich glaube, jetzt ist die Fährte deutlich.« Er saß vor einem wandgroßen Bildschirm, auf den das Kontrollzentrum einen dreidimensionalen Lageplan der Klinik geworfen hatte. Rote Punkte markierten den Ort jedes Alptraumvorfalls, gelbe Striche den vermutlichen Weg des unsichtbaren fremden Wesens. »Es kam durch den Nebeneingang herein, vermutlich direkt vom Schiff, und erreichte zuerst die Herzstation. Da ist Mrs. Maldonados Bett, dort das von Mr. Guinness, nicht? Dann gelangte es in den zweiten Stock und versuchte zwischen zehn und elf Uhr, hier und dort Patienten zu stören. In den nächsten siebzig Minuten liegt keine Meldung über Halluzinationen vor, aber dann kam die scheußliche Sache mit der Gehirnoperation, und danach — « Er machte eine lange Pause und schloß die Augen. »Das wäre alles«, sagte er schließlich. »Ich nehme an, daß das Wesen inzwischen irgendwo zwischen dem fünften und achten Stockwerk sein muß. Es bewegt sich viel langsamer als am Morgen. Wahrscheinlich läßt die Energie nach. Wir müssen den Flügel der Klinik streng absperren, um seine freie Bewegung einzuschränken, wenn das geht, und die Zahl der Orte verringern, wo es zu finden sein könnte.«
Einer der Sicherheitsbeauftragten sagte etwas angriffslustig: »Doktor, wie sollen wir denn ein unsichtbares Wesen eigentlich finden?«
Mookherji bezähmte seine Ungeduld.
»Das sichtbare Spektrum ist nicht die einzige Art elektromagnetischer Energie im All. Wenn das Wesen lebendig ist, muß es irgendwo strahlen. Sie haben einen Zentralcomputer mit einer Million von Sensoren in der ganzen Klinik. Kann man damit nicht nach Infrarot- oder Ultraviolett-Strahlungen in den Zimmern suchen? Oder auch nach Röntgenstrahlen, Herrgott noch mal. Wir wissen ja nicht, was für eine Strahlung es ist. Vielleicht gibt es sogar Gammastrahlen ab. Hören Sie, in diesem Haus ist etwas Wildes in Freiheit, und wir können es nicht sehen, aber der Computer kann es. Er soll es suchen.«
»Vielleicht ist die Energie, mit der wir es auffinden könnten, telepathische Energie, Doktor«, meinte Bailey.
Mookherji zuckte die Achseln.
»Soviel man überhaupt sagen kann, verbreiten sich telepathische Impulse irgendwo außerhalb des elektromagnetischen Spektrums. Aber Sie haben natürlich recht: Ich könnte vielleicht irgendeine Emanation wahrnehmen, und ich habe auch vor, Stockwerk für Stockwerk abzusuchen, sobald die Besprechung beendet ist.« Er wandte sich an Nakadai. »Lee, was hört man von deinen Raumfahrern?«
»Alle sechs haben heute acht Stunden ohne jeden Alptraum geschlafen. Einige haben geträumt, aber auf ganz normale Weise. In den letzten zwei Stunden habe ich sie mit ein paar von den Patienten telefonieren lassen, die Alpträume hatten, und alle sind sich einig, daß die Träume, die es heute hier gegeben hat, in Art, Form und Schrecklichkeit den Träumen im Raumschiff entsprechen. Bilder körperlicher Vernichtung und fremder Landschaften, begleitet von einem überwältigenden, fast unerträglichen Gefühl der Isolierung und Einsamkeit, der Trennung von seiner eigenen Art.«
»Das würde zu der Hypothese passen, daß ein fremdes Wesen die Ursache ist«, sagte Martinson von der Psychologischen Abteilung.
»Wenn es herumwandert und versucht, mit uns in Verbindung zu treten, vielleicht, um uns zu sagen, daß es nicht hier sein will, und seine Mitteilungen gelangen zu den menschlichen Gehirnen nur in Form von entsetzlichen Alpträumen — «