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Er sprang zu ihr und Mrs. Goldridge und drückte die sechs Läufe seines Pepperbox-Revolvers gegen die Brust der jungen Chinesin. Gleichzeitig schloß sich seine Linke mit eisenhartem Griff um ihren Oberarm.

»Noch mal entkommst du uns nicht, chinesischer Engel!«

Insgesamt vier Bewaffnete hatten das Restaurant gestürmt. Neben Bremer und Stanford waren es die beiden unvermeidlichen Schatten des letzteren, Frenchy und Petrov, früher Stanfords Maate auf dem Walfänger LUCIFER.

Reverend Hume und der Hotelier stürzten den Eindringlingen gleichzeitig entgegen, um sie vom Gebrauch ihrer Schußwaffen abzuhalten. Don Felipe stieß dabei einen aufgeregten Wortschwall in einem unverständlichen Gemisch aus Spanisch und Englisch aus, teilweise flehend, teilweise beschimpfend.

Der untersetzte, kugelbäuchige Frenchy schwenkte seinen Joslyn-Revolver herum und drückte zweimal ab. Die Kugeln trafen den Hotelier in Brust und Bauch.

Aus Don Felipes Laufen wurde ein Torkeln. Er streckte die Arme aus, als suche er in der Luft einen unsichtbaren Halt. Aber er fand keinen und fiel den vier Bewaffneten direkt vor die Füße.

Entsetzensschreie erfüllten den Raum. Noch mehr Kinder weinten aus Angst vor den fremden Männern, vor den Schüssen und vor dem Schicksal, das den Hotelbesitzer ereilt hatte.

Reverend Hume kniete sich neben den Freund, konnte für ihn aber nichts mehr tun, als ihm die Augen, die gebrochen zur hohen Decke starrten, zuzudrücken.

Der Reverend hob den Kopf und starrte den Todesschützen an. Humes Gesicht war noch blasser als sonst. Seine lebendigen Augen funkelten Frenchy in einer Mischung aus Vorwurf und Verachtung an.

»Was glotzt du so, Pfaffe?« raunzte der Maat.

Er drückte die Mündung des Joslyns gegen Humes Stirn und zog den Hahn nach hinten.

»Laß die Spielereien, Frenchy!« rief Bremer. »Wir müssen weiter!«

Die Schüsse vor dem Hotel wurden spärlicher. Der Anführer der Gangster wußte, was das bedeutete: Die zahlenmäßig überlegenen Angreifer gewannen die Oberhand über die Männer unter Charley Wagner, denen Bremer die Verteidigung des Hoteleingangs befohlen hatte. Höchste Zeit für Bremer, durch einen Hinterausgang zu verschwinden!

Natürlich ahnten Wagner und die anderen da draußen nicht, daß ihr Boß sich absetzen wollte. Ihnen hatte Bremer gesagt, er wolle die Chinesin holen und dann wieder in den Kampf eingreifen. Doch da hatte der Mann mit dem Rattengesicht schon gewußt, daß es anders laufen würde. Schließlich war er kein Selbstmörder!

Unwillig nahm Frenchy die Waffe von Reverend Humes Stirn. Der Maat sah nicht ein, wieso er den Pfaffen nicht abknallen sollte. Es würde doch nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Aber er war gewohnt zu gehorchen. Wie er auf der LUCIFER dem mit seinem Schiff untergegangenen Kapitän John Raven gehorcht hatte, gehorchte er jetzt Louis Bremer.

Dieser hatte bereits den rückwärtigen Ausgang des Restaurants erspäht und lief darauf zu, Shu-hsien mit sich zerrend. Die Chinesin sträubte sich, stemmte sich dagegen.

Bremer blieb stehen und hob drohend die Pepperbox.

»Hör zu, du kleine Hure!« zischte er die Chinesin an. »Wenn du nicht gehorchst, sage ich Frenchy, er soll den Reverend doch umlegen. Und ich selbst werde ein paar der niedlichen Kinderlein hinterherschicken, damit der Reverend nicht so allein ist, wenn er im Paradies die Harfe zupft!«

Entsetzt starrte Shu-hsien erst auf Reverend Hume und die Kinder und dann in das spitze Gesicht des Gangsters. Sie las in seinen häßlichen Zügen wilde Entschlossenheit und fand nicht eine Spur von Mitleid darin. Kein Zweifel, Bremer hatte keine leere Drohung ausgestoßen.

»Was ist?« fragte er scharf. »Gehorchst du oder nicht?«

Sie nickte und schluckte dabei schwer.

»Ich komme mit.«

»Gut«, grinste das Rattengesicht und wandte sich seinen Männern zu. »Petrov und Frenchy, ihr bleibt hier und paßt auf die armen Waisen auf. Sobald Stanford und ich mit unserer hübschen Gefangenen draußen sind und die Pferde gefunden haben, geben wir kurz hintereinander drei Schüsse ab. Dann kommt ihr nach!«

Bremer, Stanford und Shu-hsien verschwanden durch die schmale Tür.

Frenchy und Petrov brauchten nicht lange zu warten, bis sie aus dem rückwärtigen Teil des Hotels Schüsse hörten.

Allerdings waren es mehr als drei Schüsse, dafür nicht kurz hintereinander.

»Bei allen Höllenriffen von Kap Horn, war das jetzt das Signal oder nicht?« rief Frenchy mit gerunzelter Stirn.

»Wenn es nicht das Signal war, hat es trotzdem nichts Gutes zu bedeuten«, meinte Petrov. »Wir sollten abhauen!«

Und das taten sie.

*

Da die beiden Männer das Hotel Santa Rosa nicht kannten, war es für sie nicht einfach, sich in dem Gewirr der Stallungen und Wirtschaftsgebäude hinter dem Hotel zurechtzufinden. Der schwere Regen, für die eben noch in Flammen stehende Stadt eine Wohltat, erschwerte ihre Aufgabe beträchtlich. Einen Hintereingang zu finden, wenn man nicht unmittelbar davorstand, war zur unmöglichen Aufgabe geworden.

Mühsam suchten Jacob und Elihu sich ihren Weg. Noch immer hörten sie die Schüsse von der Vorderfront. Sie schienen spärlicher zu werden.

»Hört sich an, als sei der ganze Zauber bald vorbei«, brummte der Harpunier und wischte sich über das regennasse Gesicht. »Vielleicht ist alles schon vorüber, wenn wir im Hotel sind.«

»Vielleicht«, erwiderte Jacob in einem düsteren Ton, der seinen Vorahnungen entsprach. »Fragt sich nur, auf welche Weise.«

Kaum hatte er ausgesprochen, blieb er stehen. So abrupt, daß der Harpunier gegen ihn stieß.

»Paß doch auf, Jake! Fast hätte ich dich mit meiner neuen Harpune durchbohrt.« Dabei hob er die gefährlich wirkende Eigenkonstruktion hoch. »Warum gehst du nicht weiter? Hier draußen können wir.«

Er verstummte, als sein Blick auf das fiel, was den Auswanderer zum plötzlichen Anhalten veranlaßt hatte. Zwei Männer und eine Frau kamen aus dem Haus und liefen hinaus in den Regen. Elihu erkannte sie: Bremer, Stanford und Shu-hsien.

Die Chinesin begleitete die beiden anderen offensichtlich nicht freiwillig. Bremer umfaßte ihren Arm.

Stanfords Blick fiel auf die beiden Freunde. Der Steuermann rief seinem Begleiter etwas zu und hob die Rechte. Den Revolver darin erkannte Elihu erst, als das Mündungsfeuer aufblitzte.

Die Kugel pfiff über den Harpunier hinweg. Aber nur, weil Jacob den Freund mit sich zu Boden gerissen hatte.

Sie fielen in tiefen Schlamm, der sich sofort mit schmatzenden Geräuschen an ihnen festsog. Aber das störte sie nicht angesichts der Todesgefahr.

Wieder bellte Stanfords Waffe, und auch Bremers Pepperbox beteiligte sich an dem tödlichen Konzert. Rund um Jacob und Elihu spritzte der Schlamm auf, als er gierig das heiße Blei verschluckte.

Sie wälzten sich durch den Schlamm, auf der Suche nach Deckung, die sie schließlich hinter einer großen Kiste fanden. Was sie beinhaltete und was sie auf dem Hof zu suchen hatte, wußten die Freunde nicht. Sie waren einfach nur dankbar, daß die Kiste hier stand.

»Was machen die Mistkerle?« fragte der Harpunier, als die Schüsse verstummten.

Vorsichtig schob Jacob seinen Kopf bis zur Nasenwurzel über den oberen Kistenrand - und stieß einen Fluch aus, den selbst der in diesen Dingen erfahrene Seemann noch nicht gehört hatte.

»Sie sind weg!« schrie Jacob. »Als hätte der Regen sie verschluckt.«

Aus seiner vibrierenden Stimme sprachen Wut, Enttäuschung und Angst.

Die Angst um Shu-hsien.

Er sprang auf und lief auf die Stelle zu, wo eben noch die beiden Gangster mit ihrer Gefangenen gestanden hatten.

»Sei vorsichtig, Jake!«

Elihu folgte dem Freund mit einigem Abstand. Sein schmerzendes Bein behinderte ihn.

Jacob entdeckte die offene Tür, durch die Bremer, Stanford und Shu-hsien gekommen waren. Und er entdeckte, daß Elihus Warnung berechtigt gewesen war. Petrov und Frenchy stürzten durch die Tür nach draußen und blieben unter dem Vordach stehen, als sie den Auswanderer sahen. Frenchy, der als erster herausgekommen war, hob die rechte Hand mit dem Revolver.