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In Bremers Mund machte sich ein seltsam süßlicher Geschmack breit. Der Geschmack von Blut.

Blut rann auch aus dem rechten Nasenloch, am Mundwinkel vorbei am Kinn herunter und tropfte auf das ehemals weiße, inzwischen mehr graue Hemd.

Black baute sich vor dem am Boden liegenden Mann auf und brüllte: »Du verdammte kleine Ratte! Was glaubst du, wen du vor dir hast? Meinst du, nur weil der Hai den Ton angibt, singt Henry Black bloß noch im Chor? Ich lasse mich doch nicht vom Hai zerfetzen, nur weil du zu feige bist, einen jungen Auswanderer und ein Schlitzaugen-Girl zu fangen! Von dir lasse ich mich nicht hereinlegen!«

Er beugte sich zu Bremer hinunter, die gewaltigen Hände zu Klauen verformt. Er wollte sie um Bremers dürren Hals legen und dem Rattengesichtigen zeigen, wie schnell er, Henry Black, dem Leben des Unterführers ein Ende bereiten konnte.

Doch er kam nicht dazu. Bremer war schneller und zog seinen sechsläufigen Pepperbox-Revolver aus einer Jackentasche. Als Black in die sechs dunklen Mündungen blickte, hatte der andere auch schon mit gefährlichem Klicken den Hahn gespannt.

»Du faßt mich nicht noch mal an, Henry, nicht auf diese Weise!« keuchte Bremer und stieß die Pepperbox soweit vor, bis sie sich dicht vor dem feisten Gesicht des Geschäftsführers befand. »Schlag mich nur noch einmal, Henry. Würg mich nur. Und liebend gern schicke ich dich in die Hölle. Da hilft dir auch kein Hai!«

Blacks Hände befanden sich in unmittelbarer Nähe von Bremers Hals. Der wuchtige Mann hätte nur zudrücken müssen, um die Lebensluft aus dem Körper des anderen zu pressen.

Aber so wütend Black auch war, er erkannte, daß solch eine Aktion nicht Bremers Ende, sondern sein eigenes gewesen wäre. Der Mann mit dem Rattengesicht hätte allemal die Zeit gefunden, um den Abzug durchzuziehen und Black mit einem Stück heißen Bleis zu spicken.

Ganz langsam zog sich Black zurück und richtete sich auf. Schweiß stand auf seinem roten Cholerikergesicht. Sein Atem ging schnell und rasselnd.

»Gut so«, bellte Bremer und hielt die Pepperbox weiterhin auf Black gerichtet. »Aber noch nicht gut genug. Geh zurück, Henry, bis zum Schreibtisch!«

Langsam ging der wuchtige Mann rückwärts, bis er gegen die Kante der Schreibtischplatte stieß.

Bremer stand auf, den Revolver in der Rechten. Die Linke wischte über die mißhandelte Gesichtshälfte. Unwillig betrachteten die kleinen Augen des kleinen Mannes das an seiner Hand klebende Blut.

»Steck endlich das Schießeisen weg, Louis«, forderte Black und klang dabei seltsam heiser. »Ich habe für einen Augenblick die Nerven verloren. Ich gieße uns was zu trinken ein, und dann reden wir über die Sache. In Ordnung?«

»Ich weiß noch nicht, ob es in Ordnung ist.«

Bremers Daumen ließ den gespannten Hahn langsam zurückgleiten. Aber der kleine Mann traf keine Anstalten, den Revolver wegzustecken.

»Zur Sicherheit halte ich mich an meiner Pfefferbüchse fest. Du hast doch nichts dagegen, Henry?«

»Nein«, raunzte dieser, aber seine verkniffenen Züge verrieten das Gegenteil. »Wenn du meinst, daß du das brauchst, Louis.«

»Allerdings, das meine ich.«

Weder Bremers Stimme noch seine Haltung verrieten auch nur einen Anflug von Versöhnlichkeit.

Blacks dicke Finger zitterten, als er ein zweites Glas neben sein eigenes stellte und beide füllte.

Das Zittern entsprang mehr seiner unterdrückten Wut als der Angst vor Bremer und seiner Pepperbox. Black war wütend auf Bremer und auf sich selbst.

Vor kurzem noch hatte der Geschäftsführer gehofft, in Bremer einen Verbündeten zu finden. Er brauchte Verbündete, um den Hai zu entmachten.

Er wollte doch nicht immer nur die zweite Geige spielen. Black hatte das Golden Crown großgemacht. Black wollte auch wieder der alleinige, der oberste Chef sein.

Aber nach diesem Vorfall durfte er kaum damit rechnen, daß Bremer sich auf seine Seite stellte.

Er nahm beide Gläser auf und reichte eines dem Mann mit dem sechsläufigen Revolver.

»Hier, Louis, laß uns auf unsere Versöhnung trinken!«

Zögernd trat Bremer näher und griff mit der Linken nach dem Glas.

Die Rechte umklammerte noch immer den Revolvergriff.

Die beiden Männer leerten ihre Gläser mit wenigen Zügen.

»Ah, jetzt geht's mir schon besser«, seufzte Bremer und stellte das Glas zurück auf den Schreibtisch.

Die Läufe der Pepperbox zeigten nicht mehr auf Black, sondern auf den Boden.

Bremer war sehr empfänglich für Alkohol, besonders für exzellenten Brandy.

Darauf hatte Black gesetzt.

»Hör zu, Louis, wir beide müssen das Beste aus der verfahrenen Sache machen«, sagte er in einem bewußt kameradschaftlichen Tonfall. »Weiß der Hai, daß du mit deinen Männern zurückgekehrt bist?«

»Nein. Woher auch?«

Black warf einen respektvollen Blick an die Decke und erwiderte: »Er hat von vielen Dingen Ahnung, die er gar nicht wissen dürfte. Die er eigentlich gar nicht wissen kann!«

Bremer grinste unverschämt und schüttelte den Kopf.

»Ich werde nicht schlau aus dir, Henry. Manchmal wirkst du ganz wie der große Geschäftsmann, und dann wieder bist du abergläubisch wie ein Nigger. Für was hältst du den Hai? Für eine Art Geist oder so etwas?«

Black dachte daran, daß der Hai sich immer über alles informiert zeigte. Auch über die Dinge, die er eigentlich gar nicht wissen konnte, weil es doch Blacks Aufgabe war, ihn auf dem laufenden zu halten. Unheimlich war auch Busters Erscheinen gewesen, als Black Susu Wang vergewaltigen wollte. War das wirklich nur ein Zufall gewesen?

»Ich weiß nicht«, beantwortete Black die Frage des anderen mit dem Unbehagen eines Mannes, der vor einer dunklen Höhle steht, sie durchqueren muß, aber die in ihr lauernde Gefahr nicht kennt. »Ich weiß nur, daß man im Umgang mit dem Hai nicht vorsichtig genug sein kann.«

»Verdammt, wir arbeiten doch für, nicht gegen ihn!«

»Gerade dann sollte man vorsichtig sein«, versetzte Black. »Einige, die für den Hai gearbeitet haben, schwimmen jetzt irgendwo in der Bucht. Ziemlich tief, weil dicke Steine an ihnen hängen.«

Bremer schielte verdächtig nach der Brandy-Flasche. Black goß ihm noch einen Doppelten ein, um ihn bei Laune zu halten.

Der Geschäftsführer selbst hielt sich allerdings zurück. Er hatte das Gefühl, in dieser Nacht noch einen kühlen Kopf zu benötigen.

»Sieh zu, daß du mit deinen Männern wieder wegreitest, Louis. Bevor der Hai euch bemerkt. Findet Adler und die chinesische Hure. Bringt sie her, schnell!«

Der Brandy hatte den Blutgeschmack aus Bremers Mund vertrieben und ihn mit dem anderen Mann weitgehend versöhnt. Er steckte den Revolver weg, klaubte die Melone auf und murmelte: »Ist ja schon gut, Henry. Diesmal entkommen sie uns nicht. Wir reiten sofort in die Bolton Street, wo dieses verfluchte Waisenhaus steht - oder stand. Vermutlich hat das Feuer nicht viel von ihm übriggelassen.«

»Beeilt euch!« forderte Black.

Als Bremer gegangen war, hieb der massige Mann mit solcher Wucht auf den Schreibtisch, daß Bremers leeres Glas umstürzte, von der Platte rollte und auf dem Boden klirrend zersprang.

Eine ganze Reihe von Flüchen ausstoßend, trat Black wieder ans Fenster.

Was er draußen sah, entlockte ihm einen weiteren, ziemlich deftigen Fluch.

Der Himmel war in der Zeit, während er sich mit Bremer abgegeben hatte, viel heller geworden. Aber nicht, weil der Morgen graute. Soweit war es noch nicht. Der Grund war das Feuer, das sich mit ungeahnter Schnelligkeit ausbreitete.

Dieser Idiot von Louis Bremer!

Er hatte Chinatown abfackeln wollen. Aber jetzt sah es so aus, als hätten er und seine Männer ganz Frisco dem Untergang geweiht.