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August 1977 17. Auflage Juli 1997 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München © 1996 Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf und Zürich, für die deutsche Übersetzung © 1960 Umschlaggestaltung: Balk & Brumshagen Umschlagbild: >Sie haben ihn nicht erwartet< (1884) von Ilja Jefimowitsch Repin Gesamtherstellung: C. H. Beck'sche Buchdruckerei, Nördlingen Printed in Germany • ISBN 3-423-12405-9

Anmerkung des Scanners: Die Seitenzahlen wurden vom Original übernommen, Leerseiten wurden entfernt, weshalb die Seitennummerierung einige Lücken enthält.

Ein Doppelmord in St. Petersburg, hochmütig geplant und ausgeführt von dem Studenten Raskolnikow. Doch die Tat verfolgt den Täter. Unerbittlich wird er gezwungen, sich den Fragen nach Schuld und Sühne, nach Verbrechen und Strafe zu stellen.

Diese atemberaubende Kriminalgeschichte gilt als der bestkomponierte Roman des berühmten russischen Dichters.

Rodion Raskolnikow, ein verarmter Student, ist von der Idee besessen, daß es dem »großen« Menschen erlaubt sei, »lebensunwertes« Leben zu vernichten, um »lebens-wertes« zu erhalten. Er begeht einen Doppelmord an ei-ner alten Wucherin und deren halbirrer Schwester, um mit dem geraubten Geld sein Studium zu finanzieren. Doch seine Psyche kann die Tat nicht verkraften. In ei-nem bitteren Prozeß der Bewußtwerdung lernt er die Strafe als Sühne begreifen und erfährt die erlösende Kraft der Liebe.

›Schuld und Sühne‹ oder ›Verbrechen und Strafe‹, er-schienen 1866, ist eine Kriminalgeschichte von atembe-raubender Spannung und gilt als der bestkomponierte Roman Dostojewskijs.

Fjodor Michailowitscb Dostojewskij (1821—1881) war Sohn eines Armenarztes aus Moskau. Nach kurzer Tätigkeit als technischer Zeichner im Kriegsministerium wurde er freier Schriftsteller. Vier Jahre Zwangsarbeit als poli-tischer Häftling und beständige Geldnot wegen seiner Spielerleidenschaft zeichnen den unermüdlich Schaffen-den. St. Petersburg wird die zweite Heimat dieses be-deutendsten russischen Realisten und Hauptschauplatz seiner berühmtesten Romane, die bis heute weltweit be-wundert und gelesen werden.

Fjodor Michailowitsch

Dostojewskij

Schuld und Sühne

Roman

Deutscher Taschenbuch Verlag

Vollständige Ausgabe.

Aus dem Russischen übertragen von Richard Hoffmann.
Mit Zeittafel, Nachwort, Anmerkungen und Literaturhinweisen
von Barbara Conrad.

Titel der Originalausgabe: ›Prestuplenie i nakazanie‹ (Petersburg 1866)

Von F. M. Dostojewskij
sind im Deutschen Taschenbuch Verlag erschienen:
Der Idiot (2011)
Die Dämonen (2027)
Die Brüder Karamasow (2043)
Der Jüngling (2054)
Der Spieler (2081)
Der Doppelgänger (2396)

August 1977 17. Auflage Juli 1997 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München © 1996 Artemis & Winkler Verlag,

Düsseldorf und Zürich,
für die deutsche Übersetzung © 1960
Umschlaggestaltung: Balk & Brumshagen
Umschlagbild: >Sie haben ihn nicht erwartet< (1884)
von Ilja Jefimowitsch Repin
Gesamtherstellung: C. H. Beck'sche Buchdruckerei,

Nördlingen Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany · ISBN 3-423-12405-9

ERSTER TEIL

1

Anfang Juli, an einem ungewöhnlich heißen Tag, verließ ein junger Mann gegen Abend die Kammer, die er in der S.-Gasse in Untermiete bewohnte, trat auf die Straße und ging langsam, gleichsam unentschlossen, in Richtung der K.-Brücke fort.

Glücklich vermied er auf der Treppe eine Begegnung mit seiner Hauswirtin. Seine winzige Kammer lag gleich unter dem Dach des hohen fünfstöckigen Hauses und war eher als eine Art Schrank denn als ein Wohnraum anzusprechen. Die Wirtin, bei der er diese Kammer mit Mittagessen und Be-dienung gemietet hatte, wohnte eine Treppe tiefer in einer eigenen Wohnung, und sooft er das Haus verließ, mußte er an ihrer Küche vorbei, deren Tür zur Treppe hin fast immer sperrangelweit offen stand. Und jedesmal überkam den jun-gen Mann im Vorbeigehen ein schmerzlich feiges Gefühl, des-sen er sich schämte und über das er angeekelt die Stirn run-zelte. Er war an die Hauswirtin bis über beide Ohren verschuldet und fürchtete sich, ihr zu begegnen.

Nicht daß er von Natur feige oder schüchtern gewesen wäre, ganz im Gegenteil; aber seit einiger Zeit war er derart reizbar und lebte er in solcher Spannung, daß sein Zustand fast einer Art Hypochondrie glich. Er hatte sich so sehr in sich selbst versponnen und von allen anderen Menschen ab-gesondert, daß er vor überhaupt jeder Begegnung Angst hatte, nicht nur vor einer Begegnung mit seiner Hauswirtin. Er war arm; aber sogar seine bedrängte Lage beschwerte ihn in letz-ter Zeit kaum noch. Mit seinen eigentlichen Arbeiten be-faßte er sich gar nicht mehr und wollte das auch nicht. In Wirklichkeit hatte er auch keineswegs Angst vor der Wirtin, mochte diese gegen ihn im Schilde führen, was sie wollte. Doch auf der Treppe stehenzubleiben, allerlei Unsinn über den so alltäglichen Kleinkram, der ihn gar nichts anging, alle

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diese ewigen Mahnungen, seine Schulden zu bezahlen, alle die Drohungen und Klagen anhören und dabei sich selber drehen und wenden, sich entschuldigen und lügen zu müssen – nein, da war es schon besser, wie eine Katze die Treppe hinabzuschleichen, so gut es ging, und das Weite zu suchen, damit niemand ihn sehe.

Übrigens machte diesmal, als er auf die Straße trat, die Furcht vor einer Begegnung mit seiner Gläubigerin sogar ihn selbst stutzig. Bei dem, was ich wagen will, fürchte ich mich vor solchen Kleinigkeiten! dachte er mit einem seltsamen Lächeln. Hm .. . ja ... alles ist dem Menschen in die Hand gegeben, und alles läßt er sich entgehen, einzig aus Feig-heit ... Das ist eine unumstößliche Tatsache ... Es ist in-teressant, was die Menschen am meisten fürchten: einen Schritt ins Ungewisse, ein neues Wort, das sie sprechen könn-ten, fürchten sie mehr als alles andere ... Übrigens rede ich zuviel. Weil ich rede, leiste ich auch nichts. Vielleicht ist es übrigens auch so: ich rede, weil ich nichts leiste. In diesem einen Monat habe ich zu reden gelernt, indem ich ganze Tage und Nächte in der Ecke lag und nachdachte ... über nichts. Nun, weshalb gehe ich jetzt dorthin? Bin ich etwa dazu fähig? Ist das etwa ernst gemeint? Ganz und gar nicht! Es handelt sich nur um Phantasien; ich spiele mir selber etwas vor; Spie-lerei! Ja, es ist wohl nur ein Spiel!

Auf der Straße war es drückend heiß. Dazu war es schwül; es herrschte Gedränge; überall lagen Kalk und Ziegelsteine umher, standen Baugerüste, es war staubig, und jener be-sondere sommerliche Gestank erfüllte die Luft, den jeder Petersburger so gut kennt, wenn er nicht die Möglichkeit hat, ein Sommerhäuschen zu mieten. Das alles zusammen peinigte die ohnedies schon angegriffenen Nerven des jungen Mannes. Der unerträgliche Gestank aus den Schenken, von denen es in diesem Teil der Stadt besonders viele gab, und die Betrun-kenen, die einem, obwohl es Werktag war, unaufhörlich begegneten, gaben dem Bild seine letzte abstoßende, traurige Stimmung. Ein Ausdruck tiefsten Ekels huschte für einen Augenblick über die feinen Züge des jungen Mannes. Übri-gens war er bemerkenswert hübsch. Er hatte sehr schöne