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An der Querstraße vor dem Hotel Santa Rosa stießen die Verfolger auf Bremers Trupp. Die Gangster waren aus den Sätteln gestiegen. Sie mußten irgendwie herausbekommen haben, daß das Hotel Reverend Humes Ziel war. Gerade schickten sie sich an, den überdachten Vorbau zu betreten.

»Halt, stehenbleiben!« schrie der vom Jagdfieber gepackte Corporal und legte seinen Karabiner auf Bremers Leute an.

Einer der Gangster erfaßte die Situation sehr schnell. Sein Mündungsfeuer zuckte durch die Finsternis.

Die Detonation des Schusses vermengte sich mit dem Aufschrei des Corporals.

Der Soldat ließ die Waffe fallen, faßte an seine Brust und sank zu Boden.

Ein anderer Mann beugte sich über ihn und schüttelte dann den Kopf.

»Herzschuß. Das ist nichts mehr zu machen.«

Ein wildes Feuergefecht entspann sich innerhalb von Sekunden.

Ebenso rasch zeichnete sich ab, daß die Männer des Hais diesmal auf der Verliererseite standen. Sie waren in der Minderzahl und standen auf dem Vorbau so dicht zusammengedrängt, daß auch ungezielte Schüsse leicht zu Treffern wurden. Ein Gangster nach dem anderen sank zu Boden.

Da Jacob und Elihu keine Feuerwaffen besaßen, waren sie zum Zuschauen verdammt.

Sie hatten Deckung hinter einer längst übergelaufenen Regentonne gesucht und beobachtete das Geschehen mit skeptischen Augen.

Ganz so hatten sie sich die Sache nicht vorgestellt. Sie hatten eher an einen überraschenden Zugriff gedacht, der Bremers Leute zur Aufgabe zwang.

Aber so, wie es jetzt lief, drohte das Ganze außer Kontrolle zugeraten. Besonders, als Jacob zu sehen glaubte, daß sich ein paar Gangster ins Hotel zurückzogen.

Er machte seinen Freund darauf aufmerksam und sagte: »Ich mache mir Sorgen um die Kinder und um Shu-hsien.«

Elihu nickte verständnisvoll, meinte dann aber: »Schätze, wir können kaum etwas tun, solange die Männer des Hais sich auf dem Vorbau halten.«

»Vielleicht doch«, erwiderte Jacob. »Das Hotel hat bestimmt ein Hintereingang!«

Die Augen des Harpuniers leuchteten auf.

»Yeah, verdammt, daß mir das nicht eingefallen ist!«

Die beiden Männer sprangen aus ihrer Deckung und liefen geduckt um den großen Kasten des dreistöckigen Hauses mit Nebengebäuden und Ställen herum. Hinter ihnen peitschten weiterhin die Schüsse durch den Regen.

Jacob beschlich das unangenehme Gefühl, daß die Schrecken dieser Nacht mit dem Verlöschen des Brandes noch längst kein Ende finden würden.

*

Die freudige Aufregung verwandelte sich in Angst, als die Menschen im Hotel Santa Rosa die Schüsse hörten.

Nur wenige hatten geschlafen. Personal und Hotelgäste so gut wie gar nicht. Sie starrten aus den Fenstern und warteten auf das Feuer. Sie hofften und beteten, die Flammen mögen nicht bis zum Hotel durchkommen. Doch sie wußten sehr wohl, daß die Chancen dafür eher schlecht standen. Also hielten sie sich zur Flucht bereit.

Ebenso Reverend Alister Hume, seine Mitarbeiterin und Köchin Mrs. Goldridge und die junge Chinesin Wang Shu-hsien, die als Kind selbst einige Jahre in Humes jetzt abgebranntem Waisenhaus gelebt hatte. Die drei Erwachsenen wachten über die fünfzig Waisenkinder.

Alle lagen im Hotel-Restaurant, das ausgeräumt und zum Schlafsaal umfunktioniert worden war. Einige der Kinder schliefen tatsächlich, zumeist die jüngeren. Die Erschöpfung und die beruhigenden Worte des Reverends taten ihre Wirkung. Die meisten aber lagen wach in den Decken und Schlafsäcken auf dem Parkettboden und lauschten den flüsternden Stimmen der Erwachsenen.

Dann folgte für alle Menschen im Hotel ein Wechselbad der Gefühle.

Erst die starken, rasch aufeinanderfolgenden Explosionen.

Die meisten der Schläfer wurden von ihnen aus dem Schlaf gerissen. Viele der Kinder begannen zu weinen. Die kleineren aus Angst vor der unbekannten Gefahr, die größeren aus Angst vor dem, was die Explosionen nur bedeuten konnten: eine noch schnellere Ausbreitung des Feuers.

Wang Shu-hsien, die auf einem Schemel hockte und aus einem großen Fenster in die Nacht starrte, schreckte bei den Explosionen zusammen.

Sie dachte an Jacob, den sie in dieser Nacht lieben gelernt hatte. An die kurze, aber unvergeßliche Zeit ihrer gemeinsamen Lust und ihres gemeinsamen Glücks.

Sie wußte, daß er half, das Armeemagazin zu räumen. Und sie wußte auch, daß die lauten Explosion nur vom Magazin stammen konnte.

Angst befiel sie, der Geliebte könne tot sein. Auch als Mrs. Goldridge neben sie trat und beruhigend über Shu-hsiens schwarzes Haar strich, nahm ihr das nicht die Angst.

Auf die Explosionen folgten der Donnerhall, die gleißenden Blitze, das Aufreißen der Wolken, der schwere Sturzregen.

Die Furcht der Kinder und Erwachsenen verwandelte sich in unbändige Freude über ihre Rettung. Alle drängten sich an die Fenster, drückten sich die Nasen daran platt und stießen neue Freudenschreie aus, wenn der rötliche Schein des Feuers schwächer wurde.

Mrs. Goldridge führte mit einigen Kindern einen Freudentanz auf.

Der Reverend schickte ein lautes Dankgebet an den Herrn.

Selbst Shu-hsien fühlte sich ein wenig erleichtert. Zwar wußte sie nichts über Jacobs Schicksal, aber der Regen war ein mächtiger Hoffnungsbringer. Die Hoffnung auf Leben, die die Menschen im Hotel und in der ganzen großen Stadt neu beseelte, ließ auch Shu-hsien nicht unberührt.

Doch dann ertönten die Schüsse, so nah, daß sie den lauten Donnerhall überlagerten.

Don Felipe Echado, der Besitzer des Hotels, stürmte in den Speisesaal und bahnte sich einen Weg durch die aufgeschreckte Menge zu Reverend Hume.

»Verriegeln Sie alle Türen, Reverend!« rief der kleine spanischstämmige Mann mit dem hochgezwirbelten Schnurrbart aufgeregt und fuchtelte dabei wie wild mit den Händen in der Luft. »Und sorgen Sie dafür, daß sich die Kinder von den Fenstern fernhalten!«

»Was ist denn los?« wollte der verwirrte Reverend wissen. »Was hat das Geschieße zu bedeuten?«

In einer Geste völliger Ratlosigkeit hielt Don Felipe die geöffneten Hände noch höher.

»Ich habe keine Ahnung. Zwei Gruppen schießen aufeinander. Vor dem Haupteingang. Ich weiß nicht, was das für Männer sind. Bei dem Regen kann man kaum etwas sehen. Aber Schüsse mitten in der Stadt bedeuten niemals etwas Gutes!«

Alister Hume nickte und rief den Kindern zu, sie mögen von den Fenstern wegkommen. Hier war von den Menschen, die sich vor dem Hotel bekämpften, nichts zu sehen. Die Fensterseite des Restaurants lag an einer schmalen Seitenstraße. Deshalb nahmen auch nicht alle Kinder die Ermahnung des Reverends ernst. Erst als Mrs. Goldridge sie wegscheuchte wie eine aufgeregte Henne ihre ungehorsamen Küken, blieben die Fenster frei.

Bis auf Shu-hsien, die seltsam teilnahmslos wirkte. Sie hockte noch immer auf dem Schemel und starrte in den Regen hinaus. Die Schüsse ließen sie wieder stärker an Jacob denken. Obwohl es keine konkreten Anhaltspunkt dafür gab, hatte sie das Gefühl, die Schießerei habe etwas mit dem jungen Deutschen zu tun.

Mrs. Goldridge lief zu ihr, riß die junge Chinesin aus ihren Gedanken und von dem Schemel, um sie vom Fenster wegzuholen.

Aber die Gefahr kam nicht von der Fensterseite.

»Ich muß die anderen Gäste warnen«, sagte der Hotelier und wandte sich zum Gehen.

Kurz vor der Doppelflügeltür, durch die er das Restaurant betreten hatte, prallte er zurück. Ein paar mit Revolvern bewaffnete Männer stürmten herein und ließen ihre überraschten Blicke über die Kinderschar schweifen.

»Da haben wir ja das komplette Waisenhaus«, grinste der schlanke Mann mit den dämonischen Gesichtszügen und der Peitsche, die in seinem Gürtel steckte; es war der ehemalige Steuermann Cyrus Stanford.

»Ja, das Schicksal ist mit uns«, erwiderte Louis Bremer, als sein Blick auf Shu-hsien fiel.