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Sollte der Schwarze ihn gerade in dem Augenblick erschießen oder durch einen Tritt erneut zu Fall bringen, wenn er sich sicher wähnte?

Aber nichts dergleichen geschah. Der Hai hatte etwas anderes mit seinem Adjutanten vor.

»Sie haben doch sicher ein Messer dabei, Henry«, meinte der Mann hinter dem Schreibtisch, als sein Adjutant schwankend vor ihm stand.

Black schluckte und nickte. Meinte dieser Teufel es wirklich ernst?

Die schweißnassen, klebrigen Finger des korpulenten Mannes zogen das Klappmesser mit dem perlmuttbeschlagenen Griff aus der Westentasche.

»Öffnen Sie es!« verlangte der Hai.

Blacks Finger zitterten so sehr, daß er die Klinge erst beim fünften oder sechsten Versuch ausklappen konnte. Sein verzerrtes Gesicht spiegelte sich in dem blankpolierten Stahl. Er sah so erbärmlich aus, wie er sich fühlte.

Der Hai klopfte die Asche seiner halb niedergebrannten Zigarre in den großen Kristall-Aschenbecher und schob ihn dann über den Tisch, zu Black.

»Bitte, bedienen Sie sich, Henry!«

»Ich. verstehe nicht.«

Black kam sich vor wie in einem bösen Traum gefangen. Es war der schlimmste Alptraum, der ihn jemals gequält hatte: die Wirklichkeit!

»Wollen Sie etwa meinen Schreibtisch mit Ihrem Blut besudeln?« fragte der Hai vorwurfsvoll und klopfte mit dem Knöchel auf die Tischplatte. »Gutes Kirschbaumholz, darum wäre es doch schade.«

Black zeigte auf den großen Aschenbecher.

»Sie meinen. ich soll.«

»Nur zu«, nickte der Hai und zeigte jetzt offen den Spott auf seinem Gesicht, während seine Stimme weiterhin ruhigen Ernst vorspiegelte.

»Aber da ist Asche drin«, versuchte Black eine letzte, reichlich schwache Ausflucht.

»Das sehe ich«, erwiderte der Hai ungerührt, während sein Gesicht geradezu feixte.

Black betrachtete seine Hände, die von Sekunde zu Sekunde stärker zitterten. Wenn er es nicht schnell tat, würde er es gar nicht zustande bringen.

Aber was würde dann der Hai mit ihm tun?

Der schwitzende, zitternde Mann streckte den kleinen Finger der linken Hand über dem Aschenbecher aus und drückte ihn mit dem untersten Glied auf den Rand. Seine Rechte hielt die Messerklinge über den Finger.

Er bemerkte einen Schatten hinter sich. Buster war nähergetreten, um ihm interessiert zuzusehen. Auch der Blick des Hais war unverwandt auf den massigen Mann gerichtet.

Mit einem schnellen Schnitt vollbrachte Black es. Der Schmerz kam hinterher, als das Blut in den Aschenbecher schoß.

»Am besten wickeln sie ein Taschentuch um den Finger, Henry«, verspottete der Hai ihn durch das Vortäuschen fast väterlicher Sorge. »Wäre doch lächerlich, wegen einer solchen Wunde zu verbluten.«

Mit fahrigen Bewegungen, die von einem zunehmenden Schwindelgefühl diktiert wurden, suchte Black seine Taschen nach einem der spitzenbesetzten weißen Tücher ab. Endlich wurde er fündig und wickelte es um die linke Hand.

»Kümmern Sie sich um Bremer und um das Feuer!« fuhr der Hai im geschäftsmäßigen Ton fort. »Ich will sofort informiert werden, wenn der Versager zurückkehrt. Und falls das Feuer nicht aufzuhalten ist, müssen wir das Golden Crown rechtzeitig verlassen. Denken Sie daran, Henry!«

Du und dein verfluchter Nigger könnt meinetwegen hier oben verbrennen! dachte Black.

Laut sagte er jedoch: »Ich werde mich um alles kümmern. Kann ich jetzt gehen?«

Der Hai nickte großzügig.

Black hatte sich kaum umgedreht, da hörte er die scharfe Stimme wieder: »Vergessen Sie Ihr Messer nicht, Henry. Das Blut an der Klinge beschmutzt mir sonst doch noch den Tisch. Und den Aschenbecher können Sie auch gleich mitnehmen. Ist doch ein etwas unschöner Anblick, finden Sie nicht?«

Black nickte nur. Er war nicht zu einer Antwort fähig. Das Gefühl von Schwindel und Übelkeit wurde immer stärker.

Er klappte das Messer zusammen und steckte es ein. Dann nahm er mit der heilen Rechten den Aschenbecher auf. Perplex starrte er auf den Inhalt.

Er starrte noch immer darauf, als er das Büro verlassen hatte und langsam die Treppe hinunterging.

Am liebsten hätte er sich über das Geländer gebeugt und sich übergeben.

Aber diese Genugtuung wollte er dem Hai nicht gönnen. Er war sicher, daß der Krüppel da oben ihn beobachtete, auch wenn Buster die Tür hinter Black wieder geschlossen hatte. Der Hai sah alles!

Ein ungeheuerlicher Lärm lenkte Black von seiner Übelkeit ab. Erst hielt er es für Donner. Dann erkannte er, daß es eine Reihe rasch aufeinanderfolgender Explosionen war.

*

Die schwersten Explosionen waren verhallt. Eine Vielzahl kleinerer Explosionen folgte nach, weil immer wieder einzelne Kisten mit Sprengstoff und Munition in die Luft flogen.

Jacob lag auf der Seite, das Gesicht instinktiv unter einem Arm verborgen. Seine Glieder schmerzten, als er seinen Oberkörper aufrichtete.

Er schüttelte mehrere Bretter ab, die auf ihm gelegen hatten. Ein kleiner Schuppen war über ihm zusammengebrochen. Glücklicherweise wohl. Die dünnen Bretter der wackligen Wände hatten ihn vor Schlimmerem bewahrt - vor dem Splitterregen und der Hitzewelle. Und Elihu?

Suchend blickte Jacob sich nach dem Freund um. »Was ist, Jake?« fragte eine vertraute rauhe Stimme im Rücken des Deutschen. »Wonach hältst du Ausschau?«

Jacob fuhr herum. Elihu stützte sich mit der Hand gegen eine einsame Wand, die der Druckwelle aus einem unbekannten Grund widerstanden hatte. Er sah noch ramponierter und schmutziger aus als zuvor. Jacob sagte sich, daß er selbst wohl kaum besser abschnitt.

»Dich habe ich gesucht, Eli. Ich dachte schon, die Druckwelle hätte dich in die Hafenbucht geschleudert.«

»Wäre gar nicht schlecht«, lachte der vollbärtige Harpunier. »Da wäre ich zumindest vor dem Feuer sicher.«

Das Auseinanderbersten des Magazins hatte die Ausbreitung des Feuers in diesem Stadtteil beschleunigt. Die brennenden Trümmer, die oft Hunderte von Yards durch die Luft flogen, steckten andere Gebäude an.

»Hauen wir ab«, schlug Jacob vor. »Das Feuer wird auch hierher kommen.«

Er stützte Elihu wieder, als sie ihre Flucht vor den Flammen fortsetzen. Sie bogen um eine Ecke und sahen einen glänzenden Wasserstrahl, der eine Häuserfront bestrich. Die Männer an der versilberten Feuerspritze trugen golden glänzende Helme und Umhänge.

»Die Jungs von Social Three haben offenbar eine volle Zisterne gefunden«, keuchte Elihu. »Die geben anscheinend niemals auf.«

Dann sahen sie auch die Spritze und die Männer von Monumental Six.

Die beiden Feuerwehrkompanien hatten eine neue Verteidigungslinie aufgebaut und schienen fest entschlossen, den Flammen zu trotzen und diesen Straßenzug nicht preiszugeben.

Angesichts der überall wabernden Lohe, die sich über San Francisco wälzte, bezweifelte Jacob den Erfolg ihres tapferen Einsatzes.

Auch Lieutenant Wannakers Männer und die freiwilligen zivilen Helfer waren schon wieder bei der Arbeit. Sie rissen einen großen hölzernen Mietstall nebst Hufschmiede ab. Die Absicht war klar: Durch eine Schneise wollten sie dem Feuer die Nahrung nehmen und es am ungehinderten Ausbreiten hindern.

Weiter hinten hatten die Sanitäter und ein Armeearzt mit Zeltplanen ein behelfsmäßiges Lazarett aufgebaut. Ein paar Schwerverwundete lagen auf Decken. Immer wieder meldeten sich Männer mit leichteren Verletzungen, in der Mehrzahl Verbrennungen. Sie ließen sich rasch verbinden und eilten dann zum Einsatzort zurück.

Ein Mann trat Jacob und Elihu mit Unglauben in seinem jungen Gesicht entgegen. Die Hitze hatte den Lieutenant dazu gebracht, seinen schweren Uniformrock ganz abzulegen. Jetzt sah man die hellen Hosenträger, die über dem blauen Hemd saßen.

»Sie?« staunte er. »Sie haben es beide geschafft?«